Hillary Clinton
polarisiert auch mit 70

Pro & Contra: Was für die US-amerikanische Politikerin spricht und was dagegen

Die US-Demokratin Hillary Clinton feiert heute ihren Geburtstag und denkt auch mit 70 nicht an einen Rückzug. Dabei polarisiert die Politikerin immer noch gewaltig.

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Debatte - Hillary Clinton
polarisiert auch mit 70

Pro:

Hillary Clinton ist nicht sonderlich beliebt. Viele Menschen sehen in ihr ein Produkt des Establishments – berechnend, machtbesessen, elitär. Zugegeben, auch für mich ist sie auf den ersten Blick nicht gerade eine Sympathieträgerin. Irgendwie zu steif, unnahbar und in unschöne Dinge verstrickt. Sofort kommen mir Gedanken an die E-Mail-Affäre während ihres Präsidentschaftswahlkampfes im Jahr 2016. Auch die Sexaffäre ihres Gatten Bill Clinton mit seiner damaligen Praktikantin Monica Lewinsky wirft einen Schatten über Hillary.

Aber eigentlich ist dieses vorschnelle Urteil ungerecht. Nehmen wir ihren Werdegang: Von der Anwältin zur First Lady, danach Senatorin und Außenministerin. Und Hillary kann das sogar noch toppen. Sie stand kurz davor als Demokratin, die erste US-Präsidentin zu werden. Müsste man dafür nicht in Jubel ausbrechen? Sollten junge Frauen nicht zu ihr aufschauen, ihr nacheifern und sie huldigen? Nein, genau das Gegenteil scheint der Fall zu sein.

Eigenschaften die erfolgreiche Unternehmer und CEOs ausmachen, scheinen in Hillarys Fall auf wenig Anklang zu stoßen. Vielleicht ist es aber auch ein viel oberflächlicheres Problem. Und sie interessierte sich während ihrer politischen Karriere einfach nicht genug für Mode, um ikonenhaft verehrt zu werden. (Anders als Michelle Obama, Jackie Kennedy oder Nancy Reagan...)

»Ich musste mein spontanes und 'authentisches' Ich zurückhalten«

Die amerikanische Journalistin Amy Wilentz schrieb 2008 in dem Sammelband 30 Ways of Looking at Hillary: "Meistens wirkt sie wie eine Republikanerin. Sie befindet sich irgendwo zwischen Country Club, Golfen, Aktienspekulation, mit einem Anflug von Bingo-Abend, Sonntagsgottesdienst, Supermarktregalen und Kaffeeklatsch." Ja, klar stimmt das. Frauen in Führungsrollen und Machtpositionen fühlen sich bestimmt immer in einem Zwiespalt. Aber ich kontere am besten mit einem Zitat, dass von Hillary selbst stammt: "Um zu erreichen, was mir wirklich wichtig war, musste ich mein spontanes und 'authentisches' Ich zurückhalten." Das glaube ich ihr.

Die Wahrheit liegt irgendwo dazwischen

Nochmal zurück zur E-Mail-Affäre: Die ganze Thematik bot ihren Gegnern während des Wahlkampfs eine willkommene Angriffsfläche. Aber es war kein Kapitalverbrechen, wie die Staatsanwaltschaft ja auch festgestellt hat. Der frühere FBI-Chef James Comey (er wurde im Mai gefeuert) soll den Fall zu den Akten gelegt haben - bevor Clinton selbst befragt wurde. Die Wahrheit liegt wahrscheinlich irgendwo dazwischen. Denn zwei US-Kongressausschüsse wollen jetzt neue Untersuchungen von Hillary Clintons E-Mail-Affäre im Präsidentschaftswahlkampf 2016 einleiten.

Niemals aufgeben

Trotzdem: Nach so einer Diskreditierung würden sich die meisten von uns einfach zu Hause verkriechen. Sie hat das nicht getan. Sie ist aktiv geblieben. Sie ist ehrgeizig. Sie hat für ihre Karriere gekämpft und stets ihre Gefühle kontrolliert. Sie ist kein Mensch der aufgibt. Und allein das ist bewundernswert.

von Evelin Past

Contra:

Hillary wird 70! Gratuliere, allerdings nicht zu ihren politischen Kompetenzen. Viele stöhnen momentan unter Trump – nicht zu Unrecht –, aber ob Hillary als US-Präsidentin die weitaus bessere Alternative gewesen wäre, ist zu bezweifeln.

Gehen wir einmal vom Augenscheinlichen aus: Hillary Clinton ist eine Frau. Also fühlten sich bestimmt genügend US-Frauen von ihr angesprochen und haben sie gewählt? Nicht ganz. Frau zu sein allein, reicht eben nicht. Auch wenn die andere Option in dem Fall Trump hieß, mit seinen untergriffigen Aussagen gegenüber dem weiblichen Geschlecht à la: "Wenn Ivanka nicht meine Tochter wäre, würde ich sie wahrscheinlich daten." Selbst Clintons Zielgruppe - weiße, heterosexuelle und verheiratete Frauen – konnte sie im US-Wahlkampf nicht mobilisieren. Zum Vergleich: Während Obama 95 Prozent der schwarzen Wähler für sich gewann, schaffte es Clinton nur bei 54 Prozent der Frauen. Vielleicht liegt ihre Unbeliebtheit aber auch ganz einfach an ihren Feststellungen. Beispielsweise versuchte die Demokratin die fehlende weibliche Unterstützung so zu erklären: Die Geschäftsfrau Sheryl Sandberg habe ihr in einem Gespräch erklärt, Frauen "stehen unter einem enormen Druck – und ich spreche vorwiegend über weiße Frauen. Sie sind unter einem enormen Druck von Vätern, Ehemännern, Lebensgefährten und männlichen Arbeitskollegen nicht für ‚das Mädchen‘ zu stimmen." Dieser Stellungnahme stimmt Clinton voll zu. Aha. Damit traut sie den "weißen Frauen" in den USA nicht gerade umwerfend viel eigenständiges Denken und Handeln zu.

Eine große Sympathieträgerin ist sie wahrlich nicht, verankert sich selbst immer wieder in der "weißen Oberschicht". Ihr Mann, Ex-Präsident Bill Clinton, sei in den 1980ern für seine verbalen Entgleisungen mehrmals von Schwarzen und Hispanos wegen Verstößen gegen den 1965 Voting Rights Act verklagt worden, behauptet Buchautorin und ehemalige Bill-Clinton-Geliebte Dolly Kyle. Hillary soll einmal behinderte Kinder bei der Ostereiersuche als "verf***te Zurückgebliebene" bezeichnet haben.

Und dazu kommen noch die publik gewordenen Skandale, die vor allem im US-Wahlkampf über Hillary Clinton aufgekommen sind: Während ihrer Zeit als Außenministerin verschickte sie E-Mails über einen privaten, veralteten Server, obwohl Angehörige der US- Regierung ihre dienstliche Korrespondenz den Sicherheitsbehörden zur Verfügung stellen müssen. Mindestens 30.000 angeblich private E-Mails löschte sie. Und immer wieder ist die umstrittene Clinton-Stiftung Thema. Hier werfen Kritiker der Demokratin vor, dass die Grenzen zwischen privaten Aufträgen, politischen Spenden und Wohltätigkeitsevents verschwimmen und Hillarys Politik quasi käuflich war.

All das spricht dafür, die politische Kompetenz der Ex-US-Präsidentschaftskandidatin anzuzweifeln. Also alles Gute zum Geburtstag Hillary, aber in der Politik würden wir dich nicht vermissen.

von Carina Pachner