Der Bund hat der Stadt Wien erneut mit einer - vorerst nicht näher rechtlich ausgeführten - Weisung gedroht, falls man im Rathaus dem Turm-Projekt am Wiener Heumarkt keine Absage erteilt. Das haben Vizekanzler Heinz-Christian Strache und Kulturminister Gernot Blümel am Montag angekündigt. Die von der Stadt verhängte zweijährige "Nachdenkphase" ist ihnen zu wenig.
Bauvorhaben liegt wieder auf Eis
Landtagspräsident Ernst Woller (SPÖ) hatte nach Bekanntwerden eines kritischen Berichts des internationalen Rats für Denkmalpflege ICOMOS - der auch die UNESCO berät - eine solche avisiert. Damit liegt das Bauvorhaben, das laut ICOMOS nicht mit dem Prädikat "Weltkulturerbe" für die Innenstadt vereinbar ist, wieder einmal auf Eis. Der UNESCO ist vor allem ein geplantes 66 Meter hoher Wohnturm ein Dorn im Auge.
Das Prädikat für das historische Zentrum war einst von der Stadt gewünscht worden, offizieller Vertragspartner der UNESCO ist jedoch die Republik Österreich. Man sei klar aufgefordert, "alle möglichen Maßnahmen, die wir ergreifen können, auch zu ergreifen", sagte Blümel. In welcher Form das geschehen könnte, ist aber noch offen. Das sei noch zu klären. Der Minister betonte jedoch: "Es gibt einige Rechtsauffassungen, dass wir das tun können und tun müssen."
So will Blümel eingreifen
Blümel kündigte an, der Stadt einen Brief zu schreiben, in dem klar gefordert wird, die ICOMOS-Vorgaben umzusetzen bzw. unmissverständlich festzuhalten, dass das Projekt in der derzeit geplanten Form nicht kommt. Die Antwort werde er der UNESCO mitteilen. Diese hat die Wiener City bereits auf die Rote Liste der bedrohten Welterbestätten gesetzt.
Die von der Stadt avisierte Projektpause ist den Regierungsvertretern - die auch Obleute der jeweiligen Wiener Landesparteien sind - zu wenig. Dies reiche nicht aus, befand Strache: "Es muss jetzt dieses verwerfliche Projekt verworfen und gestoppt werden." Denn es würde das Stadtbild "irreparabel" zerstören, zeigte sich der Vizekanzler überzeugt. Das Projekt dürfe aufgrund des aktuellen Berichtes nicht kommen.
Verzögerung könnte Wirtschaft schädigen
Dass die erneute Verzögerung sich negativ auf den Wirtschaftsstandort Wien auswirken könnte, wurde heute zumindest nicht völlig ausgeschlossen. Zuletzt hatte die Wiener Wirtschaftskammer das Hochhaus-Projekt ausdrücklich begrüßt - und es als klares und positives Signal an Investoren gewertet. Blümel gestand heute ein, dass es auch für den Projektbetreiber - Michael Tojners Wertinvest - eine "schwierige Situation" sei. Denn dieser habe sich an die Vorgaben der Stadt gehalten, die eben unzureichend gewesen seien.

Die heimische UNESCO-Vertretung hielt am Montag ebenfalls fest: "Der umfangreiche ICOMOS-Report hat erneut klargestellt, dass das Bauprojekt am Heumarkt in dieser Form nicht mit der Selbstverpflichtung Österreichs zum Schutz der Welterbestätte im Rahmen der Welterbekonvention vereinbar ist." Dies sei, wurde betont, seit 2012 auch immer wieder deutlich und transparent kommuniziert worden.
Sollte das historische Zentrum das Prädikat Weltkulturerbe verlieren, würde der Welterbebestand in der Bundeshauptstadt mit einem Schlag halbiert: Dann bliebe Wien nur mehr das Schloss und die Gärten von Schönbrunn als von der UNESCO ausgewiesene Welterbezone.
Heute keine Entscheidung
Die Frage, ob für das Wiener Heumarkt-Projekt eine Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) durchzuführen ist, wird am heutigen Montag nicht mehr geklärt. Der zuständige Richter am Bundesverwaltungsgericht (BVwG) erläuterte am Nachmittag nach einer kurzen Verhandlungspause, dass noch einige Punkte zu klären seien. Eventuell wird sogar ein Lokalaugenschein durchgeführt.
Eine solche Vor-Ort-Begehung brachten die Vertreter der Projektbetreiber ins Spiel. Dadurch könne man sich von verschiedenen Blickpunkten aus ein Bild des jetzigen Bestands machen und sich auch die Wirkung des neugestalteten Areals besser vorstellen, so sinngemäß das Argument. Sowohl die Gegenseite als auch der Richter selbst zeigten sich einer solchen Exkursion nicht abgeneigt. Letzterer regte gar an, eventuell die Verhandlung gleich unmittelbar nach dem Lokalaugenschein im Hotel Intercontinental selbst fortzusetzen. "Aber ich werde darüber heute nicht entscheiden", so der Richter.
Außerdem sollen im weiteren Verlauf der Verhandlung noch einige Kritikpunkte des Projektbetreibers am Gutachten Wehdorns - etwa die Richtigkeit der Daten - eingehend geprüft werden. Und der Stadt wird als betroffene "Standortgemeinde" eine weitere Frist eingeräumt, das Expertenpapier ausführlich zu bewerten und darauf zu replizieren. Die Rathausvertreter hatten zu Beginn des Verfahrens nämlich moniert, das Gutachten nicht zugestellt bekommen zu haben und es sich deshalb "mühsam auf internem Wege" habe besorgen müssen. Dadurch sei eine vertiefende Prüfung sowie eine entsprechende Stellungnahme nicht möglich gewesen.
Managementplan für Weltkulturerbe geplant
"In den nächsten zwei Jahren wird sich gar nichts ändern", sagte der Wiener Landtagspräsident Ernst Woller (SPÖ) zuletzt. Außerdem solle ein Managementplan für das Weltkulturerbe in Wien erstellt werden.

In einem aktuellen Gutachten des Denkmalrats ICOMOS zum Heumarkt-Projekt wurde laut Medienberichten ebenfalls empfohlen, die Planungen für zwei Jahre auszusetzen und mit dem Entwickler Alternativen zu erarbeiten, die mit dem UNESCO-Weltkulturerbe-Status vereinbar sind. Der Bericht sei "wenig überraschend", betonte Woller. "Wir sind in sehr intensiven Gesprächen - fast täglich, wöchentlich - mit der UNESCO und mit ICOMOS", sagte er. Er sei zuletzt erst in Paris gewesen, wo beide Organisationen ihren Sitz haben, wies er zugleich Oppositionskritik an Stadtoberhaupt Michael Ludwig (SPÖ) zurück. "Der Bürgermeister ist in dieser Frage hochaktiv", so Woller.
Gutachten "nicht Ende der Diskussion"
Der ICOMOS-Bericht sei umfassend. Die 68 Seiten beinhalten laut Woller "gute Sachen". Diese sind "Teil des Dialogs, den wir seit vergangenem Jahr führen", als er und Ludwig im Mai ihre neuen Ämter angetreten hatten, erläuterte der Landtagspräsident. "Ich bin froh, dass dieser Bericht endlich vorliegt". Das Gutachten sei "nicht das Ende der Diskussion", sondern ein Teil davon.
Keine Baumaßnahmen bis 2021
Neben der Nachdenkphase für die kommenden zwei Jahre und der Erstellung eines Managementplans, in den ICOMOS laut Woller einbezogen wird, betonte Woller, dass der Bund beauftragt sei, die soziokulturellen und sozioökonomischen Effekte des geplanten Projekts zu untersuchen. Es gäbe nun eine "Phase bis 2021, wo nichts radikal Neues passiert, schon gar keine Baumaßnahmen". Dass sich in dieser Zeit nichts ändert, heiße auch, die Wiener Innenstadt bleibe auf der Roten Liste des bedrohten Weltkulturerbes.
"Schandfleck mitten in der Stadt"
Der Projektbetreiber hat laut Woller inzwischen eine Baubewilligung beantragt. Das sei ein normales Verfahren, das noch nicht begonnen habe. Zudem werde dieses ebenfalls etwa zwei Jahre dauern, betonte der Wiener Landtagspräsident. Mit dem aktuellen Zustand des Areals am Heumarkt ist Woller jedenfalls nicht zufrieden. Er sprach von einem "Schandfleck mitten in der Stadt".