Warum auch Haustiere
zum Zahnarzt sollten

Haben Sie gewusst, dass Katzen gar keine Karies bekommen können? Und dennoch: Hunde und Katzen sollten regelmäßig auf Zahnprobleme untersucht werden, denn verschleppte Krankheiten können schwerwiegende Folgen haben. Wir haben uns mit dem Wiener Tierzahnarzt DDr. Camil Stoian unterhalten, worauf man bei der Zahngesundheit seiner Haustiere achten sollte.

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zum Zahnarzt sollten © Bild: iStockPhoto.com

Warum sollte man mit seinem Haustier bei Zahnproblemen einen Tierzahnarzt konsultieren und nicht einen „klassischen“ Tierarzt?
Camil Stoian: Das ist wie bei Menschen mit dem Hausarzt. Den besucht man zwar als Erstes, aber er überweist häufig zu Spezialisten. Ein Tierzahnarzt kümmert sich exklusiv um einen Problembereich, hat sich Fachwissen und Praxis dazu angeeignet und sein Equipment dementsprechend auch darauf ausgelegt. .

Es ist aber sicherlich eine neuere Entwicklung in der Veterinärmedizin, dass man wie beim Menschen das komplexe Thema in einzelne Fachgebiete unterteilt. Das Tier ist dann somit auch in fachgerechteren Händen.

Inwiefern unterscheiden sich die Behandlungsmöglichkeiten von einem Zahnarzt für Menschen?
Die Tierzahnheilkunde liegt sehr nahe an der Veterinärmedizin und hat mit vergleichbarer Humanmedizin wenig zu tun. Im Gegensatz zur menschlichen Zahnheilkunde sind die Eingriffe auch häufig chirurgisch. Eine Wurzelbehandlung zum Beispiel verläuft sehr ähnlich wie beim Menschen, nur dass man sie beim Tier nur in Allgemeinnarkose durchführen kann, also ganz anders als beim Menschen, das geht es auch mit Lokalanästhesie.

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Wie bereitet man sein Tier am besten auf den Besuch vor? Wie nehme ich dem Tier evtl. die Angst vor der Behandlung?
Vor der Behandlung habe ich in der Regel einen Termin mit dem Besitzer, um alles abzuklären. Sollte es zu einem Eingriff kommen, muss das Tier nüchtern sein, das heißt, es darf acht Stunden vorher nichts fressen. In meiner Praxis selbst läuft spezielle Musik, um die Tiere zu beruhigen. Und natürlich versuche ich die tierischen Patienten so sanft wie möglich zu behandeln. Sollte der Hund bissig sein, bitte ich den Besitzer zuerst selbst, mir das Problem zu zeigen.

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Ich gehe davon aus, dass Tiere vor der Behandlung immer unter Narkose gesetzt werden müssen – gibt es bei der Narkose Dinge, auf die man achten muss? Vor der Behandlung empfiehlt es sich meistens ein Röntgen zu erstellen, da bekommen die Tiere schon eine leichte Sedierung. Bei einem Tumor oder einer Fraktur zum Beispiel vertiefe ich diese mittels Inhalationsnarkose.

Keine dieser Methoden ist risikofrei, vor allem bei älteren Patienten. Ab einem Alter von rund acht Jahren macht es bei Hunden Sinn ein Blutbild und einen Herzultraschall im Vorfeld zu machen, um gerade unnötige Risiken zu vermeiden. Sollte der Hund nicht narkotisierbar sein, was sehr sehr selten ist, kann man ihn nur noch medikamentös weiterbehandeln.

Was sind die häufigsten Krankheitsbilder, die bei Ihnen in der Praxis auftauchen?
Die Krankheitsbilder hängen in erster Linie nicht nur vom Tier, sondern auch vom Alter ab. Am häufigsten bei jungen Tieren sind aber Zahnfehlstellungen, bei denen das Unterkiefer zu kurz oder zu lang ist. Häufig sieht man auch, dass die Unterkieferfangzähne zu eng sind, was Geschwüre im Gaumen und sogar Löcher zur Folge haben kann. Fast alle diese Probleme können mittels Kieferorthopädie gelöst werden.

Heißt das, dass auch Tiere Zahnspangen bekommen können? Wie darf man sich das vorstellen?
Ja, darauf habe ich mich sogar spezialisiert und dementsprechend viele Behandlungen erfolgreich abgeschlossen. Bei dieser Behandlung ist die Rolle des Besitzers extrem wichtig, weil in der Phase in der der Hund die Spange trägt, besonders starke Zahnhygiene beim vierbeinigen Patienten wichtig ist. Das heißt, er sollte regelmäßig Maulspülungen mit Tee oder antiseptischen Lösungen machen und die Zähne mit Hundezahnpasta reinigen.

Miteinzuberechnen ist auch, dass der Hund in den ersten 48 Stunden nach dem Einsetzen der Spange auch sehr unruhig ist, weil er sie anfangs noch als Fremdkörper empfindet und versuchen wird, die Spange loszuwerden. Fast alle Hunde gewöhnen sich aber nach dieser Zeit an das Tragen der Spange – und ich habe schon hunderte Fälle behandelt.

Man muss aber auch sagen, dass Zahnspangen maximal bis zum 10. Lebensmonat des Hundes zu empfehlen sind. Andernfalls riskiert man eine Früh-Parodontitis

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Welche Krankheitsbilder können noch auftreten?
Bei jungen Hunden und Katzen kann auch eine Zahnfraktur passieren, da sie noch sehr verspielt sind. Die Zähne sind in dem Alter auch zerbrechlicher, weil sie innen noch hohl sind.

Relativ häufig tritt auch die Zahnmissbildung auf, zum Beispiel die Schmelzhypoplasie, die durch infektiöse Krankheiten verursacht wird. In diesem Fall muss man kosmetisch arbeiten, das heißt, man muss die Zähne polieren und den erkrankten Schmelz wegnehmen. Besonders junge Tiere kommen häufig mit zu vielen oder zu wenig Zähnen in die Praxis. Das ist durchaus auch eine Krankheit, die mit zunehmender Inzucht bei Rassen zugenommen hat.

Sehr verbreitet bei Tieren mittleren und höheren Alters ist die Parodontitis, die zuerst das Zahnfleisch und dann den Alveolarknochen im Ober- oder Unterkiefer angreifen kann. Das Prozedere geht weiter, bis der Zahn ausfällt. Das wirkliche Problem ist aber nicht der Zahnverlust, sondern die Beheimatung verschiedener Bakterien, die langfristig auch auf Herz, Nieren und Leber des Tieres gehen und sie nachhaltig schädigen können.

Stichwort: Zu wenig Zähne – gibt es so etwas wie einen Zahnersatz für Haustiere?
Ja, das gibt es. Leider halten Implantate aber beispielsweise nicht so gut wie beim Menschen. Das liegt daran, dass die Bisskraft beim Tier um ein Vielfaches höher liegt als beim Menschen und das Material dem nicht standhält.

Zusätzlich dazu kann auch wie beim Menschen eine Periimplantitis nach der Behandlung auftreten, dh. ein massiver Zahnfleischrückgang rund um das Implantat. Mit der Folge, dass das Implantat nicht hält. Besonders schwer sind Implantate bei den Fangzähnen, die ja gekippt sind.

Lassen sich die genannten Krankheiten vermeiden?
Bei jüngeren Tieren ist es prinzipiell ein wenig schwieriger, aber natürlich lässt sich vieles vermeiden. Man sollte zum Beispiel von Anfang an hinter der Zahnhygiene des Tieres stehen und sich darum kümmern. Die meisten Hunde lassen sich ohne weiteres die Zähne mit einem Fingerling putzen.

Maulspülung für den Hund*

Dazu kommen noch eine Reihe von Kaustreifen und –stangerl, die bei Tieren die Zahnsteinbildung gut reduzieren können. Maulspülungen und enzymatische Zahnpasten sind auch gut für die Prophylaxe geeignet. Aber Vorsicht: Zahnpasta für Menschen ist unter keinen Umständen geeignet, da sie Stoffe enthält, die Haustiere nicht vertragen.

Wie oft muss man sich darum kümmern?
Ich sage meinen Kunden immer, dass sie auch diesbezüglich auf Abwechslung setzen sollten. Am besten ist ein Mix aus unterschiedlichen Maßnahmen wie zum Beispiel Spülungen mit Kamillen - oder Käspappeltee, die Verwendung eines Fingerlings oder die Nutzung von Zahnpasta.

Generell empfiehlt es sich, eine dieser Maßnahmen pro Tag durchzuführen. Prinzipiell sollte man aber Im Umgang damit besonders vorsichtig sein, da Hunde und Katzen einen sehr empfindlichen Parodontalapparat haben.

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Helfen Futterzusätze gegen Zahnstein?
Wie schon erwähnt, hilft alles in kleinerer Menge, aber noch gibt es kein Universalmittel, das die Lösung für alle Zahnprobleme ist..

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Wenn sich ein Hund einen Zahn abbricht: Ändert es etwas an der Bisskraft? Wie lange hält so ein Zahn?
Normalerweise sollten die Zähne bei einem Hund jungen oder mittleren Alters nicht beweglich sein. Bei einem einzelnen Zahn ist die Wahrscheinlichkeit also sehr hoch, dass der Patient eine Wurzelfraktur hat. Nach einem Röntgenbefund ist folglich festzustellen, ob der Zahn entfernt werden sollte. Sind mehrere Zähne betroffen, dürfte es sich um eine Frühparodontitis handeln.

Wenn ein Hund einen lockeren Zahn hat, der nicht schmerzhaft ist: Fällt er irgendwann von alleine aus oder sollte er gezogen werden?
Normalerweise sollten die Zähne bei einem Hund jungen oder mittleren Alters nicht beweglich sein. Bei einem einzelnen Zahn ist die Wahrscheinlichkeit also sehr hoch, dass der Patient eine Wurzelfraktur hat. Nach einem Röntgenbefund ist folglich festzustellen, wie der Zahn entfernt werden sollte. Sind mehrere Zähne betroffen, dürfte es sich um eine Früh-Parodontitis handeln.

Haben tendenziell eher Hunde oder eher Katzen Zahnprobleme? Lässt sich das vergleichen?
Je kleiner die Hunderasse, desto mehr Zahnprobleme treten auf. Zu den Hauptklienten zählen Chihuahuas, Yorkshire Terrier und ähnliche Rassen. Die verlieren ihre Zähne sehr früh, leben dafür auch länger als große Hunde.

Bei Katzen ist es so, dass – größenunabhängig – bestimmte Rassen Neigungen zu Zahnerkrankungen haben, beispielsweise plasmazelluläre Zahnfleischentzündung oder FORL, das ist die Abkürzung für „Feline odontoklastische resorptive Läsionen“. Das ist eine der häufigsten Zahnerkrankungen bei Katzen, häufiger als Parodontitis.
Karies ist bei Hunden übrigens sehr selten, Katzen können aufgrund der Beschaffenheit ihrer Zähne gar kein Karies bekommen.

Ein Hindernis könnte auch die Angst vor hohen Kosten sein: Kann man sagen, in welcher Preisspanne sich Behandlungen beim Zahntierarzt bewegen?
Das variiert sehr stark und lässt sich pauschal nicht beantworten. Die Materialmenge und auch die -kosten sind jedenfalls um ein Vielfaches höher als bei einem Menschen. Eine Mundhygiene kann bei Menschen 60 bis 80 Euro kosten, eine Maulhygiene für Hunde kostet bei mir zwischen 120 und 180 Euro. Man darf nicht vergessen, dass Hunde allein schon ein größeres Gebiss, also 10 Zähne mehr als Menschen haben und eine Narkose benötigen. Das bedeutet dementsprechend auch mehr Arbeit, die ich verrechnen muss.

© Camil Stoian DDr. Camil Stoian in seiner Praxis in Wien.

Was würden Sie Haustierbesitzern Ihrer Erfahrung nach unbedingt empfehlen?
Unerlässlich ist die richtige Ernährung der Tiere. Man sollte Haustiere nie zu einseitig ernähren, ob das jetzt nur ein Ernährungsmittel ist wie Fleisch oder immer die gleiche Futterdose bzw. –marke ist. Diesen Ausgleich erzielt man mit Abwechslung, selbstgekochtes Futter ist auch kein Problem, wenn es mit Nahrungszusatzstoffen ergänzt wird.

Buchtipp: Hunde würden länger leben, wenn...*

Über die Prophylaxe hinaus zu empfehlen ist auch die regelmäßige ärztliche Kontrolle, bei kleinen Hunden halbjährlich, bei größeren jährlich. Bei Katzen reicht auch eine jährliche Kontrolluntersuchung.

Zur Person: Österreichs einziger Spezialist auf dem Gebiet der Zahnmedizin der Kleintiere, DDr. Stoian Camil ist ein doppeltapprobierter Zahnarzt und Tierarzt und einer der wenigen europäischen Tierzahnarztspezialisten. Er bietet mehr als 16 Jahre Erfahrung auf dem Gebiet der Tier-Zahnmedizin für Behandlung und Therapie von Mund-, Kiefer- und Gesichts Krankheiten. DDr. Stoian hat zahlreiche Workshops, Seminare und Vorträge in der ganzen Welt auf dem Gebiet der Tierzahnheilkunde abgehalten.

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