Rechtsradikale Szene:
Razzien in ganz Österreich

Ermittlungen gegen 32 Beschuldigte nach dem Verbotsgesetz

32 Hausdurchsuchungen in der rechtsradikalen Szene sind am Dienstag in den frühen Morgenstunden in ganz Österreich durchgeführt worden.

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Nationalsozialismus - Rechtsradikale Szene:
Razzien in ganz Österreich

Das gaben die Generalsekretäre im Justiz- und im Innenministerium, Christian Pilnacek und Peter Goldgruber, am Dienstag in Wien bekannt. Ausgangspunkt war laut Pilnacek ein Konzert im Frühling des Vorjahres in der neonazistischen Szene in der Obersteiermark.

Keine Festnahmen bisher

Bei den Razzien sei umfangreiches einschlägiges Material sichergestellt worden. Dazu kamen Waffen, sagte Goldgruber. "Es wurden auch Waffenverbote ausgesprochen." Festnahmen habe es bisher nicht gegeben. Die Ermittlungen laufen nach den Paragrafen 3g Verbotsgesetz. Die Amtshandlung führt die Staatsanwaltschaft Leoben.

Ermittlungen noch im Gange

Bei dem Konzert, das im Mürztal zwischen Bruck an der Mur und Mürzzuschlag stattfand, wurden einige Identitäten festgestellt, berichtete der Generalsekretär des Innenministeriums, Peter Goldgruber. Die Ermittlungen seien noch im Gange. Es seien Menschen in ganz Österreich betroffen, auch solche, die nicht in Österreich wohnen.

»Die Bilder zeigen, dass es dem Täterkreis um eine Heroisierung nazistischer Ideen gegangen ist«

An der Razzia, die am Dienstag in den frühen Morgenstunden in allen Bundesländern außer Tirol lanciert wurde, waren 217 Beamte des Bundesamtes für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT), der zuständigen Landesämter für Verfassungsschutz, des Einsatzkommandos Cobra und der jeweiligen Einsatzeinheiten in den Ländern beteiligt. "Die Bilder zeigen, dass es dem Täterkreis um eine Heroisierung nazistischer Ideen gegangen ist", betonte Christian Pilnacek, Generalsekretär des Justizministeriums. Es wurden bei der Pressekonferenz Fotos präsentiert, die unter anderem Darstellungen von Mitgliedern des rassistischen Geheimbundes Ku Klux Klan oder der Schwarzen Sonne zeigen, eines wichtigen Erkennungssymbols der rechtsextremen und rechtsesoterischen Szene.

Auch einige der sichergestellten Waffen und Kriegsmaterialien waren zu sehen, darunter Schusswaffen, Granaten sowie verschiedene Hieb- und Stichwaffen. Kriminaltechnische Untersuchungen würden zeigen, ob und inwieweit die Waffen funktionsfähig sind.

Rund 90 Beschuldigte

Laut der die Ermittlung führenden Staatsanwaltschaft Leoben laufen die Ermittlungen seit Anfang 2018 gegen mittlerweile rund 90 Beschuldigte. Hauptbeschuldigter ist ein 1990 geborener Steirer, der den Gig organisiert hatte. Bei dem Konzert in der Obersteiermark haben die Teilnehmer demnach "rechtsradikales Gedankengut" verbreitet. Bereits im vergangenen Sommer wurde bei Hausdurchsuchungen erhärtet, was letztlich zu der Aktion am Dienstag führte. Dass es erst jetzt zu der Aktion kam, erklärte die Staatsanwaltschaft damit, dass "neben den sehr aufwrndigen Ermittlungen (...) mit der Bearbeitung des Falls ein mittlerweile im Dauerkrankenstand befindlicher Staatsanwalt befasst war".

Verbindungen zu Identitären noch nicht geklärt

Unklar war laut Goldgruber und Pilnacek, ob es Verbindungen der Beschuldigten zu Identitären und/oder Burschenschaftern gibt. Es werde Aufgabe der weiteren Ermittlungen sein, dies zu klären, sagten Pilnacek und Goldgruber.

Beide Generalsekretäre betonten, dass die Aktion zeige, dass die Strafverfolgungsbehörden "aktiv gegen Neonazismus und Rechtsextremismus" ermitteln. "Die Hausdurchsuchungen zeigen, dass das BVT in Sachen Rechtsextremismus voll handlungsfähig ist", sagte Goldgruber. Nicht zuletzt beim BVT-Ausschuss war Kritik in dieser Richtung wiederholt geäußert worden.

"Keine politische Aktion"

Pilnacek wies auch zurück, dass es sich bei den Hausdurchsuchungen um eine politisch motivierte Aktion handle. Hausdurchsuchungen "kann man nicht so steuern nach politischer Beliebigkeit", sagte der Generalsekretär und verwies auf die Vorbereitungszeit.

Rechtsextremismus in Österreich

Im Vorjahr wurden 1.600 Anzeigen und über 1.000 rechtsextreme Tathandlungen in Österreich gezählt. Fast 900 der Anzeigen waren nach dem Verbotsgesetz. Das geht aus einer Anfrage des grünen Bundesrat David Stögmüller an Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) hervor. Laut Innenministerium kam es 2018 in ganz Österreich zu 1.075 rechtsextremen Tathandlungen, also Straftaten, denen die Behörden tatsächlich nachgingen, davon waren die meisten, nämlich 732, generell als rechtsextrem einzustufen, 236 als fremdenfeindlich oder rassistisch, 49 Taten als antisemitisch, 22 als "islamophob" und 36 entsprangen sonstigen Motivlagen.

Aufgrund dieser Tathandlungen kam es zu 1.622 Anzeigen, die meisten davon, nämlich 877 nach dem Verbotsgesetz. Weitere 280 wurden wegen des Verdachtes der Verhetzung (Paragraf 283, hier fallen auch antisemitische und "islamophobe" Taten hinein) eingebracht. Im Zusammenhang mit den aufgeklärten Tathandlungen wurden im Vorjahr 797 Personen angezeigt, davon 704 Männer und 93 Frauen.

Im Bundesländervergleich lag Wien mit 205 Tathandlungen an der Spitze, gefolgt von Niederösterreich mit 202 und Oberösterreich mit 185.

Im Vergleich zum Jahr 2017 bedeutete das bei den Anzeigen einen leichten Anstieg. Damals wurden 1.576 Anzeigen gezählt.

Das Justizministerium wird dazu um 15.00 Uhr eine Pressekonferenz geben - hier live:

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