ELGA: Hausärzte empfehlen Ausstieg

Hausärzteverband macht gegen Elektronische Gesundheitsakte mobil

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Gesundheit - ELGA: Hausärzte empfehlen Ausstieg

Der Verband wird seinen rund 3.850 Hausärzten mit Kassenvertrag in den nächsten Tagen Plakate zur Verfügung stellen, die sie in ihren Ordinationen aufhängen sollen. Zudem wird es Flugblätter geben, in denen den Patienten Argumente gegen ELGA erläutert werden. "Ihr Hausarzt empfiehlt: Raus aus ELGA", steht darin zu lesen gemeinsam mit der Telefonnummer, unter der die Abmeldung möglich ist. Mitgeliefert werden auf dem Plakat auch gleich zehn Gründe für einen Ausstieg. Angeführt wird da etwa, dass das System völlig unausgereift, Datenmissbrauch und eine Kostenexplosion zu erwarten seien, es sich um ein Bürokratie-Monster ohne Notwendigkeit handle sowie das Scheitern des Projekts vorprogrammiert sei.

Euler betonte, dass man weder Druck auf die Patienten noch auf die Ärzte ausüben wolle. Sein Verband sehe aber eine "Aufklärungspflicht" gegenüber den Patienten. Und der Hausärzteverband hofft, auch weitere Partner für seine Aktion zu finden und die Ärztekammer, die ELGA ebenfalls ablehnt, in Zugzwang zu bringen.

Vertraulichkeit nicht mehr garantiert

Nach Eulers Meinung könnten die Ärzte die Vertraulichkeit der Patientendaten nicht mehr garantieren. Sie müssten die Patientendaten für die Einschau Dritter offen halten, behauptete er. Die ärztliche Schweigepflicht wäre damit Geschichte. Zu befürchten wäre nicht so sehr Cyber-Kriminalität, sondern der ganz legale Gebrauch der Daten durch Ämter und Behörden, der vom Gesetzgeber jederzeit bedarfsgerecht adaptiert werden könnte, behauptete Euler.

Unterstützt wird der Aufruf der Hausärzte auch vom Obmann der ARGE Daten, Hans Zeger. Er bekenne sich zwar zu einer elektronischen Gesundheitsinformation, ELGA sei aber eine "Mogelpackung", die wie die "Theresianische Kanzleiordnung" organisiert sei. Für ihn ist das Projekt "völlig unausgegoren" und aus EDV-Sicht "aberwitzig". Zeger hält ELGA für eine "Art Vorratsdatenspeicherung" im Gesundheitswesen, wo riesige Datenmengen angehäuft würden und für den Arzt keine gezielte Suche nach speziellen Daten möglich sei. Der ARGE-Daten-Obmann würde sich erwarten, dass der Arzt nur jene Daten bekommt, die er tatsächlich braucht. Er forderte Gesundheitsminister Alois Stöger (SPÖ) auf, "keine Experimente mit echten Gesundheitsdaten" zu machen.

Sowohl Zeger als auch die Bundessekretärin des Hausärzteverbandes und Vizepräsidentin der Wiener Ärztekammer, Eva Raunig, bekräftigten ihre Auffassung, dass ELGA verfassungswidrig sei. Sie verwiesen auf entsprechende Stellungnahmen von Verfassungsexperten, wie etwa Heinz Mayer, wonach vor allem die Opting Out-Regelung, wonach Patienten solange automatisch im System sind bis sie sich aktiv abmelden, der Verfassung widerspreche. Der Hausärzteverband will deshalb auch den Verfassungsgerichtshof anrufen.

Der Hausärzteverband versteht sich als bundesweiter Berufsverband der praktischen Ärzte in Österreich und ist eine kleine Fraktion innerhalb der Ärztekammer.

In der ersten Woche haben sich etwas mehr als 1.800 Patienten von der Elektronischen Gesundheitsakte (ELGA) abgemeldet. Ihren vollständigen Austritt aus dem ELGA-System haben mit Stand von heute, Donnerstag, nach Angaben des Gesundheitsministeriums 1.503 Versicherte erklärt. Zusätzlich haben sich 169 Personen von der E-Medikation und 156 von den elektronischen Befunden abgemeldet.

Stöger und Hauptverband weisen Hausärzte-Kritik zurück

Gesundheitsminister Alois Stöger (SPÖ) hat diese Anzahl an Widersprüchen "durchaus erwartet", wie er auf Anfrage der APA erklärte. Sein Ressort verweist darauf, dass es die meisten Austritte am 7. Jänner, dem ersten Tag nach den Weihnachtsferien gegeben habe. Seither sei die Zahl der Abmeldung zurückgegangen und habe sich eingependelt. Stöger will jetzt Aufklärungsarbeit leisten und ist "überzeugt, viele werden sich bald, spätestens aber wenn sie die Vorteile nach dem Start von ELGA sehen, wieder anmelden."

ELGA ist Stöger wichtig, weil es den Patienten viele Vorteile bringe. Er verwies auf "mehr Sicherheit und mehr Qualität der Behandlung, Zeitersparnis, weil Mehrfachuntersuchungen wegfallen". Außerdem bringe es ein Mehr an Datenschutz und Datensicherheit, weil die Patient erstmals wissen werden, was mit ihren Daten passiert und wer auf ihre Daten zugreift. Schließlich werde auch die Kommunikation unter den Ärzten verbessert, argumentiert der Gesundheitsminister.

Heftig reagierte der Vorsitzende des Hauptverbandes der Sozialversicherungsträger, Hans Jörg Schelling, auf die ELGA-Kritik des Hausärzteverbandes. "Die üble Desinformation und versuchte Manipulation durch Teile der Ärzteschaft ist unerträglich und mit der Ethik eines Arztes nicht vereinbar", stellte Schelling in einer Aussendung fest. Und weiter: "Abmeldung kann Ihre Gesundheit gefährden. Zu Risiken und Nebenwirkungen des Ausstiegs fragen Sie nicht Ihren Arzt."

Schelling zeigte sich auch überzeugt, "dass die Versicherten vernünftig genug sind, nicht vorzeitig aus dem System auszusteigen, weil die Vorteile so eindeutig sind. Wer will schon zweimal zur Blutabnahme, sich mehrmals gefährlichen Strahlungen aussetzen oder auf den Check von Wechselwirkungen bei der Verschreibung von Medikamenten verzichten." Der Vorteil von ELGA sei es, den behandelnden Ärzten rasch und sicher einen Überblick über die aktuellen Informationen wie die verschriebenen Medikamente und deren Wechselwirkungen, Entlassungsbriefe von Krankenanstalten, Labor- und Röntgenbefunde für die Diagnose und Therapie eines Patienten zu verschaffen.

Ideelle Unterstützung erhält der Hausärzteverband hingegen von der Ärztekammer. Praktisch unterstützen werde die Ärztekammer die Kampagne des Hausärzteverbandes gegen ELGA allerdings nicht, weil es dafür derzeit keinen Beschluss der zuständigen Bundeskurie gebe, hieß es auf Anfrage der APA. Der Obmann der Niedergelassenen Ärzte, Johannes Steinhart teilte aber in einer Aussendung die Kritik des Hausärzteverbandes. ELGA sei IT-technisch Steinzeit, koste aber Unmengen an Steuergeld. Die Attacken Schellings sind für Steinhart ein Beleg dafür, dass die ELGA-Befürworter durch die Abmeldungen schon nervös geworden seien.

Auch FPÖ empfiehlt Abmeldung

Auch die FPÖ empfiehlt allen Versicherten, sich von der Elektronischen Gesundheitsakte (ELGA) abzumelden. "Die Datensicherheit ist nicht gewährleistet. Dem Missbrauch der sensiblen Patientendaten ist somit Tür und Tor geöffnet", erklärte Wissenschaftssprecher Andreas Karlsböck, der auch die Kampagne des Hausärzteverbandes unterstützt.

Kommentare

strizzi49 melden

Was da vom Hausärzteverband für eine Schei...e verbreitet wird, ist abenteuerlich! Warum allerdings vom Ministerium bisher nicht besser aufgeklärt wurde, ist genauso abenteuerlich! Anstatt die Patienten mit Fakten zu versorgen, damit sie sich eine Eigene Meinung bilden können, wird hier mit Mittel Unsinn verzapft, die mich an die Inquisition im Mittelalter erinnern, als es um die Frage ging,

strizzi49 melden

ob die Erde der Mittelpunkt der Welt ist und die Sonne um sie kreist, oder umgekehrt!
Wir sind im 21sten Jahrhundert und es gibt schon den Computer! Und was gibt es Besseres, als eine Sammlung aller Gesundheitsdaten, um nicht viele Untersuchungen doppelt und dreifach machen zu müssen, wie es heute der Fall ist? Natürlich muß man den Zugriff regeln! Na und? Wird man doch auch noch schaffen!

günza melden

Ich bin überzeugt, dass auch dann die nötigen Aufzeichnungen vorhanden sein werden und die die eventuell ein Haftungsproblem darstellen auf einmal alle ok oder weg sind. Ich wünsche mir Deutsche Verhältnisse. Da haben es die Ärzte schon schwer eine Haftpflichtversicherung zu bekommen und wenn kostet die das 10fache von uns.

freud0815 melden

@günza-den patientenanwalt kannst vergessen und aus eigener erfahrung weiss ich, dass die ärtze sich gerne gegenseiteg *decken*, ABER is gibt in wien recht fähige anwaltskanzleien, die helfen und ohne gebühr alle fakten durchsehen und dir dann sagen ob sie klagen oder nicht. normalerweise wird absolut alles dokumentiert und wenn du den facharzt zu einer aussage bewegen kannst, verklage die *weissen götter*-mir gings damals ums prinzip, dass der tolle dok nicht mehr behandeln darf-seine praxis brannte dann ab und es wurde ermittelt ob er das nicht selbst getan hat-er war dann psychologisch nicht fähig stellung zu nehmen und seine praxis öffnete nie wieder. es blieben bei mir unkorrigierbare schäden zurück und eine rekonstruktion müsste ich selbst zahlen-aber wenigstens ist der tolle zahnarzt nicht mehr da....

oduaker melden

Klar, daß ELGA den Ärzten nicht gefällt, da Sie jetzt Behandlungsfehler nicht mehr abstreiten können! - vertrauliche Behandlung der Patientendaten ist natürlich ein anderes Thema.

günza melden

Behandlungsfehler abstreiten ist gut. Mein Sohn ist fast 18 Jahre alt und ein Facharzt hat vor rund 2 Jahren festgestellt, dass seine Behinderung nur aufgrund einer fehlerhaften Geburt passiert sein kann. Die Patientenanwältin hat daraufhin die Unterlagen angefordert und siehe da, alles war in Ordnung. Ich war bei der Geburt dabei und weiß genau dass keine Aufzeichnungen gemacht wurden, aber die

günza melden

sind auf einmal alle vorhanden. Der Arzt konnte sich sogar nach 16 Jahren genau an die Geburt erinnern und da war alles in Ordnung. Er hat zwar keine weiteren Aufzeichnungen darüber aber es war alles ok. Unglaublich was so ein Arzt nach 16 Jahren und sicher einigen tausend Geburten noch weiß. Die liebe Patientenanwältin hat uns daraufhin im Stich gelassen und auf uns geschissen. Lachhaft.

günza melden

Leider können wir uns eine private Klage nicht leisten. Aber genau damit rechnen ja die handelnden Personen.

Hausärtze fürchten Datenschutzprobleme ? Ach ja, es ist ja Fasching. Aber jeder Hausarzt der eine Empfhelung zur Abmeldung von ELGA abgibt sollte von einer technischen Kommission überprüft werden, inwieweit seine eigene EDV und Patientenkarteien den Datenschutzanforderungen entsprechen. Abgesehen davon, dass in den meisten Fällen sein Personal auch keine Ahnung davon hat, sonst könnte es nicht sein dass ich in der Menschenschlange vor dem Schalter die Krankengeschichte des Patienten vor mir mitanhören muß, wohl gemerkt von der Dame hinterm Tresen laut vorgelesen.

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