Sie lieben einander und hassen einander - warum sind sie zusammen?

Oh nein! Alices Traum von der großen Liebe ist längst zerplatzt, dennoch hält sie an ihrer Ehe mit Konrad fest. Und Ludwig opfert sich für Sarah auf. Obwohl Alice und Ludwig das nicht guttut.

von Liebes Leben - Sie lieben einander und hassen einander - warum sind sie zusammen? © Bild: Nathan Murrell

Ludwig macht alles, um seine Herzensdame Sarah zu beglücken. Sarah ist im Beruf bestens organisiert, aber in der Liebe ist es bei ihr das reine Chaos. So bestellt sie eine Lieferung von Hunderten Einmachgläsern an ihre alte Adresse, setzt einen Hilferuf ab, und ihr Lebensgefährte Ludwig muss es richten, alles umorganisieren und selbstverständlich bezahlen. Und Alice? Beklagt sich bei ihren Freundinnen nicht nur über die Ignoranz ihres Mannes und dass er sich nur noch für Golf und Karriere interessiert. Sie klagt, Konrad lasse auch seine Wut an ihr aus. Doch Alice lässt es sich gefallen. Nun, Sie kennen doch den Satz "Die Hoffnung stirbt zuletzt". In der Liebe halten viele viel zu lange den Leidensdruck einer toxischen, krankmachenden Partnerschaft aus. Die Gründe liegen oft nicht auf der Hand, aber in der Kindheit. Tja, schon wieder hält die Kindheit für die Ursachenforschung her. Aber woher sonst sollten erlernte Denk-und Verhaltensmuster kommen? Und sowohl Ludwig als auch Alice haben gleichsam mit der Muttermilch das Selbstbild in sich aufgenommen - sagen wir es geradeheraus -, nebensächlich und unbedeutend zu sein, wenn nicht das eine geschieht, das ihnen Wert und Bedeutung, sogar etwas Anerkennung verschafft: grenzenlose Selbstaufopferung. Was Alice von ihren Eltern zu hören bekam, trug maßgeblich zu ihrem Selbstbild bei, unter dem sie heute leidet. Das sie wie ein Fluch gleichsam dazu verdammt, in der kränkenden Beziehung mit ihrem Mann auszuharren, ihr Leid zu ignorieren und immer noch die Ehe retten zu wollen. Und bei Ludwig scheint die Alleinverantwortung für das Liebesglück mit Sarah zu liegen. Doch sie trampelt über seine Bedürfnisse hinweg, droht mit Trennung, sobald er ihr eine Grenze zeigt, und hält ihm Fehler vor, die ewig lang zurückliegen. Was tun Konrad und Sarah ihren Liebsten an?

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Narzisstische Personen sind äußerst manipulativ und verstehen es glänzend, bei anderen Schuldgefühle zu wecken. Und gerade das ist, was viele in solchen Beziehungen hält, weshalb sie erst dann die emotionale Fußfessel ablegen können, sobald die subjektiv empfundene Schuld getilgt ist. Kaum hat sich Alice von Konrad distanziert, holt er sie entweder mit Ghosting (indem er seinerseits den Kontakt abbricht, sich unerreichbar macht) oder Schweigen (wie früher Alices Eltern) in alte Muster zurück. Menschen wie Alice und Ludwig sind emotional mehr bei den anderen, aber nicht bei sich. Ja, sie beweisen ihre Liebe auf eine selbsterniedrigende Art, um sich nicht wertlos zu fühlen. Man spricht hier auch von einer "abhängigen Persönlichkeit", die eine "dependente Persönlichkeitsstörung" bedingen kann. Und jetzt die typischsten dahintersteckenden Glaubenssätze: "Mir darf es erst gut gehen, wenn es allen anderen gut geht", "Ich bin nicht wichtig, die anderen kommen zuerst" so wurde Alice erzogen, indem sie von den Eltern darauf konditioniert wurde, dass man seinen Wert nur und wirklich ausschließlich durch Leistung gewinnt. Ludwig war von klein an gewohnt, der Retter in der Not zu sein. Als es seiner Mutter nach ihrer Scheidung schlecht ging, versorgte er mit neun Jahren bereits die jüngeren Geschwister. Das gab ihm nicht nur ein gutes Gefühl, sondern wurde für ihn zum Normalzustand, für andere grenzenlos da zu sein. Es kam zu einer Rollenumkehr: Ludwig "beelterte" seine wieder zum Kind gewordene Mutter. Kann man diese Versorgerrolle je ändern? Aber ja! In einer Psychotherapie können solch toxische Beziehungsmuster nicht nur glasklar aufgedeckt, sondern Schritt für Schritt verändert werden. Und jetzt die gute Nachricht: Wenn Sie sich in Alice oder Ludwig wiedergefunden haben, ist diese Einsicht schon der nächste Schritt der Befreiung aus der Gewohnheitsfalle toxischer Liebe.

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Prof. Mag. Dr. Monika D. Wogrolly, Philosophin und Psychotherapeutin
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