Haslauer: "Ohne zusätzliche Maßnahmen werden wir nicht auskommen"

Salzburgs Landeshauptmann Wilfried Haslauer fordert, dass ein Strompreisdeckel, wie ihn der Bund gerade prüft, auch auf die Wirtschaft Rücksicht nehmen müsse. Und er kündigt, analog zum Vorstoß Johanna Mikl-Leitners in Niederösterreich, Strompreisrabatte für Salzburg an.

von Haslauer: "Ohne zusätzliche Maßnahmen werden wir nicht auskommen" © Bild: (C)2022 Ricardo Herrgott/News

Sie haben sich kürzlich dafür ausgesprochen, einen Preisdeckel für Strom "ernsthaft zu diskutieren". Die Bundesregierung arbeitet jetzt an einem Modell, das Wifo-Chef Felbermayr vorgeschlagen hat. Sind Sie damit einverstanden?
Das ist einmal ein erster Schritt, der wichtig ist. Wir brauchen eine bundeseinheitliche Regelung. Die Preisentwicklung beim Strom trifft die Haushalte, aber auch die kleinund mittelständische Wirtschaft, alle Tarifkunden und die Sonderkunden sowieso. Und da sehe ich einen unbedingten Handlungsbedarf. Es gibt aber einige Problemzonen, die man mitdenken muss: Die österreichische Energiewirtschaft ist ganz unterschiedlich strukturiert, sowohl was die Strukturen als auch was die Eigentümerverhältnisse betrifft. Und es gibt eine umfassende rechtliche - vor allem strafrechtliche -Problemzone, weil die Vorstände ja das optimale für ihr Unternehmen herausholen müssen und nicht mildtätig agieren dürfen, sonst haben sie einen Untreuetatbestand. Also: Es muss einen österreichweit einheitlichen Sockel geben, um diese Preisentwicklung zu dämpfen, der nicht nur die Haushalte umfassen darf, sondern auch auf die Wirtschaft Rücksicht nehmen muss, und die Landesversorger können dann noch nach eigenem Ermessen zusätzliche Dämpfungsmaßnahmen je nach Struktur drauflegen. Das muss der Weg sein.

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Der Vorschlag, der am Tisch liegt, reicht also nicht weit genug?
Nein. Er ist vom Denkansatz sicher richtig, nur die Preisentwicklung ist derart extrem, dass wir ohne zusätzliche Maßnahmen auch bezüglich anderer, größerer Haushalte und vor allem gegenüber der klein-und mittelständischen Wirtschaft und der Industrie nicht auskommen werden .

Johanna Mikl-Leitner hat in Niederösterreich Strompreisrabatte angekündigt. Wird es so etwas auch in Salzburg geben?
Wir werden auch so etwas machen, aber ich gehe damit erst raus, wenn es wirklich ein rundes Paket ist und wenn feststeht, was der Bund vorhat. Denn es ist natürlich auch nicht sinnvoll, dass die Energieversorger Rekordgewinne schreiben, und die Leute können sich den Strom nicht mehr leisten.

In Salzburg gab es große Aufregung, als die Salzburg AG im Frühling einen Rekordgewinn vermeldet hat -und wenige Tage später eine saftige Preiserhöhung.
Diese Kritik ist ungerecht. Dieser Rekordgewinn hat uns in die Lage versetzt, all das, was wir als Dividenden bekommen haben, das waren exakt zwölf Millionen Euro, eins zu eins zur Stützung von schwächeren Haushalten weiterzugeben. Und zwar mit nachhaltigen Maßnahmen. Und man darf die Energieversorger nicht finanziell aushöhlen. Sie müssen in der Lage bleiben, zu investieren. In Windkraft, Wasserkraft, Fernwärme. Die Strompreisdeckel-Diskussion ist ja recht verkürzt. Denn die Frage ist ja: Wer bezahlt das?

Das wäre eine meiner nächsten Fragen gewesen. Wer?
Wenn wir jetzt den Energieversorgungsunternehmen sagen: "Ihr müsst unter dem Einstandspreis verkaufen", dann machen sie Verluste und sind irgendwann insolvent.

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Aber nur den Bund alles zahlen lassen und Gewinne einstreichen, das kann es auch nicht sein, oder?
Ja, einen Beitrag muss es geben, das ist keine Frage. Wir haben in dieser Situation ja überhaupt kein politisches Interesse, dass die Energieversorger Rekordgewinne schreiben.

Wie kann dieser Beitrag genau aussehen?
Das ist wieder von Unternehmen zu Unternehmen unterschiedlich. Aber ich glaube, dass die Unternehmen zusätzlich zu Bundesmaßnahmen selbst auch in einem gewissen Ausmaß zur Preisdämpfung beitragen müssen, und zwar zulasten des Gewinnes. Aber einen gewissen Gewinn brauchen sie, um in Erneuerbare investieren zu können. Und da erwarte ich mir endlich Verfahrensbeschleunigungen. Wir haben ein Projekt, das Wasserkraftwerk Stegenwald, bei dem wir im zehnten Verfahrensjahr sind. So kann das nicht funktionieren. Wir sind in einer hoch gefährdeten Situation. Man muss eine entsprechende politische Priorisierung durchführen, und das ist nicht nur Aufgabe der Landesgesetzgebung, sondern auch des Bundes und der EU. Wir machen unsere Hausaufgaben im Land. Wir erstellen jetzt einen Vorschlagskatalog mit Maßnahmen, die der Bund umsetzen soll. Aber er hätte es auch selbst in der Hand, solche Überlegungen anzustellen.

Tut die schwarz-grüne Koalition genug gegen die Teuerung? Bundespräsident Van der Bellen hat ihr kürzlich mitgegeben, sie möge mehr arbeiten.
Das ist Wahlkampftonalität. Es ist ihm unbenommen, Van der Bellen befindet sich ja im Wahlkampf. Der Bund hat ja einiges gemacht. Es hat zwei riesige Stützungspakete gegeben, einmal mit vier, einmal mit 28 Milliarden Euro. Vielleicht hätte man das kommunikativ entschiedener vertreten müssen. Es wurde erfreut zur Kenntnis genommen, ist zwei Tage in den Zeitungen gestanden und dann war es weg. Was auch damit zu tun hat, dass die Maßnahmen erst im Laufe der Zeit wirksam werden, schon klar. Der Bund federt die Inflation verbraucherseitig ab, bekämpft sie sozusagen an den Symptomen, damit die Leute sich nicht so schwertun. Aber man muss unbedingt die Inflation auch an der Wurzel bekämpfen. Und das ist die Energie, die zu teuer ist. Und wenn wir da nicht tätig werden, werden wir massive wirtschaftliche Probleme bekommen, weil viele Unternehmen sich das nicht mehr leisten können. Und dann gibt es Massenarbeitslosigkeit.

Was das betrifft, tut der Bund also zu wenig?
Dieser zweite Schritt muss jetzt kommen. Die Diskussion läuft. Ich weiß, dass intern intensiv gearbeitet wird. Es ist auch gut, dass kein Schnellschuss gemacht wird. Dem Sebastian Kurz hat man immer vorgeworfen, dass er Dinge medial rausgibt, bevor sie Realität sind. Dann ist es gescheiter, es hat Hand und Fuß und wir warten zwei Wochen länger. Aber sehr viel länger sollte es nicht sein.

Es häufen sich die Stimmen, dass die Einführung der CO2-Bepreisung verschoben werden soll. Was sagen Sie?
Ich halte es für nicht realistisch, dass die CO2-Bepreisung im Herbst kommt. Das würde in dieser dynamischen Preisentwicklung bei den Leuten auf kein Verständnis stoßen.

Aber die Grünen beharren darauf.
Das ist das Problem von Koalitionen, dass man auf Standpunkten beharrt. Aber irgendeine Lösung wird es geben.

Wie kann die ausschauen?
Dafür ist Wien zuständig. Ich bin gut damit ausgelastet, die Dinge hier zusammenzuhalten.

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Sie haben dort aber nicht gerade wenig zu melden.
Dass die Bundesregierung sich jetzt ernsthaft mit einem Strompreisdeckel auseinandersetzt, ist dem Anstoß aus einem ÖVP-Bundesland zu verdanken. Ja, zu Recht. Ich finde das auch gut.

Auch den Stil? Unter Kurz hätte man zum Telefon gegriffen, nicht öffentlich etwas ausgerichtet.
Das will ich nicht beurteilen. Es war ein offener Debattenbeitrag von Johanna Mikl-Leitner und keine Attacke gegen Wien. Ich persönlich habe eine andere Arbeitstechnik. Ich gehe grundsätzlich erst raus, wenn die Dinge wirklich geprüft sind und Hand und Fuß haben. Und damit meine ich, dass auch die bundesseitigen Maßnahmen, auf die ich sehr dränge, berücksichtigt sind.

Wo steht die ÖVP neun Monate nach dem Abgang von Sebastian Kurz?
Die ÖVP hat es nicht leicht momentan. Es gibt eine geschlossene Front gegen die ÖVP, die sich über den Untersuchungsausschuss artikuliert, wo rechtlich noch nichts herausgekommen ist -es wurden etliche Verfahren schon eingestellt -, aber es ist durch Penetrierung dieses Themas und auch mit medialer Hilfe gelungen, der ÖVP dieses Korruptionsschild umzuhängen.

Sie sind also nicht der Meinung, dass die ÖVP ein Korruptionsproblem hat?
Nein, ich bin absolut nicht dieser Meinung und verwahre mich auch dagegen. Es sind nicht 600.000 ÖVP-Mitglieder und Tausende Bürgermeister korrupt.

Das behauptet auch niemand.
Ich bin auch nicht korrupt. Wenn ein Herr Schmied flapsige Bemerkungen macht, dann ist das absolut abzulehnen, und wenn es irgendwo etwas gegeben hat, dann gehört das auch rechtlich entsprechend geahndet und verfolgt. Aber diese Systematik, einfach Massenanzeigen zu machen, dann beginnt die Staatsanwaltschaft mit Erhebungen und man hat automatisch Beschuldigtenstatus, ist schon vorverurteilt, und wenn das Verfahren eingestellt wird, interessiert das keinen Menschen und kommt ganz klein auf der fünften Seite in der Zeitung, das ist Methode. Und gegen diese Methode wehre ich mich. Die ÖVP ist nicht korrupt. Wir haben in Salzburg fast hundert Bürgermeister, wir haben an die 2.000 Gemeindevertreter. Ich lass mir die nicht in den Dreck ziehen.

Sie können nicht leugnen, dass es eine auffällige Häufung von Fällen in der ÖVP gibt.
Es gibt Dinge, die haben einen üblen Beigeschmack, auch wenn sie rechtlich nicht relevant sind. Das Thema Umfragen ist nicht gut, Inserate usw. Keine Frage. Aber deswegen ist nicht die gesamte ÖVP korrupt. Österreich braucht auch große Volksparteien. Ich halte es für eine fatale Strategie, zu versuchen, die Volkspartei zu pulverisieren, weil das nur zu Instabilität führt.

Wem unterstellen Sie das?
Dem Mitbewerb im Nationalrat. Da geht es in keiner Weise darum, wie es mit Österreich weitergeht, es geht nur darum, politisch einer anderen Partei zuzuzählende Personen persönlich zu diskreditieren. Das gelingt perfekt. Bei Blümel sind mittlerweile fünf Verfahren eingestellt, bei Löger weiß ich nicht, wie viele. Das sind honorige Persönlichkeiten, keine Gangster.

Die Herren haben schon tüchtig dazu beigetragen, dass gewisse Eindrücke entstanden sind. Und es sind nicht alle Verfahren eingestellt.
Ja, zum Teil. Und das muss auch untersucht werden. Aber dieses Pauschalurteil, die ÖVP ist korrupt, dagegen verwehre ich mich.

Sie sehen also keinen Bedarf, interne Aufklärung zu betreiben, Strukturen zu überprüfen etc.?
Natürlich. Ich habe im Land alles anschauen lassen. Da gibt es, soweit ich das beurteilen kann und es mir versichert wurde, keine Probleme. Die ganze Situation ist natürlich ein massiver Anlass, die Strukturen und die Finanzierung zu hinterfragen. Da ist ja schon sehr viel passiert, und ich finde das gut.

Die Bundespartei liegt in einer Umfrage von Mitte Juli bei 22 Prozent. Wie soll sie wieder auch nur annähernd in Richtung der Werte kommen, die sie unter Kurz hatte?
Die Grünen liegen ja auch nicht besser, das ist in Relation zu sehen. Ich glaube, es kommen mehrere Entwicklungen zusammen. Wir kommen aus der Pandemie, und die hat die Bevölkerung schon ins Mark getroffen. Und es ist auch schwierig für Regierende, aus der Situation heraus zu agieren, weil die Maßnahmen immer solche Zeitverzögerungen haben, dass die Pandemie schon wieder einen ganz anderen Weg genommen hat. Und die Bevölkerung ist auch unduldsamer geworden. Und sie ist verunsichert durch die ganze Situation, Krieg, Inflation, Strompreis, Gaslieferungen.

Man würde sich von der Regierung wahrscheinlich mehr Orientierung erwarten.
Und das ist natürlich extrem schwierig in dieser Situation.

Sie sehen also eine Krise der Regierenden und nicht dieser Koalition? Sehen Sie eine Krise der Koalition?
Die Umfragen sprechen eine ziemlich eindeutige Sprache. Es sind auch immer mehr Menschen für vorzeitige Neuwahlen. Sind Sie für vorgezogene Nationalratswahlen? Nein. Die sollen das fertig machen bis 2024. So schlecht machen sie es ja nicht. Aber ich glaube, sie müssen ein bisschen besser kommunizieren. Und ich glaube, dass auch die interne Meinungsbildung einigermaßen mühsam ist.

Sie wählen im Frühling. Befürchten Sie nicht, dass der voraussichtlich mühsame Winter -Corona, Inflation etc. - sich auf das Wahlergebnis niederschlagen könnte?
Wir wissen nicht, wie der Winter wird. Mein Beratungsgremium sagt, die Pandemie kann auch relativ bewältigbar durch den Winter gehen, wenn keine neue Mutation kommt. Wir bereiten uns natürlich vor. Aber die Sichtweise ist doch eigentlich, dass das Ganze jetzt endemisch wird.

Das Thema Inflation wird Ihnen aber jedenfalls bleiben über den Winter.
Ja, und auch das Thema Wärme und Stromversorgung. Der extreme Arbeitskräftemangel, den wir derzeit haben. Wir haben eine ganze Reihe von Themen. Es wird sehr fordernd über den Winter.

Aber Sie haben nie überlegt, die Wahl in den Herbst vorzuziehen?
Es ist mein Job, die Dinge über die Runden zu bringen.

Schützenhöfer hat aufgehört, Platter wird übergeben. Haben Sie auch irgendwann über Rückzug nachgedacht?
Ich bin fit, ich bin mit vollem Engagement dabei. Ich mache weiter.

Gerüchteweise könnten Sie während der nächsten Amtszeit an einen Nachfolger oder eine Nachfolgerin übergeben.
Ich weiß nicht, woher die Spekulation kommt, ich werde nicht in der nächsten Amtszeit übergeben.

Irgendwann werden Sie einen Nachfolger brauchen. Gibt es einen Kronprinzen oder eine Kronprinzessin?
Ich bin kein Kaiser und kein König, daher gibt es auch keinen Prinzen. Aber es wird einen Landeshauptmann-Stellvertreter oder eine -Stellvertreterin geben, und das wird sicher eine Weichenstellung sein.

Sie sind letzten Herbst sehr unter Druck geraten, weil Sie lange versucht haben, harte Corona-Maßnahmen aufzuschieben. Dazu kam ein unglücklicher Witz über Virologen. Haben Sie sich damals gefragt: "Wozu mache ich das eigentlich?"
Die Gesamtsituation war damals sehr belastend. Diese vierte Covid-Welle war in mehrerlei Hinsicht schwierig. Es hat sich halt der ganze Unwille aufgrund einer ungeschickten Formulierung auf mir entladen, aber das ist nicht das große Thema. Das Thema war, dass du nicht mehr berechnen konntest, was kommt, und dass alles, was du entschieden hast, als falsch beurteilt wurde. Auf der einen Seite haben die Unternehmer protestiert und gesagt, ein Lockdown bedeutet ihr Ende, auf der anderen Seite sind Briefe gekommen, dass wir Schuld sind, wenn ihre Angehörigen sterben. Das war schon extrem. Die Stimmung war enorm aufgeheizt. Das System ist an die Grenze seiner Belastbarkeit gelangt. Und es ist ja nicht so, dass dir alles egal ist. Du leidest ja mit. Gott sei Dank haben wir das hingekriegt. Davor davonzulaufen wäre verkehrt gewesen.

Sind die ungefähr drei Prozent, die Sie in Umfragen derzeit hinter Ihrem letzten Wahlergebnis liegen, dieser Phase geschuldet? Sicher. Auch diese ganze Impfgegnerschaft, das geht ja durch alle Schichten. Ich glaube nur, das Thema ist vorbei.
Diese Risse durch die Gesellschaft werden in diesem Winter nicht wieder aufgehen? Diese berühmt-berüchtigte Spaltung ist durch die Pandemie befeuert worden und natürlich da. Das ist kein spezifisches Impfthema. Wir haben eine Flut an Medien, jeder kann sich heute seine eigene Echokammer basteln. Zwei Drittel der Gesellschaft tragen unser System noch mit und identifizieren sich mit der Demokratie und den Institutionen, aber eine wachsende Gruppe ist überhaupt nicht mehr erreichbar. Und wenn diese Gruppe größer wird, sehe ich schon die Gefahr, dass unser Grundkonsens in ein Sandloch aus Fake News, radikalen Egoismen, Desinteresse, Radikalität und Intoleranz hineingezogen wird und dort erstickt. Daher ist es eine entscheidende politische Aufgabe, zu versuchen, möglichst viele wieder in unser System einzubeziehen. Und das kann sicher nicht durch dauernden Streit und dauerndes Schlechtmachen von anderen passieren.

Dieser Beitrag erschien ursprünglich im News-Magazin Nr. 30/2022.