Hans Peter Doskozil:
Der rote Querkopf

Burgenlands Landeshauptmann Hans Peter Doskozil hat mit seiner Entscheidung, aus der Ost-Lockdown-Allianz auszuscheren, nicht nur in der SPÖ für schwere Irritationen gesorgt, sondern auch Niederösterreichs ÖVP verärgert.

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Politik - Hans Peter Doskozil:
Der rote Querkopf

Es ist nicht das erste Mal, dass er für Verstimmung sorgt. Immer für Überraschungen gut, ist der Kurs des politischen Alphatiers für Beobachter allerdings immer schwerer nachzuvollziehen

Hans Peter Doskozil war noch vor nicht allzu langer Zeit der Hoffnungsträger der früher so stolzen Sozialdemokratie, die in den letzten Jahren immer stärker in der Wählergunst verloren und erst vor Kurzem wieder eine leichte Trendwende geschafft hat. Für viele Genossen ist Doskozil nach wie vor eine Art roter Messias: ein ehemaliger burgenländischer Landespolizeichef, der gemeinsam mit der damaligen ÖVP-Innenministerin Johanna Mikl-Leitner 2015 die Flüchtlingskrise managte, dabei eine gute Figur machte und in der Folge Verteidigungsminister wurde, bevor er in die Landespolitik wechselte.

Dort zuerst Landesrat und Stellvertreter von SPÖ-Grande Hans Niessl und seit Ende Februar 2019 selbst Landeshauptmann, fuhr er im vergangenen Jänner mit einem Spagat zwischen hartem Migrationskurs und linken Inhalten einen fulminanten Wahlsieg mit knapp 50 Prozent der Stimmen ein. Heute regiert er mit absoluter Mehrheit -als Landeskaiser mit autokratischen Allüren, der auch so agiert.

Durchsetzungsorientierter Stil

Also durchaus autoritär oder -positiver formuliert - ausgesprochen durchsetzungsorientiert, wie ein Politinsider, der nicht genannt werden will, Doskozil aber in diversen harten Verhandlungen erlebt hat, erklärt: "Er bewegt sich nur dann, wenn er an die Wand gedrängt wird und nicht mehr auskann." Und ein Kammerfunktionär ergänzt: "Er ändert zwar öfters seine Richtung, aber wenn er sich einmal entschlossen hat, dann zieht das durch." Zum Beispiel die Wiedereröffnung im Burgenland samt Testprogramm, wissenschaftlicher Begleitung und Krankenanstaltenkontrolle. So eine Vorgangsweise kommt zwar bei seinen Fans, insbesondere im Burgenland, nach wie vor gut an, doch längst nicht mehr beim Gros der SPÖler. Und auch immer mehr politische Beobachter fragen sich mittlerweile, ob Doskozil noch weiß, was er eigentlich genau will. Oder ob er vielleicht gar zunehmend die Bodenhaftung verliert.

So habe er zuerst vehement darauf gedrängt, die burgenländischen Thermen aufsperren zu wollen, dann schloss er sich angesichts der dramatischen Entwicklung bei den Infektionszahlen in der Ostregion doch dem gemeinsamen Lockdown mit Wien und Niederösterreich an, um dann ohne Absprache wieder eine Kehrtwendung hinzulegen, so der Tenor der Beobachter. Wenig überraschend, dass der Landeskaiser aus dem pannonischen Flachland nicht nur in der SPÖ -deren Chefin Pamela Rendi-Wagner er mit Regelmäßigkeit kritisiert -für schwere Irritationen gesorgt hat. Auch in der niederösterreichischen ÖVP soll man über den unsolidarischen Akt nicht besonders "amused" gewesen sein, wie zu hören ist.

Taktische Spiele

Seine Fähigkeit für politische Schachzüge hat er beim Ausscheren aus der Ostallianz jedenfalls bewiesen: So schickte er zuerst seinen Landesrat Leonhard Schneemann voraus, um Kontakt mit der Wirtschaftskammer aufzunehmen, die Stimmungslage dort abzuklopfen und die Vorstellungen von WK-Burgenland-Präsident Peter Nemeth betreffend Öffnungsschritte zu sondieren. Dies durchaus aus taktischem Kalkül, so Insider: Denn die Kammer habe in Sachen Pandemiebekämpfung in den Wochen davor mächtig Druck auf Doskozil ausgeübt -aber nachdem Doskozil mit dieser gemeinsam die Öffnung bei einer Pressekonferenz präsentierte, habe er der türkisen Opposition im Lande den Wind völlig aus den Segeln genommen; immerhin ist Nemeth zugleich Obmann des regionalen ÖVP-Wirtschaftsbundes.

Und er hat auch mit Bundeskanzler Sebastian Kurz vor seiner Entscheidung gesprochen, aber nicht mit SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner. Auch Wiens mächtiger Bürgermeister Michael Ludwig ist von ihm nur telefonisch informiert worden. Weshalb sowohl Rendi-Wagner - deren Fähigkeit zur Parteiführung von Doskozil zwischen den Zeilen immer wieder mal in Zweifel gezogen wird -als auch Ludwig die Entscheidung entsprechend kommentierten: Für Rendi-Wagner kam die Öffnung angesichts der Zahlen auf den Intensivstationen "zu früh" und Doskozil, der möglicherweise ein zu hohes Risiko nehme, müsse sich die Frage stellen, ob er in nächster Zeit allen Burgenländern eine intensivmedizinische Versorgung garantieren könne. Auch Ludwig wies auf dessen "Verantwortung für die Entwicklung in seinem Bundesland" hin. (Zuletzt wurde bekannt, dass immerhin 110 Patienten aus dem Burgenland in Wiener Spitälern behandelt werden.)

Zores in Niederösterreich

Ähnliches ist auf Anfrage auch aus dem Büro von Niederösterreichs ÖVP-Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner, die sich mit Kommentaren dazu bislang zurückhielt, zu hören: "Jeder muss die Entscheidung für sich treffen und die Verantwortung dafür tragen." Dass Mikl-Leitner über das Vorgehen des Burgenländers schwer verärgert sein soll, wie kolportiert wird, weist ihr Sprecher zurück: "Es gibt da keine Verwerfungen -und Probleme mit Landesgrenzen gibt es in Hinblick auf Pendler nicht nur mit dem Burgenland, sondern beispielsweise auch mit Oberösterreich." Die Gesprächsbasis mit Doskozil sei "nach wie vor gut".

Auch mit Kanzler Kurz, mit dem sich Doskozil ja im Gegensatz zu Mikl-Leitner ausführlich besprochen haben soll, passe alles, versichert man. Was nicht gesagt wird, ist, dass Kurz damit seinerseits einen taktischen Fehler begangen haben könnte - wie Beobachter meinen: Einerseits habe er damit Doskozil "einen Frontalangriff auf Rendi-Wagner" ermöglicht und für Zwist bei den Roten gesorgt, andererseits aber übersehen, dass er damit die in der ÖVP mächtige Mikl-Leitner gehörig in die Bredouille bringe. Denn die bekomme jetzt immensen Öffnungsdruck aus der Wirtschaft zu spüren. Womit sich die niederösterreichische ÖVP nun "doppelt verraten" fühle, so ein Insider.

"Gefährliche Strategie"

Warum Doskozil so agiert, wie er agiert, ist für Meinungsforscher Christoph Haselmayer jedenfalls schnell erklärt - nämlich "rein aus Eigeninteresse". Er mache in erster Linie das, was ihm und der SPÖ Burgenland nütze und was seine Wähler bei Laune halten könnte. Teamplayer sei er wohl eher keiner. Politikberater Thomas Hofer sieht die Positionierung des burgenländischen SPÖ-Chefs ebenfalls kritisch: "Dass jedem das Hemd näher ist als der Rock, kennt man in der Politik. Es sollte aber nach außen nicht so dramatisch klar werden." Dies sei "eine gefährliche Strategie, die sich sehr rasch gegen einen persönlich wenden" könne, sagt Hofer. Als für Doskozil nachhaltig nachteilig bewertet er auch dessen Kritik an Parteichefin Rendi-Wagner im Vorfeld des wichtigen Wiener Wahlkampfs. Die sei für die SPÖ kontraproduktiv gewesen -und auch für mögliche Ambitionen Doskozils, bundespolitisch vielleicht doch noch eine größere Rolle zu spielen. Allerdings hat der - vielleicht vorsorglich -bereits erklärt, beim Parteitag im Juni nicht mehr als Parteivize kandidieren zu wollen.

"Mit seinen Aktionen hat er sich innerparteilich keine Freunde gemacht, sagt der Politikberater, der das Ausscheren aus der Ostallianz ähnlich sieht: "Da geht es um Solidarität und Geschlossenheit -auch innerhalb der Landeshauptleute." Er habe zunehmend den Eindruck, dass eine "klare Linie Doskozils nicht mehr zu erkennen" sei. Auch wenn dessen Fans ihm weiter die Stange halten und befinden, "der traut sich was", so sei im letzten Jahr sein Lack etwas abgeblättert, befindet ein anderer Insider: "Seine Funktion als Landeshauptmann gibt ihm letztlich eine größere Präsenz, als es der Bedeutung des Landes entspricht." Denn das sei bevölkerungsmäßig letztlich mit einer Region wie Graz plus Umgebung zu vergleichen. "Die Öffnungsschritte unter strengen Auflagen mögen vertretbar sein, die politischen Implikationen sind freilich eine andere Frage."

Zu diesen Unwägbarkeiten kommt noch Doskozils Gesundheitszustand: Seine Erkrankung der Stimmbänder ist trotz mehrmaliger Eingriffe offenbar nur schwer in den Griff zu bekommen. Doskozil erklärt gegenüber News, er habe nach einer Corona-Infektion im November wegen eines Abszesses nochmals operiert werden müssen, er sei aber zuversichtlich und es gehe ihm besser. Parteifreunde und Kritiker sagen, dass die Arbeit des Landeshauptmanns dadurch jedenfalls nicht beeinträchtigt sei. Seine Stimme schwächele, aber ansonsten agiere er eloquent und unbeirrt wie eh und je.

Staatsanwalt ermittelt

Störend für ihn sind hingegen wohl die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft rund um den 800-Millionen-Euro-Skandal der Commerzialbank Mattersburg wegen möglicher Falschaussage im U-Ausschuss. Allerdings hat sich dort die Opposition an ihm die Zähne ausgebissen. Doskozil weist etwaiges Fehlverhalten von sich.

Erst jüngst hat er den Rechenschaftsbericht über sein erstes Regierungsjahr vorgelegt, in dem er auf 26 Seiten eine Erfolgsbilanz und zahlreiche zukunftsorientierte Vorhaben präsentiert. Darunter auch sein Prestigeprojekt, die Einführung des Mindestlohns von 1.700 Euro netto im Landesdienst, der Landesholding und in Gemeinden. Wobei -auch da zieht Doskozil, der neben Finanzen, Personal, Tourismus und Kultur formal auch für Gesundheit und damit für die Spitäler zuständig ist, alle Register, wenn es nötig erscheint: So würden Teile des Facility Managements Burgenlands ausgegliedert, damit in diesen privaten Gesellschaften nicht der 1.700-Euro-Mindestlohn gezahlt werden müsse, heißt es.

Auch das größte Bauprojekt des Landes, das Krankenhaus Oberwart, geht ins Geld und stellt zusätzlich eine budgetäre Herausforderung dar. Ein Kenner der Landesinterna: "Schön langsam bekommt Doskozil auch in finanzieller Hinsicht seine Grenzen aufgezeigt."

Dieser Beitrag ist ursprünglich in der aktuellen Printausgabe von News (16/2021) erschienen.