"In der ÖVP gibt es
eine Macho-Fraktion"

Der stellvertretende Chef der FPÖ, Manfred Haimbuchner, nennt seine Koalitionsbedingungen: Die ÖVP müsste ihre "Gutsherrenart" beenden, die SPÖ mit "offenen Karten" spielen. Und die FPÖ? Muss deutlich zulegen. Denn sonst, so Haimbuchner, wäre es besser, nicht zu regieren

von Politik - "In der ÖVP gibt es
eine Macho-Fraktion" © Bild: News/Michael Mazohl

Egal, wie die Wahl ausgeht: Der FPÖ scheint die Regierungsbeteiligung sicher. Kann man da Wähler und Funktionäre im Wahlkampf überhaupt motivieren?
Ich bin ja als Landespolitiker viel unterwegs, gerade jetzt war die Zeit der Sonnwendfeiern, die bei uns zum Teil von der Partei organisiert werden. Der Zulauf war noch nie so groß wie heuer. Ich bin fast überrascht, wie sehr sich die Bürger für Politik interessieren. Und natürlich wäre es wünschenswert, wenn die FPÖ in einer Regierung vertreten wäre. Ich bin ein Freund des Regierens. Aber eines ist klar: Ohne eine erstarkende FPÖ wird es keine Veränderung und keine Regierungsbeteiligung geben.

Heißt das, Sie raten Ihrer Partei von der Regierung ab, wenn sie bei der Wahl nicht zulegt?
Wenn die FPÖ nicht wesentlich stärker wird, bin ich der Meinung, dass auch eine Koalition mit der FPÖ nicht zustande kommt. Dann wird der Veränderungswillen für die anderen Parteien nicht gegeben sein. Je stärker wir zulegen, desto mehr kommen auch Rot und Schwarz in Bedrängnis, etwas zu verändern.

Aber Platz eins für die FPÖ ist nicht Bedingung?
Eine Partei, die etwas verändern will, muss auch regieren wollen - aber nicht um jeden Preis. Was uns von den anderen unterscheidet: Wir können regieren, wir wollen regieren, wir müssen nicht regieren.

Mit wem würden Sie lieber regieren: ÖVP oder SPÖ?
Wir haben zu Rot und Schwarz eine Äquidistanz. Es gibt eine Zusammenarbeit mit der SPÖ und der ÖVP. Ich bin eher ein rechtsliberaler Bürgerlicher und denke mir, dass es in bestimmten gesellschaftspolitischen und sicherheitspolitischen Fragen eine Übereinstimmung mit der ÖVP gibt. Es gibt aber auch mit der SPÖ durchaus interessante Überschneidungen bei Arbeitsmarkt, Infrastruktur und öffentlichem Verkehr. Da könnte man durchaus das eine oder andere weiterbringen. Aber natürlich muss auch die Chemie zwischen den Personen stimmen.

»Es gibt in der ÖVP eine Herrenreitermentalität. Jetzt dürfen die Blauen wieder ein bissl mitspielen«

Dazu hört man aus der FPÖ, dass die Chemie mit der ÖVP nicht so gut passt, weil man bei Schwarz-Blau unter Wolfgang Schüssel vorgeführt wurde und das der ÖVP wieder zutraut.
Es gibt viele in der FPÖ, die sehr reserviert sind gegen die ÖVP, vor allem, was diese Schüssel-Doktrin anbelangt: Die Freiheitlichen schnupfen wir schon. Es gibt in der ÖVP, nicht was die Jungen betrifft, eine Herrenreitermentalität und eine Gutsherrenmentalität: Jetzt dürfen die Blauen wieder ein bissl mitspielen. Diese Macho-Fraktion in der ÖVP wird sich etwas überlegen müssen, denn was man 2000 gemacht hat, wird nicht mehr gehen. Wobei man ehrlich sagen muss: Die FPÖ war damals auch selber schuld und nicht gut vorbereitet.

Erst letztes Jahr ließ die ÖVP die FPÖ bei der Bestellung der Rechnungshofpräsidentin auflaufen.
Das ist eben die Problematik. Ich sehe viele Übereinstimmungen mit der ÖVP, in Oberösterreich ist das, was wir machen, nur mit der ÖVP möglich. Aber was die Bundesebene betrifft, hat man gesehen, dass die ÖVP A sagt und B macht und glaubt, sie verhandelt besonders geschickt. Aber wir sind nicht am Tarocktisch. Diese Gutsherrenmentalität gehört abgestellt.

Es heißt oft: Die ÖVP verliert die Wahlen und gewinnt die Verhandlungen.
Seit 1986 würde ich sagen, dass die ÖVP die eigene Machtabsicherung immer als oberstes Ziel gehabt hat. Und sie war damit relativ erfolgreich. Aber wir kennen die Strategien aller Parteien inzwischen sehr gut.

»Die SPÖ muss mit offenen Karten spielen. Als Faustpfand für Verhandlungen stehen wir nicht zur Verfügung«

Würde es mit der SPÖ leichter gehen? Immerhin nähert sich diese einer rot-blauen Koalition an.
Die SPÖ spielt nicht mit offenen Karten. In Wahrheit müsste bei einem Parteitag der Beschluss gefasst werden, dass die Ausgrenzung der FPÖ beendet wird. Oder es gibt eine Urabstimmung. Als Faustpfand für Verhandlungen stehen wir nicht zur Verfügung.

Ist das eine Bedingung vor etwaigen Verhandlungen?
Es muss einen formalen Beschluss geben.

Der des SPÖ-Parteivorstandes reicht nicht?
Nein.

Es gibt diesen Spruch: Sebastian Kurz gibt den Strache für Maturanten.
(lacht) Bin ich froh, dass ich die Matura hab. Und den Jagdschein. Und die Fischereiprüfung.

Steht die "Neue ÖVP" eigentlich links oder rechts von der FPÖ?
Ich weiß nicht, wer die neue ÖVP ist. Die hat es schon einmal unter Schüssel gegeben. Nur die Farbe ist etwas anders.

Kurz fährt in der Zuwanderung nahezu die gleiche Linie wie Strache, nur mit harmloserem Gesicht. Wer soll da noch FPÖ wählen?
Die FPÖ ist einfach glaubwürdiger. Wir haben diese Linie seit über zehn Jahren durchgetragen. Man weiß, wo die FPÖ in der Sicherheits-und der Ausländerfrage steht. Das ist halt ein populistischer, opportunistischer Versuch von Teilen der ÖVP, damit eine Wahl zu gewinnen. Ist ja alles legitim. Der FPÖ ist egal, unter wem ihre Politik umgesetzt wird. Es dreht sich alles um die FPÖ: Die Grünen wollen nicht, dass wir in der Regierung sitzen, Kurz übernimmt unsere Forderungen, bei der SPÖ dreht sich alles um die FPÖ. Wir sind sehr gut im Spiel. Macht mir überhaupt nichts aus.

Aber Kurz gewinnt damit vielleicht die Wahl.
Sie nicht. Erstens glaube ich das überhaupt nicht, zweitens hat die ÖVP im Parlament nicht Linie gehalten. Kurz ist seit vielen Jahren Verantwortungsträger, fast schon ein Sesselkleber dieser Koalition. Die Bürger wissen, was sie an der FPÖ haben. Und ich bin schon neugierig, was die Caritas-Fraktion in der ÖVP zum einen oder anderen Punkt sagt.

Der war wohl der junge Integrationsstaatssekretär Kurz lieber, der etwa noch gegen das Kopftuchverbot war.
Ich weiß nicht, welche Seite an Kurz die authentische ist. Ich kann das auch bei Kern nicht beurteilen. Authentisch ist sicher die Frau Lunacek von den Grünen mit ihrer Ablehnung der FPÖ. Das ist nicht gespielt. Aber vielleicht kommen die Grünen eh nicht mehr ins Parlament.

Glauben Sie, dass es so knapp wird?
Ich glaube, dass die Grünen ihre schlimmste Krise seit ihrer Gründung durchleben.

»Wer uns derartig ausgrenzt wie die Grünen, mit dem habe ich kein Mitleid«

Würde Sie es bedauern, wenn die Grünen aus dem Parlament fielen?
Nein. Wer uns derartig systematisch ausgrenzt und eine solche Rhetorik gegenüber der FPÖ und ihren Wählern an den Tag legt, mit dem habe ich kein Mitleid. Es gibt auf kommunaler Ebene einzelne Grüne, denen ich den Idealismus nicht abspreche. Doch das Verhalten, das die Grünen nun an den Tag gelegt haben, ist ganz schlimmes Apparatschikverhalten. Mit der Abwahl des Pilz hat man sich nichts Gutes getan.

Zurück zu Ihren Themen: Auch die SPÖ hat der FPÖ mit einem Vorrang für Österreicher am Arbeitsmarkt ein Thema weggenommen. Noch einmal: Warum soll man überhaupt FPÖ wählen?
ÖVP und SPÖ haben in den vergangenen Jahren gezeigt, dass sie diesen Staat gegen die Wand fahren, dass überhaupt nichts weitergeht. Darum wählen wir ja am 15. Oktober. Und, dass eine Veränderung nur mit der FPÖ möglich ist. Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht, auch wenn er dann die Wahrheit spricht.

Ihr Parteichef Strache hat zuletzt gefordert, die Mindestsicherung auf Sachleistungen bei Wohnen und medizinischer Versorgung zurückzufahren und nur noch 40 Euro Taschengeld pro Monat auszubezahlen. Wer kann davon leben?
Unter die Sachleistungen fallen auch Essensgutscheine. Niemand soll in diesem Land verhungern, das ist keine Frage. Aber Geld auf ein Konto, das gibt eine Freiheit, die man sich erst verdienen muss. Jeder Mensch kann in eine Notsituation kommen. Aber die Mindestsicherung und all diese Dinge können immer nur eine Überbrückung für eine absolute Ausnahmesituation sein. Da muss man restriktiv sein. Im Gegensatz zur Arbeitslosen. Wenn man heute mit 50 arbeitslos wird, darf man nicht sofort in seiner Lebensqualität von 100 auf 50 fallen. Aber es muss natürlich auch eine Anregung geben, möglichst bald eine Arbeit anzunehmen.

Straches Vorschlag zielt auf Menschen ab, die neu nach Österreich kommen. Sie als Privatmensch gefragt: Würden Sie nicht Ihre Kinder nehmen und auswandern, wenn die Lage in Österreich prekär wäre?
Ich werfe das niemandem vor. Ich verstehe Menschen, die Afrika oder Teile Asiens verlassen. Das hat nicht nur mit Kriegen zu tun, sondern auch mit den Lebensverhältnissen. Es ist verständlich, dass jemand sagt, ich möchte mein Leben anders gestalten. Die Frage ist: Was verkraftet Europa? Unser Sozialstaat und unsere Rechtsstaatlichkeit sind halt auch ein Magnet für Armutsflüchtlinge.

»Dass Hunderte Millionen Menschen hierher wollen, das ist ein geopolitische Versagen Europas«

Und wohin sollen die sonst gehen?
In erster Linie bleiben die meisten Wanderbewegungen innerhalb gewisser Staatenverbände. Europa hat durch eigenes Unvermögen Teilen dieser Welt die Hoffnung gegeben, ihr könnt alle kommen, bei uns geht es euch besser, es gibt Wohnungen, Häuser und Arbeit. Dafür ist Europa durch seine Kommunikation und durch seine außenpolitische Schwäche selbst verantwortlich. Wir haben diese Signale ausgesendet und Nordafrika destabilisiert. Dass Hunderte Millionen Menschen hierher wollen, das ist ein geopolitisches Versagen Europas.

Bundeskanzler Kern sagt, wer Auffanglager in Nordafrika errichten will, muss auch bereit sein, Soldaten zu deren Schutz zu schicken. Wären Sie dazu bereit?
Ich wäre dafür, dass österreichische Soldaten dafür eingesetzt werden, die Grenzen des Mittelmeeres zu schützen. Im Grenzschutz und im Grenzeinsatz. Wenn man Schleppern das Handwerk legen will, muss klar sein, dass es keine Chance gibt, nach Europa zu kommen. Dann muss ich die Schiffe zurückbringen, dazu muss es demilitarisierte Zonen geben, die auch beschützt werden.

Auch durch österreichische Soldaten?
Wenn es um Sicherung und humanitäre Versorgung geht, warum nicht? Österreich hat sich lächerlich gemacht mit dem Abzug von Soldaten am Golan. Das war eine außenpolitische Katastrophe. In Nordafrika ist viel Gehirnschmalz und Diplomatie gefragt, es geht um humanitäre, aber auch ökonomische Fragen. Viele Firmen, die in Nordafrika Menschen beschäftigt haben, haben das Weite gesucht.

Österreich hat sich bei der Entwicklungshilfe bisher nicht wahnsinnig weit aus dem Fenster gelehnt. Würden die Mittel dafür deutlich erhöht werden, wenn die FPÖ in die Regierung kommt?
Ich würde in erster Linie auf Bildung setzen. Es soll ein Angebot für Menschen aus diesen Ländern geben, hier in Österreich eine gute Ausbildung zu machen. Denn ob die Entwicklungshilfe eine Million Euro mehr oder weniger beträgt, bewirkt gar nichts - ohne deren Arbeit schlecht machen zu wollen.

Sie laden Menschen ein, für die Zeit einer Ausbildung hierher zu kommen?
Genau.

Und wenn sie bleiben wollen?
Das geht dann halt nicht.

Wo bleibt eigentlich das FPÖ-Wirtschaftsprogramm?
Das Konzept habe ich ausgearbeitet, aber wegen der Wahlen hat man sich entschieden, dem Ganzen mehr Bedeutung zu verleihen. Der Parteiobmann hat angekündigt, die Forderungen am Beginn des Wahlkampfes vorzulegen.

Zwei der drei Kanzlerkandidaten haben ihr Programm noch nicht vorgelegt. Das ist doch eine Zumutung für die Wählerinnen und Wähler, vier Monate vor der Wahl nicht zu sagen, was Sache ist.
Das stimmt nicht. Wir haben ein umfangreiches Konzept. Über 140 Seiten. Für ein Wahlprogramm zu umfangreich. Aber unsere Forderungen sind klar: Senkung der Abgabenquote, die Beendung der Betrugsparanoia des Staates gegenüber den Unternehmern, Aufhebung des Rauchverbots, Unterstützung der Gastronomie, Abschaffung des Kammerzwanges.

Neben einer Abgabenentlastung von zwölf bis 14 Milliarden Euro fordert die FPÖ auch eine Erhöhung der Mindestpension auf 1.200 Euro. Die Kosten dafür werden auf bis zu elf Milliarden Euro geschätzt. Woher soll das Geld kommen?
Es gibt Gegenfinanzierungsvorschläge, aber die sind in Wahrheit schwer abschätzbar. Ohne grundlegende Staatsreform wird man das nicht einsparen können. Wir sind die Einzigen, die das machen können, weil wir in diesen Strukturen nicht so verankert sind. Die Lohnnebenkosten können sofort gesenkt werden, die Kammerumlage -die Kammern schwimmen in Milliarden - das wäre ganz einfach zu machen und würde niemanden belasten außer ein Funktionärsklientel.

Konsequenterweise müssten Sie auch gleich den Finanzminister für die FPÖ fordern.
Für uns ist wesentlich, dass die einzelnen Punkte festgelegt werden, was man erreichen will. Jetzt über ein Ressort zu reden, wäre unseriös. In der Regierung gilt ja das Einstimmigkeitsprinzip. Allein das Finanzministerium zu haben, wird auch nichts ändern.

»Wer keine ideologische Grundstruktur hat, wird nicht glaubwürdig Politik machen können«

Es fällt auf, dass bei Wahlen Einzelpersonen mit ihren Bewegungen Erfolge feiern. Siehe Macron in Frankreich. Was lernen Sie daraus?
Dass Parteien in einer Demokratie wichtig sind, weil sie doch auch Stabilität geben und in vielen Belangen eine organisatorische Berechenbarkeit. Man versucht halt jetzt gern, sich die Aura eines unabhängigen Politstars zu geben. Das gilt auch für Kern, dabei ist der das Paradebeispiel eines Systemerhalters. Das Gleiche gilt für Kurz. Wer nicht mit beiden Beinen im Leben steht und eine ideologische Grundstruktur hat, wird nicht glaubwürdig Politik machen.

Schaut Heinz-Christian Strache daneben nicht ein bisschen alt aus?
Er ist, was die Frage der Verhaftung in ein System anbelangt, der Allerglaubwürdigste, weil er seit zehn Jahren gerade nicht Teil dieser verhaberten Staatsstrukturen ist.

In den Umfragen ist er hinter die beiden neueren Gesichter, Kurz und Kern, zurückgefallen. Wird man in der FPÖ schon nervös?
Da beruhigt mich dann wieder der Schulz-Effekt in Deutschland. In Oberösterreich sagt man: Einmal der Gigl, einmal der Gogl.

Wollen Sie im Herbst eigentlich Minister in Wien werden?
Ministrant war ich schon.

Dann fehlt nicht viel...
Das reizt mich nicht.

Weil Sie Landeshauptmann werden wollen?
Ich bin in Oberösterreich verankert, bin in der Familiengründung, habe geheiratet, meine Freunde, meine Familie hier. Ich war drei Jahre lang in Wien und weiß daher, wie schwierig es ist, eine Landespartei zu leiten, wenn man auf einer anderen Ebene tätig ist. Und eine Landesgruppe wie unsere wird sich immer einbringen, egal ob bei Verhandlungen oder einer Regierungsbeteiligung. Deshalb schließe ich das aus.

In der österreichischen Politik gibt es gerade einen drastischen Generationswechsel. Mit Kurz oder Julian Schmid bei den Grünen kommen die unter 30-Jährigen. Sind Sie mit 38 nicht schon bald zu alt für die Politik?
Ich werde am 12. August 39. Ich hoffe nicht, dass das die Deadline ist.

Zur Person: Der 38-Jährige Jurist saß für die FPÖ von 2006 bis 2009 im Nationalrat und wechselte dann in die oberösterreichische Landespolitik. Seit 2009 ist er Landesrat für Naturund Landschaftsschutz sowie Wohnbau. Bei der Wahl 2015 erreichte die FPÖ unter seiner Führung den zweiten Platz. Seither gibt es ein schwarz-blaues Arbeitsübereinkommen in der oberösterreichischen Landesregierung, und Haimbuchner ist auch Landeshauptmann-Stellvertreter. Zudem ist er stellvertretender FPÖ-Bundesparteiobmann.