Häupl sagt
"Auf Wiedersehen"

Der scheidende Bürgermeister wurde mit Standing Ovations verabschiedet

Der scheidende Wiener Bürgermeister Michael Häupl hat heute seine letzte Rede im Gemeinderat gehalten. "Es war über weiteste Strecken eine tolle Zeit", zog er in seiner rund 45-minütigen Ansprache Bilanz.

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Alle Fraktionen - außer die FPÖ, in deren Reihen nur vereinzelt geklatscht wurde - würdigten ihn mit minutenlangem Applaus und Standing Ovations.

Häupl erinnert sich an seine Anfänge im Rathaus

"Ich will nicht verhehlen, dass es schon nachdenklich macht, dass es 35 Jahre her ist, dass ich in der letzten Reihe gesessen bin und als Gemeinderat vereidigt wurde", erinnerte sich Häupl an seine Anfänge im Rathaus. Über die mehr als 23 Jahre als Bürgermeister der Stadt wolle er nicht "ausführlich Rechenschaft ablegen". Das Ergebnis sei bei einem Gang durch die Stadt zu sehen.

Dennoch zeigte er sich stolz über die hohe Lebensqualität der Stadt. Bedeutende Einschnitte seien der EU-Beitritt und der Fall des Eisernen Vorhangs gewesen. "Wir haben, wenn man den internationalen Medien glauben darf, diese Chance genutzt und die Herausforderungen gemeistert."

Mahnende Worte vom scheidenden Stadtoberhaupt

Auch einige mahnende Wort sprach das scheidende Stadtoberhaupt. "Wir leben in einer sehr gefestigten Demokratie. Dennoch, die Demokratie ist ein zerbrechliches Gut, man muss sorgsam mit ihr umgehen." Das "Friedensprojekt" Europäische Union sei es wert, hart dafür zu arbeiten, "denn die Alternative wollen wir mit Sicherheit nicht".

»Die Demokratie ist ein zerbrechliches Gut, man muss sorgsam mit ihr umgehen«

Außerdem mahnte Häupl einen respektvolleren Umgang in der politischen Debatte ein. "Ich kenne keine andere Berufsgruppe, die so miteinander umgeht, wie Politiker." Dabei nahm er auch sich selbst nicht aus. "Auch ich war nie ein Kind von Traurigkeit, auch nicht verbal. Wenn ich in all dieser Zeit jemanden gekränkt oder beleidigt habe, dann entschuldige ich mich jetzt dafür", sagte er. "Respekt und Rücksichtnahme sollten ebenso Grundlage der demokratischen Diskussion sein, wie im politischen Umgang miteinander."

Statement zum Thema Flüchtlinge

Die Verbesserung der Lebensqualität bedeute vor allem die Lösung der sozialen Frage, die auch die Themen Migration und Integration miteinschließe. Die Frage des Zuzugs in Europa sei natürlich eine europäische Angelegenheit. "Wien ist das einzige Bundesland, das keine Außengrenze hat. Wie daher Rot-Grün verantwortlich sein soll für den Zuzug, erschließt sich mir nicht ganz", meinte Häupl.

Eine Situation, wie der Höhepunkt der Flüchtlingskrise im Jahr 2015, sei "zweifelsohne nicht wünschenswert". "Das Beste, das wir machen konnten, haben wir getan", sagte Häupl rückblickend. "Ich wüsste allerdings nicht, was wir gemacht hätten, wenn die Flüchtlinge nicht nach Deutschland weitergezogen wären", räumte er ein. Man müsse jenen Menschen, die zu uns kommen, Hilfe gewähren, ein "unkontrollierter Zuzug" dürfe es jedoch nicht sein.

Digitalisierung als wichtigstes Zukunftsthema

Als wichtiges Zukunftsthema sprach Häupl die Digitalisierung an. "Die Digitalisierung ist die größte industrielle Revolution des neuen Jahrtausends. Sie verändert unser ganzes Leben", sagte er. Zu den drängendsten Aufgaben gehöre es, sich gegen Missbrauch zu wappnen - "Stichwort Darknet und der jüngste Facebook-Skandal" - und den digitalen Analphabetismus zu bekämpfen.

»Die Digitalisierung ist die größte industrielle Revolution des neuen Jahrtausends«

Zum Schluss bedankte er sich unter anderem bei den Mitarbeitern der Stadt ("Sie sind großartig - wenn sie wollen"), bei seinen Parteifreunden, aber auch beim Koalitionspartner. "Es war über weiteste Strecken eine tolle Zeit. Ihr habt mir sehr viele Sonnentage beschert." Auch der Opposition dankte er und appellierte gleichzeitig für mehr Zusammenarbeit. "Ich glaube, dass ein Mehr an Gemeinsamkeiten dieser Stadt gut tun würde", sagte Häupl. Seinem Nachfolger Michael Ludwig wünschte er alles Gute. Zum Abschluss der Rede, die er mit den Worten "Auf Wiedersehen" schloss, würdigten ihn die Gemeinderäte mit minutenlangem Applaus.

Launiger Abschied vonseiten der Opposition

Durchaus sanft im Ton und mit allerlei Bonmots hat sich am Donnerstag die Opposition von Bürgermeister Häupl verabschiedet. Vor allem die Klubchefs von NEOS und ÖVP, Beate Meinl-Reisinger und Manfred Juraczka, zollten dem langjährigen Stadtchef im Gemeinderat Respekt. Kritik gab es von der FPÖ. Die Grünen dankten für den Mut Häupls, 2010 erstmals Rot-Grün gemacht zu haben.

Als erste nach Häupls Abschiedsrede ergriff NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger das Wort - und gestand sogleich: "Ja, Sie werden mir fehlen." Denn: "Sie sind eine Kulturfigur geworden." Dank sprach die pinke Klubobfrau dem scheidenden Bürgermeister dafür aus, die Chance, Wien in der EU zu positionieren, genutzt zu haben und in den vielen Jahren des politischen Wirkens "die Wienerinnen und Wiener stets im Fokus gehabt" zu haben. Häupl könne als Vorbild dienen, wenn es darum gehe, "sich am Ende einer Arbeitswoche oder eines Arbeitslebens in den Spiegel schauen zu können". Nicht immer auf Umfragen zu schauen, sondern seinen eigenen Überzeugungen treu zu bleiben - "das zeugt von Charakter". Häupl habe sie auch besonders angespornt, erinnerte sich Meinl-Reisinger: Denn nach dem NEOS-Einzug in den Gemeinderat habe er gemeint: "Auf Euch hamma ned gewartet."

Juraczka würdigt den scheidenden Bürgermeister

Eine Spur amikaler legte ÖVP-Klubobmann Manfred Juraczka seine Würdigung an - auch wenn er versprach, nicht allzu sentimental und verklärend zu werden: "Ich werde mich zusammenreißen." Häupls Intellektualität habe leider auch dazu geführt, dass "Du mit mir lieber über die umstrittene Bodenpolitik von Salvador Allende im Chile der 1970er-Jahre diskutiert hast als über die aktuellen Probleme in der Wiener Verkehrspolitik". Doch bei allen inhaltlichen Differenzen: "Eines ist klar: 24 Jahre an der Spitze dieser Stadt, das kann kein Zufall sein", räumte Juraczka ein: "Und mit Dir zu streiten hat oft viel mehr Spaß gemacht als mit anderen einer Meinung zu sein." Als Geschenk überreichten die Rathaus-Schwarzen Häupl - er ist bekennender Hobbykoch - das "Kochbuch des Sozialismus".

»Eines ist klar: 24 Jahre an der Spitze dieser Stadt, das kann kein Zufall sein«

Dank und ein Präsent gab es auch vom Koalitionspartner, wobei hier nicht Klubchef David Ellensohn, sondern das grüne Urgestein Christoph Chorherr die Aufgabe übernahm. Schließlich sei er schon bei der Angelobung Häupls dabei gewesen, erklärte er. Respekt gab es dafür, dass Häupl im richtigen Moment immer wieder Mut gezeigt habe: "Es war 2010 sicher nicht ganz einfach, eine Koalition mit den Grünen zu wagen." Chorherr würdigte die "Haltung" des scheidenden Stadtoberhaupts in Sachen Weltoffenheit und Vielfalt, sein Prinzip der Versöhnung ("Nicht ein Entweder-oder, sondern ein Sowohl-als-auch") und seine "Vielgesichtigkeit", mit der Häupl wissenschaftliche Kreise genauso ansprechen könne wie Vormittagsgäste einer "Spelunke". Als Verdeutlichung gab es ein Bild als Geschenk, auf dem der abtretende Bürgermeister in allerlei Rollen - vom Punk bis zum Grantler - porträtiert wurde.

Kritik vonseiten der FPÖ

Rauer fiel der Abschied der FPÖ aus. Klubchef Anton Mahdalik konzentrierte sich vor allem auf die "leise Kritik", die er trotz der feierlichen Stunde anbringen wolle. Obwohl sich Häupl bei allen Wienern bedankt habe, dass sie ihm so lange das Vertrauen geschenkt hätten, sei er, Mahdalik, sich nicht sicher, ob alle Wiener diesen Dank zurückgeben. "Vieles hat sich in dieser Zeit verändert - auch zum Negativen", nannte der Freiheitliche in erster Linie "Parallelgesellschaften", durch die sich viele Einheimische nicht mehr sicher fühlten: "Ich setze große Hoffnungen in den neuen Bürgermeister Michael Ludwig, dass hier gegengesteuert wird." Spitzen brachte der Blaue auch bezüglich Spritzertrinken und dahingehend an, dass im Bürgermeister-Job sowieso keine Burnout-Gefahr bestehe. Nicht ganz verwunderlich, dass Häupl dem blauen Fraktionsvertreter - anders als allen anderen - keinen Applaus für seine Rede spendete.

Zum Schluss würdigte SPÖ-Klubchef Christian Oxonitsch Häupl für die vergangenen 24 Jahre. Dessen Engagement sei bis zum letzten Tag seiner Amtszeit groß gewesen: "Wien ist mit Dir noch ein bissl klasser geworden und du warst ein klasser Bürgermeister", zog Oxonitsch Bilanz - und vergaß dabei auch nicht, sich von den scheidenden roten Stadträten Andreas Mailath-Pokorny, Renate Brauner und Sandra Frauenberger zu bedanken.

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