Hader: "Wir sind
alle ein bisserl verlogen"

Der Kabarettist Josef Hader über sein Filmregiedebüt "Wilde Maus" und wie es ist, zu spielen und sich selbst zu inszenieren.

von Kultur - Hader: "Wir sind
alle ein bisserl verlogen" © Bild: News Reich Sebastian

Herr Hader, wie es ist für Sie, dass der Film "Wilde Maus", Regiedebüt bei der Berlinale, einem der wichtigsten Filmfestivals in Europa, zur Premiere kommt?
Es ist ehrlich gesagt schon ein wenig unwirklich, mit sowas rechnet man nicht. Ich denk mir, das kann Vor- und Nachteile haben. Die hohe Aufmerksamkeit, die ein Film dort bekommt, ist ein Vorteil, aber man wird auch härter beurteilt.

© Filmladen Josef Hader: Vor und hinter der Kamera in "Wilde Maus"

Hoffen Sie auf einen Preis?
Falls wir einen bekommen, freu ich mich. Aber es ist eher unwahrscheinlich. Komödien bekommen sehr selten Preise auf so einem Festival. Ich bin aber bei Preisen recht nüchtern. Ich war als Kind in der Schule ein ganz schlechter Sportler und die Preise haben immer die anderen bekommen. Seither find ich Preise nicht so wichtig.

Und was ist mit jenen Preisen, die sie als Kabarettist bekommen haben?
Die habe ich auch nicht so ernst genommen. Auch gute Kritiken nicht. Das einzige, was ich ernst genommen habe, waren schlechte Kritiken. Die haben mich manchmal sogar weitergebracht. Mein großer Kollege Dieter Hildebrandt hat einmal gesagt: Jeder große Erfolg beruht zu fünfzig Prozent auf einem Missverständnis.

»Mein Film wird nicht besser, wenn er zur Berlinale eingeladen ist«

Das klingt so, als würden Sie ständig unter Selbstzweifel leiden, wenn Sie nicht einmal anderen glauben, dass Sie gut sind. Zeugt das nicht von einem großen Mangel an Selbstvertrauen?
Oder es ist ein Zeichen für Selbstvertrauen. Wer Lob von anderen sehr wichtig nimmt, braucht das ja dringend zur Selbstbestätigung. Ich denk mir, mein Film wird nicht besser, wenn er zur Berlinale eingeladen ist. Und er wär auch nicht schlechter, wenn er nicht dort wär.

Sie erzählen in "Wilde Maus" vom Musikkritiker Georg. Mit seinen Kritiken hat er Musikerkarrieren zerstört. Dann trifft es ihn. Er wird gekündigt, verliert nicht nur seinen Job, sondern auch seine Macht. Haben Sie unter der Macht eines Kritikers gelitten oder davon profitiert?
Die Macht der Kritiker war früher größer als heute. Wenn man früher in bestimmten Zeitungen eine gute Kritik hatte, war das für einen jungen Kabarettisten ein richtiger Schub. Heute ist das nicht mehr so. Beim Kabarett hat die Kulturkritik nicht mehr so einen starken Einfluss. In der klassischen Musik ist das noch stärker, zumindest in Wien.

© Filmladen Josef Hader: Vor und hinter der Kamera in "Wilde Maus"

Es ist doch sicher kein Zufall, dass Sie ausgerechnet einen Musikkritiker gewählt haben, der seinen Job verliert. Ist das eine Kritik an der doch nur vermeintlichen Kulturnation Österreich, die sich ihre Zukunft selbst abschafft, indem an Schulen zwar eine tägliche Turnstunde, aber immer weniger Musik unterrichtet wird?
Das ist sicher ein wichtiges Thema, aber darüber könnte man keine Filme machen. Mich hat interessiert, was Arbeitslosigkeit mit einem narzisstischen Menschen macht, für den seine Arbeit sehr wichtig ist fürs Selbstwertgefühl. Der bekommt dann eine Wut und beginnt sich gegen seine Entlassung zu wehren. Und überschreitet alle Grenzen. Darüber eine Komödie zu machen, das fand ich spannend. Dass meine Filmfigur ein Journalist geworden ist, hat den Grund, dass diese Jobs heutzutage sehr gefährdet sind. Und ein Großkritiker ist in Wien ja sowas wie ein kleiner König, der kann sehr tief fallen, wenn er seinen Beruf verliert.

»Heute fehlen glaubwürdige Instanzen, die für uns die Nachrichten einordnen«

Im Film zeigen Sie, dass Georgs Kritiken sogar von Polizisten gelesen werden, während Intellektuelle nicht einmal mehr die Tagesnachrichten verfolgen. Woher rührt dieses Desinteresse?
Wir nehmen die täglichen Nachrichten gar nicht mehr wahr, weil wir sie in ihrer Flut nicht mehr aufnehmen können und auch nicht einschätzen. Und wir sind mit eigenen Problemen beschäftigt. Wir hören etwa täglich News aus Syrien und dem Irak und wissen gar nicht, wer gegen wen kämpft. Früher hat uns noch der Hugo Portisch im Fernsehen erklärt, was da läuft. Heute fehlen glaubwürdige Instanzen, die für uns die Nachrichten einordnen. Es geht in den Medien vorrangig um Quote – auch in der innenpolitischen Berichterstattung. Politiker werden zu effektvollen Sätzen getrieben, weil sich die besser verkaufen lassen als Inhalte. Das führt dann dazu, dass der Lauteste die Wahlen gewinnt.

Wie in Amerika. Killt man in den USA mit den Mitteln der Demokratie die Demokratie?
Es ist für die ganze Welt nicht sehr angenehm, wenn der Präsident einer Großmacht wie Amerika auf Nationalismus setzt. Aber die USA sind eine lebhafte Demokratie. Das sieht man daran, wie sich dort die Opposition, aber auch Leute aus der eigenen Partei gegen die ersten Dekrete Trumps zur Wehr setzen. Es ist nicht lustig, was dort passiert, aber so leicht wie in Ungarn oder Polen wird er es nicht haben. Die USA hat eine starke Zivilgesellschaft, die dem Präsidenten die ganze Amtszeit hindurch auf die Finger schauen wird.

© News Reich Sebastian

Wie sieht denn Ihr Vertrauen zur österreichischen Regierung aus, die es fast zu Neuwahlen hätte kommen lassen?
So wie alle Österreicher halte ich Streitereien in der Regierung für recht entbehrlich. Das sind alles erwachsene Menschen und Berufspolitiker. Dass die sich teilweise aufführen wie kleine Kinder, versteht niemand. Ich fände es gut, wenn die Regierungsparteien die Entscheidung treffen, ab jetzt ohne Streit weiterzuarbeiten oder aufzuhören.

Wären Neuwahlen eine Katastrophe?
Neuwahlen sind nie eine Katastrophe in einer Demokratie. Eine Katastrophe wäre, wenn wir nicht mehr wählen dürften.

Wie gefällt Ihnen Sebastian Kurz? Hätte er bei Neuwahlen eine Chance auf das Kanzleramt?
Ich gebe über einzelne Personen nicht gerne Wertungen ab. Ein Burkaverbot, wie er es jetzt in der Regierung durchgesetzt hat, das ist schon reine Symbolpolitik. Ich versteh schon, dass es der ÖVP schlecht geht, aber mit sowas wird man sie nicht retten können. Für wen soll das denn gelten, außer für ein paar reiche arabische Touristinnen. Aber das weiß er selber, das muss ich dem Herrn Kurz nicht sagen. Das macht er halt, damit ein paar Kleingeister in der Partei eine Ruhe geben. Diese Leute aus der zweiten Reihe, die sollte man entmachten. Parteisekretäre, Landeshauptleute, meist eh von den kleineren Bundesländern, die sich zu großen Politikern aufblasen wie die Laubfrösche und populistische Zurufe machen, die sind sowas von entbehrlich.

»Was in der Welt passiert, interessiert uns zwar nach außen hin schon, in Wirklichkeit ist es uns ziemlich egal. Wir sind alle ein bisserl verlogen«

Ihr Film vermittelt den Eindruck, dass persönliche Haltungen, wie etwas Veganismus, von größerer Bedeutung sind als Politik oder Terror?
Ich schildere ein Leben, wie wir es alle kennen: Wir kultivieren unsere privaten Probleme und was in der Welt passiert, interessiert uns zwar nach außen hin schon, in Wirklichkeit ist es uns ziemlich egal. Wir sind alle ein bisserl verlogen, das ist auch eine Quelle für die komischen Momente im Film. Und für die tragischen auch.

Nach der Filmmusik am Ende zu schließen, müsste die Tragik für Sie nur ein geringes Ausmaß ausmachen. Sie spielen Strawinskys "Feuervogel", eine Art Hoffnungsmusik?
Daran habe ich nicht gedacht, Strawinsky geht mir persönlich nicht so nahe, ich hab's ausgesucht, weil es wie alte Filmmusik aus Hollywood klingt. Ein ironisches Happy End. Ich wollte keine durchgehende Filmmusik einbauen, bei mir sollten Schnitt und Originalton über weite Strecken genug Musik sein. Und dazwischen geht die Post ab mit Klassik, aber auch mit "Bilderbuch".

Weshalb vermeiden Sie jeglichen Kommentar zu Berichten darüber, dass Sie mit Ihrer Filmpartnerin Pia Hierzegger nicht nur beruflich, sondern auch privat vereint sind?
Ich habe mich noch nie in den Medien über mein Privatleben verbreitet. Ich gehe mit sowas nicht hausieren, ich finde nicht, dass das fremde Leute was angeht. Wenn jemand etwas von mir wissen will, kann er mich privat treffen, muss mir aber sehr viel von sich erzählen, bevor ich ihm vielleicht etwas von mir erzähle. Wissen Sie, mir waren schon als Kind die Beichtväter in der Kirche nicht sehr sympathisch. Jetzt bin ich 55 und die Journalisten spielen sich auf wie die Beichtväter. Ich aber gehe seit meinem 13. Lebensjahr nicht mehr zur Beichte, und schon gar nicht bei Journalisten.

© News Reich Sebastian

Kehren wir noch einmal zum Film zurück. Sie führen Regie und spielen die Hauptfigur, ein gefährliches Unterfangen. Ben Affleck ist dabei mit seinem jüngsten Film "Live by Night" gescheitert. War es für Sie schwierig, sich selbst zu inszenieren oder half der Kabarettist Hader dabei?
Ich hatte eher Respekt davor, einen Film zu machen, Bilder zu finden und Kollegen zu inszenieren. Es war nicht leicht, aber ich habe das Gefühl, dass es mir liegt. Es ist wunderschön, wieder Anfänger zu sein. Und jetzt kann ich mir aussuchen, ob ich Film oder Kabarett mache.

Zur Person: Josef Hader wurde 1962 in Waldhausen, Oberösterreich, geboren. Als Kabarettist wurde er 1990 mit dem "deutschen Kleinkunstpreis" geehrt. Den Durchbruch verschaffte ihm die Verfilmung des Stücks "Indien", das er mit Alfred Dorfer verfasst hat. Mit seinen Soloprogrammen als Kabarettist gastiert er in Österreich und Deutschland an den wichtigsten Bühnen. Zu seinen wichtigsten Filmrollen zählen der Privatdetektiv Brenner in den Verfilmungen von Wolf Haas’ Kriminalromanen, Stefan Zweig in Maria Schrades "Vor der Morgenröte" und der Pathologe Fuhrmann im Fernseh-Zweiteiler "Der Aufschneider". Ab 17. Februar kommt "Wilde Maus", Haders erster Film, bei dem er Regie führt und selbst mitspielt, ins Kino.

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