Tierische Verhältnisse

Giraffen und Babyelefanten: Genau so ist Österreich. Wer sich staatstragenden Themen mit Ernst nähert, tut sich schwer, dieses Land zu verstehen.

von Kathrin Gulnerits © Bild: News/Matt Observe

Für irgendeinen Schenkelklopfer ist in diesem Land immer Zeit. So ernst können eine Sache und die Lage gar nicht sein, dass sie nicht irgendwer irgendwie ein Stück weit ins Lächerliche zieht. Egal, ob als direkt Beteiligter oder als unbeteiligter Akteur am Spielfeldrand. Egal, ob aus Boshaftigkeit, Kalkül oder weil einem gerade fad ist. Weil man für Gesprächsstoff sorgen will oder weil man es eben immer so macht, wenn sich eine Gelegenheit bietet. Jetzt redet das Land also über eine Giraffe, die ein Krone-Journalist aus Jux und Tollerei unter dem Namen "Camelo Pardalis" in das Bewerberrennen um den SPÖ-Vorsitz geschickt hat und die prompt via (automatisierter) Mail willkommen geheißen wurde. Weil aus der Mitgliedschaft logischerweise nichts wird, übernimmt die SPÖ stattdessen eine Giraffen- Tierpatenschaft in Schönbrunn.

Wirklich herzig, diese Politiker. Selbstironisch? Schwachsinnig trifft es auch. Vielleicht fehlt mir, der Deutschen, aber auch einfach nur der humoristische Zugang zum Leben, zum Überleben in Österreich. Ich erlaube mir dafür, mich zu wundern - etwa, dass die Giraffe am Montagabend auch prompt und zur fast besten Sendezeit Thema in einer der wichtigsten Nachrichtensendungen des Landes war. Ernste Frage des Moderators - ernst gemeinte Antwort des SPÖ-Bundesgeschäftsführers: Ja, auch die Giraffe wird einen Fragebogen bekommen. Schließlich handelt es sich hierbei um ein Parteimitglied, das sich mit einer Mailadresse und einer Telefonnummer angemeldet hat. Ein Lacher. Nächste Frage. 403.000 Zuseher haben zugesehen. Und sich vor Freude auf die Schenkel geklopft? Vielleicht hat sich der eine oder andere auch verwundert die Augen gerieben und sich völlig zu Recht angewidert von der Politik und dem erbärmlichen Schauspiel, das in diesem Fall die SPÖ gerade liefert, abgewendet. Einmal mehr, was soll's. Andererseits, und ganz ohne Augenzwinkern, haben wir jetzt die Gewissheit: Giraffe und Babyelefant -genau so ist Österreich. Letzte Zweifel wurden spätestens diese Woche ausgeräumt. Zugleich kommen Erinnerungen an Dezember 2020 auf, als der damalige türkise Kanzler und der heutige grüne Vizekanzler den Babyelefanten zu Besuch im Kanzleramt hatten. "Bundeskanzler und Vizekanzler treffen den Babyelefanten" lautete übrigens die offizielle Aussendung des Bundeskanzleramts dazu. 2023 gehört also auch eine Giraffe zum politischen Inventar von Österreich. Erst geben sich Kanzler und Vizekanzler der Lächerlichkeit preis, jetzt eine einst staatstragende Partei. Lustig ist daran nichts. Es ist ein verheerendes Bild.

»Erst geben sich Kanzler und Vizekanzler der Lächerlichkeit preis. Jetzt eine einst staatstragende Partei«

Fast könnte man dabei vergessen, dass es gerade um etwas geht. Um Verantwortung für dieses Land zum Beispiel. Ein Land, das sich im internationalen Vergleich durch eine großzügige Parteienförderung auszeichnet. In Summe knapp 224 Millionen Euro waren es im Vorjahr. Rund 60 Millionen Euro gab es für jene Partei, die aktuell mit einer Giraffe, Machtkämpfen und fehlender Strategie, aber weniger mit Themen und klaren Ansagen auf sich aufmerksam macht. Nicht nur, aber auch wegen dieser üppigen Dotierung darf sich der Wähler und Steuerzahler ernste Antworten erwarten. Es sind nämlich ernste Zeiten. Und in diesen Zeiten ist es wahrlich nicht zu viel verlangt, dass sich eine Partei, die mitgestalten will, soll und muss, entsprechend aufstellt.

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