Und geladen werden nur die Gulaschkanonen

Leitartikel

Der Fetisch Neutralität ist mitverantwortlich dafür, dass die Existenz unseres Heeres derzeit unerklärbar ist.

von Und geladen werden nur die Gulaschkanonen © Bild: News

Die Neutralität ist ein innenpolitischer Fetisch, aber leider kein Selbstverteidigungstool. Neutralität ist: Die anderen kämpfen für unsere westlichen Werte, und wir schauen zu. Neutralität wäre aber auch: Wir werden bekämpft, und die anderen schauen zu. Trotz unserer westlichen Werte. "Der Neutrale steht für sich selbst", antwortete einer unserer ranghöchsten Militärs, Generalmajor Bruno Günter Hofbauer, im News-Interview auf die Frage, wer Österreich denn im Ernstfall zur Hilfe käme; und derzeit liegt zwischen dem Ernstfall und dem neutralen Österreich gerade einmal Viktor Orbáns autokratisches Ungarn.

Die Ukraine wusste schon, weshalb sie aus Selbstschutz zur Nato wollte, durfte aber nicht. Österreich dürfte zwar in das westliche Verteidigungsbündnis, will aber partout nicht. Zu hart, glauben viele noch immer, wurde unsere Neutralität beim Kampftrinken in Moskau erstritten. Zu sehr ist sie Teil unserer immerwährenden Reblausseligkeit, als dass auch nur einer der heimischen Dauerwahlkämpfer im Entferntesten auf die Idee käme, sie aus Motiven politischer Redlichkeit in die Rente zu schicken. Die Schweden, und die gelten immer noch als europäische Musterdemokraten, denken derzeit sehr intensiv darüber nach. Bei uns ist das noch immer denkunmöglich.

»Was ist schon die Möglichkeit eines verlorenen Krieges im Vergleich zu einer verlorenen Wahl?«

Denn: Eine Anhebung des Verteidigungsbudgets von 0,6 auf mindestens zwei Prozent des BIP, wozu uns ein Nato-Betritt verpflichten würde, damit gewinnt man hierzulande garantiert keine Wahlen. Und mit der Aussicht, dass im Zuge einer internationalen Beistandspflicht Österreicherinnen und Österreicher dorthin müssten, wo wirklich geschossen und auch gestorben wird, auch nicht. Und Wahlen sind -siehe westliche Werte -hierzulande immer irgendwo. Allein, was ist schon die Möglichkeit eines verlorenen Krieges im Vergleich zu einer verlorenen Wahl? Und: Wie sollte man den Menschen, die am Nationalfeiertag auf den Heldenplatz Bundesheer schauen gehen, nur erklären, dass man im Falle eines Falles mehr laden müsste als nur die Gulaschkanonen? Gar nicht. Denn die Existenz einer österreichischen Armee in ihrem gegenwärtigen Zustand ist unerklärbar. (Außer man ließe den Umstand, dass unsere Gebirgsjäger, weil Verteidiger einer stolzen Skination, zu den besten der Welt gehören und unsere Pioniere die schönsten Holzbrücken der gesamten Lobau bauen, noch als Erklärungen gelten.)

Schluss mit dem Tannern und Täuschen: Unsere Truppe ist, auch wenn sie die Regierung jetzt unter dem Druck der ukrainischen Kriegsbilder ein bissel aufzumotzen verspricht, infrastrukturell völlig devastiert -aber auch moralisch. Ein Beispiel gefällig? Im Kompendium "Der Soldat -Leitfaden für den Dienst im Österreichischen Bundesheer 2020/21", einer amtlichen Publikation der Republik Österreich, wird den Soldatinnen und Soldaten "Aufrichtigkeit" ans Herz gelegt und der "Mut, eigene Fehler sofort einzugestehen", denn, und jetzt kommt es: "Melden macht frei!"

Für Inhalte wie diese ist ein eigenes "Referat für Strategische Kommunikation" verantwortlich, und es graut einem vor der Frage, welche Strategie hinter dieser Kommunikation steckt. Sind wir denn jetzt auch gegenüber der eigenen dunklen Vergangenheit umfassend und immerwährend neutral?

Was meinen Sie? Schreiben Sie uns bitte: leserbriefe@news.at