Koalition mit ÖVP
"sehr schwer vorstellbar"

Der grüne Wahlkampfleiter über Türkis-Grün und die Schwierigkeiten beim Klimathema

Thimo Fiesel wurde Anfang des Jahres zum Wahlkampfmanager der Grünen bestellt. Erfolge feierte der Geschäftsführer der Tiroler Grünen in dieser Funktion bereits bei den EU-Wahlen, jetzt geht es um den Wiedereinzug in den Nationalrat. Was gerade hier die Schwierigkeit ist, was er jetzt anders macht als 2017, warum eine Kooperation mit Peter Pilz nie im Gespräch war und wie offen die Grünen gegenüber einer türkis-grünen Koalition sind, verrät er im Interview mit News.at.

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Interview - Koalition mit ÖVP
"sehr schwer vorstellbar"

News.at: Sie sind Landesgeschäftsführer der Grünen in Tirol – und jetzt leiten Sie den Wahlkampf der Bundes-Grünen. Wie kam es dazu?
Thimo Fiesel: Nach dem Ausscheiden aus dem Nationalrat 2017 war es so, dass die Grünen auf Bundesebene sehr schwach vertreten waren und wir Landesgeschäftsführer starke Verantwortung im Bund übernommen haben. Ich habe die Wahlkampfleitung schon bei der EU-Wahl mit einem zweiten Fuß in Tirol gemacht, aktuell fokussiere ich jedoch voll auf den Nationalratswahlkampf. Wir müssen unsere vorhandenen Ressourcen bündeln bis wir wieder im Parlament sitzen.

Was zeichnet einen guten Wahlkampf und aus?
Einen guten Wahlkampf zeichnet aus, dass die aktuelle Themenlage erkannt und dann darauf geschaut wird, wie der Spitzenkandidat, die Themenlage und die Kampagne zusammenpassen. Außerdem muss man auch innerhalb der Partei eine gute Stimmung und eine Bewegung erzeugen, die dann nach außen strahlt. Es braucht viel Motivation, viel Engagement und viel Herzblut. Vor allem in der Phase, in der wir mit sehr wenig Geld und Ressourcen um Stimmen kämpfen müssen.

Wie viele Leute arbeiten in Ihrem Team?
Es kommen momentan immer mehr Freiwillige dazu. Wir werden in diesem Wahlkampfteam um die 17 Leute beschäftigen. Darunter aber auch viele AktivistInnen, die ehrenamtlich zuarbeiten.

Was wird die größte Herausforderung, gerade an diesem Wahlkampf, sein?
Für uns ist natürlich die größte Herausforderung, dass wir mit deutlich weniger Mittel und Ressourcen als die anderen Parteien in den Wahlkampf gehen.

Und inhaltlich?
Inhaltlich werden wir auf die Themen der Zukunft setzen, gerade in einer Zeit, in der alle Parteien den Klima- und Umweltschutz erkannt haben und mit deutlich mehr finanzieller Kraft versuchen, dieses Thema scheinbar zu besetzen.

Die SPÖ fordert zum Beispiel ein Klimaticket, das eins zu eins eine grüne Forderung war - und teilweise in Grün mitregierten Ländern schon umgesetzt ist.

Unterm Strich wird sich aber zeigen wer bei diesen Themen glaubwürdiger ist. Wir stehen seit Jahrzehnten für saubere Umwelt und saubere Politik. Auch Werner Kogler steht mit seiner bodenständigen Authentizität für diese Themen.

»Wer hat hier geliefert in den letzten Jahren und wer schreibt sich nur Sonntagsforderungen auf die Plakate?«

Sie wollen sich beim Klimathema also durch Glaubwürdigkeit abheben?
Man muss sich anschauen, was zum Beispiel die SPÖ in den Landesregierungen im Bereich öffentlicher Verkehr gemacht hat. In Wien kann man sagen „Ja, gemeinsam mit den Wiener Grünen“, aber sonst haben stets Grüne alle Maßnahmen wie den Ausbau der Öffis oder günstige Tickets angetrieben und da geht es darum, zu sagen: „Schaut hin: Wer hat hier geliefert in den letzten Jahren und wer schreibt sich nur Sonntagsforderungen auf die Plakate?“

Ihre Aufgabe ist es, „mit wenig Geld einen wirkungsvollen Wahlkampf auf die Beine zu stellen". Wie geht man das an? Worauf setzt man? Wofür fehlt das Geld?
Wir müssen stark fokussieren. Wir werden uns, wie beim EU-Wahlkampf, auf den Online- und Social-Media-Bereich fokussieren, weil man hier die Menschen sehr effizient mit den Botschaften erreicht. Wir werden wieder eine oder zwei Plakatwellen haben - aber nur Kleinflächen, das ist schon ein großer Unterschied zu anderen Parteien. Und wir werden uns wieder keine klassischen Printinserate leisten können.

»2017 sind schon viele Fehler passiert, die wir so jetzt nicht machen. «

Bei der letzten Nationalratswahl 2017 sind die Grünen aus dem Nationalrat geflogen. Was wurde damals falsch gemacht – und was machen Sie jetzt anders?
Das war eine Verkettung mehrerer Faktoren: Einerseits der schlecht gehandelte Konflikt mit der eigenen Jugendorganisation, natürlich auch der von ihm selbst gewählte Ausstieg von Peter Pilz und die Gründung der Liste Pilz. Und im Wahlkampf kann man schon sagen, dass es wenig Fokus gab. Obwohl das Klimathema damals schon relevant war, war die Kampagne sehr breit gefächert und keine klare Botschaft erkennbar, wofür man die Grünen hätte wählen sollen. Da sind schon viele Fehler passiert, die wir so jetzt nicht machen.

Die FPÖ hat mit „unzensuriert“ und Co. eigene Medien, Peter Pilz hat vor kurzem „Zackzack“ gestartet, die SPÖ hat den „Kontrast“. Denken die Grünen auch ein eigenes Medium an?
Das ist natürlich die Zukunft und alle tun es und wir werden uns das auch intensiv überlegen, sollten wir wieder in den Nationalrat einziehen.

Was kann Werner Kogler besser als seine KonkurrentInnen?
Werner Kogler steht seit Jahrzehnten für saubere Politik, für Korruptionsbekämpfung, für transparente Politik und für das Zusammenspiel von Wirtschaft und Umwelt und da hat er ein klares Alleinstellungsmerkmal in Österreich. Er ist glaubwürdig, authentisch und bodenständig.

Polit-Expertin Kathrin Stainer-Hämmerle sagte im News.at-Interview: „Werner Kogler ist eine sehr starke Marke, aber ich glaube ein bisschen mit der Gefahr der Abnutzung.“ Besteht diese Gefahr?
Diese Gefahr würde bestehen, wenn die Grünen nur auf Werner Kogler setzen würden. Wir haben Kogler als Spitzenkandidat, der für ganz viele Themen steht und diese prägt, aber wir haben auch viele andere Menschen, die neben ihm und mit ihm für die Sache kämpfen.

Haben ihm potenzielle WählerInnen jemals übel genommen, dass er als Euorpa-Kandidat nicht nach Brüssel ging?
Niemand konnte mit diesem Ibiza-Skandal rechnen und die Grünen mussten einfach auf die aktuellen Ereignisse reagieren - und es gab ein ganz klares Votum aus der Parteibasis, dass Werner Kogler die Spitzenkandidatur für die Nationalratswahl machen soll. Was ich jetzt an Rückmeldungen bekomme, wünschen sich unsere WählerInnen mit einem Spitzenkandidaten Werner Kogler ein starkes Signal für saubere Umwelt und saubere Politik.

»Es war klar, dass wir keinen Schritt in die Vergangenheit und ein gemeinsames Projekt mit Peter Pilz machen.«

Was ist aus der nach der EU-Wahl kolportierten möglichen Kooperation mit Peter Pilz/Liste Jetzt geworden? Woran ist es gescheitert?
Eine Kooperation war nie im Gespräch. Natürlich gab es viele Gespräche - auch mit der Zivilgesellschaft. Mit Maria Stern hat Werner Kogler informell darüber gesprochen, wie sie sich ihre Zukunft und wie wir uns unsere Zukunft vorstellen. Es war aber von vorn herein klar: wir kandidieren als Grüne. Die Grünen stehen für die Zukunftsthemen und es war klar, dass wir keinen Schritt in die Vergangenheit und ein gemeinsames Projekt mit Peter Pilz machen.

Dazu auch interessant: Peter Pilz im Interview über Grünen-Kooperation und warum es die Liste Jetzt braucht

Wenn die Grünen den Wiedereinzug schaffen und sich die Möglichkeit einer Koalition mit der ÖVP (und den NEOS) ergibt. Wären Sie demgegenüber offen?
Wir müssen erst einmal wieder rein!

Ausgehend davon, dass das gelingt…
In der aktuellen Situation, ausgehend von der mangelhaften türkisen Klimaschutz- und Sozialpolitik, die Sebastian Kurz in den letzten eineinhalb Jahren gemacht hat, ist eine Zusammenarbeit mit dieser türkisen Truppe sehr schwer vorstellbar.

Sollten Sie nach der Wahl zu Gesprächen eingeladen werden, sind Sie aber gesprächsbereit?
Natürlich, das ist ja das Wesen einer Demokratie. Da schauen wir nach der Wahl, welche Mehrheiten sich rechnerisch ausgehen würden. Sondierungsgespräche muss man jedenfalls führen, wenn man sich als Partei oder politische Bewegung ernst nimmt.