Gregor Mendel und die Erbsen

Ein Österreicher als Vater der Genetik

von Gregor Mendel © Bild: imago images/Sovfoto \ UIG

Vor 200 Jahren, im Juli 1822, wurde einer der wichtigsten Forscher der Grundlagen moderner Genetik und Vererbungslehre in Heinzendorf geboren, einer winzigen Ortschaft im damaligen Österreich-Schlesien, etwa drei Stunden nördlich von Wien. Mit seinen Eltern, Anton und Rosina Mendel, einer jüngeren und einer älteren Schwester lebte Johannes Mendel den schwierigen Alltag einer Kleinbauern-Familie, wo selbst Kinder vom frühesten Alter an in der Landwirtschaft mitarbeiten mussten. Der kleine Mendel, schrieb er später in einer Biografie, war von Anfang an fasziniert von der Veredelung der Obstbäume, überredete den Vater, weniger auf den Feldern aushelfen zu müssen und übernahm die alleinige Verantwortung für die Obstgärten.

In der Dorfschule saßen die verschiedenen Altersgruppen gemeinsam in den wenigen Klassen. Mendel war selbst älteren Kindern weit voraus mit seinen schulischen Leistungen, sodass ihn der Lehrer nach Troppau ins Gymnasium schickte - ungewöhnlich in Heinzendorf, wo Kinder oft die Dorfschule nur selten besuchten, weil sie am elterlichen Bauernhof mithelfen mussten.

Gymnasium

Mit 16 Jahren, als Gymnasiast, war Mendel auf sich selbst angewiesen. Von den Eltern bekam er kaum Unterstützung. Er arbeitete als Privatlehrer und gab Nachhilfeunterricht. Nach einer Verletzung des Vaters forderte die Familie den Gymnasialschüler auf, seine Ausbildung abzubrechen und zurück nach Heinzendorf zu kommen. Seine Schwester Theresia rettete ihn mit dem Verzicht ihres Erbanteils, sodass der Schwager den Hof übernehmen konnte. Mendel begann mit dem Philosophie-Studium an der Universität Olmütz, den Hof hatte er zugunsten seiner akademischen Laufbahn der Familie der Schwester überlassen. Als jedoch die Schwester ihn nicht mehr unterstützen konnte, musste er verarmt und besitzlos das Studium aufgeben. Es blieb ihm nichts anderes übrig, als sich beim Kloster St. Thomas als Ordensmann zu bewerben.

Außer einem Dach überm Kopf und den täglichen Mahlzeiten bot ihm das Kloster einen weiteren unersetzbaren Vorteil - eine riesige Bibliothek, die auch neu publizierte Bücher erwarb. Obwohl die Kirche damals der modernen Evolutionstheorie äußerst kritisch gegenüberstand, fand Mendel die Werke von Charles Darwin und anderen Vertretern der modernen Biologie in der Bibliothek. Historiker entdeckten Bücher in der heute noch existierenden Bibliothek mit Mendels handschriftlichen Bemerkungen auf den Buchseiten.

Kloster

Im Kloster erhielt er den Ordensnamen Gregorius und nannte sich von nun an Gregor Mendel. 1847 empfing er die Priesterweihe. Seine kirchlichen Vorgesetzten erkannten bald, dass Mendel sich kaum als Priester eignete. Statt sich auf die heiligen Schriften zu konzentrieren, verbrachte er die Tage in den Gärten des Klosters mit Experimenten und Studien. Sie schickten ihn als Aushilfslehrer an das K.K. Gymnasium nach Znaim. Ein Priester, der sich mit Kreuzungstechniken, Auslese und Samenvermehrung in der Obstbaumzucht und im Weinbau beschäftigte, war keinem der Ordensbrüder geheuer.

Er versuchte es als Gymnasiallehrer, scheiterte bei der Aufnahme für das Lehramt und schaffte auch nicht die Zulassung an der Universität Wien. Spätere Biografen, die Mendels eingereichte Arbeiten untersuchten, kamen zu dem Schluss, dass die honorigen Professoren einem Mönch das Studium nicht zutrauten. Erst die Intervention seines Abts, Cyrill Napp, ermöglichte es Mendel, 1851 bis 1853 in Wien Botanik und Physik zu studieren, ohne jedoch das Studium abzuschließen. 1856 fiel er wieder durch bei der Lehramtsprüfung. Dieses Scheitern war vielleicht sein großes Glück.

Er beschloss, seine Untersuchungen ohne Abschluss eines Studiums, ohne akademischen Grad und eindrucksvolle Titel, fortzusetzen -der Begründer der modernen Genetik war nie ein Herr Doktor oder Herr Professor. Zehn Jahre lang züchtete und untersuchte er tausende verschiedene Erbsen. Er wählte Erbsen, weil sie unterschiedliche Samenfarben, Blütenformen und Blütenfarben haben. So konnte er bei Kreuzungen die Vererbung typischer Merkmale beobachten.

1866 veröffentlichte er die bis heute gültigen 'Drei Mendelschen Regeln' - die Grundlagen der Genetik und Vererbungstheorie -in einer zu seiner Zeit weitgehend ignorierten 40-seitigen Publikation. Es hatte jedoch keinen Einfluss auf sein Selbstbewusstsein. Den Vorgesetzten im Kloster sagte er angeblich: "Meine Zeit wird schon noch kommen!"

Drei Regeln

1. Uniformitätsregel: Befasst sich mit der Vererbung von Merkmalen an die erste Nachfolgegeneration, von Eltern an ihre Nachkommen. Erbsen haben ebenso Vater-und Mutterpflanzen, mit denen Mendel experimentierte. Wenn Eltern zum Beispiel unterschiedliche Augenfarben haben, sind die Augenfarben der Kinder kein Zufall. Es setzt sich ein dominantes Merkmal durch. Haben reinerbige Eltern blaue und braune Augen, so haben alle Nachkommen der ersten Generation entweder alle blaue oder alle braune Augen. Für die Bezeichnung eines 'Merkmals' wurde später der Begriff 'Gen' eingeführt.

2. Spaltungsregel: Bleiben wir bei dem Beispiel der Augenfarben. Die Nachkommen der mischerbigen Kinder, einer blauäugige Mutter und eines braunäugigen Vaters -alle zum Beispiel mit braunen Augen -haben zu einem Viertel blaue und zu Dreiviertel braune Augen. Die Information über die blauen Augen geht nicht verloren und setzt sich in der nachsten Generationen durch -im Verhältnis 3:1. So kann das Enkelkind die blaue Augenfarbe der Großmutter haben, auch wenn die Eltern beide braune Augen haben.

3. Unabhängigkeitsregel: Zwei Merkmale, zum Beispiel Augenfarbe und Haarfarbe werden unabhängig voneinander weitergegeben, ohne gegenseitigen Einfluss. Mendels Experimente zeigten, dass die einzelnen Merkmale parallel zueinander vererbt werden. Das bedeutet, dass Regel eins und zwei für jedes Merkmal, jedes Gen, gesondert betrachtet werden muss.

Wetter

Im Zusammenhang mit seiner Erbsenzucht musste Mendel sich notwendigerweise mit der Beobachtung des Wetters beschäftigen. Er meldete die lokalen Klimaveränderungen regelmäßig an die 1851 gegründete "Zentralanstalt für Meteorologie und Erdmagnetismus" in Wien. Sie ist der älteste Wetterdienst der Welt, erstellt seit 1. Juli 1865 eine tägliche Wetterkarte. Mendel übermittelte der Zentralanstalt ausführliche Wetterbeobachtungen, so etwa "Gewitter und Wolkenbruch" am 7. August 1857. Prälat Cyrill Franz Napp, der Abt des Stifts St. Thomas, der Mendels Forschungen im Kloster unterstützt hatte, starb 1867. Als Nachfolger wählten die Augustiner im März 1868 mit elf von zwölf Stimmen Gregor Mendel. Er starb 1884, ohne Würdigung und Anerkennung seiner Forschungsergebnisse durch die Wissenschaft. Erst um 1900 wurden seine Erkenntnisse wiederentdeckt und ihr Wert erkannt. Beim Raps zum Beispiel ist es in den 70er-Jahren gelungen, aus einem bitteren Lampenöl ein hochwertiges Speiseöl zu erzeugen. Raps-Pflanzen wurden nach Mendels Ideen gezüchtet, bis ein milder Geschmack und größerer Ertrag erreicht werden konnte. Wissenschafter versuchen heute, Pflanzen genetisch zu verändern, um ihren Widerstand gegen Krankheit und Trockenheit zu verbessern und mit größeren Erträgen die Ernährung in der Zukunft zu sichern.

Gregor-Mendel-Medaille

Nach dem Tod Mendels ließ der Nachfolger als Abt seinen Nachlass auf dem Klosterhof verbrennen. Das gesamte unveröffentlichte Forschungsmaterial, Tagebücher und seine persönlichen Aufzeichnungen wurden vernichtet. Übrig blieben Briefe und einige wenige Veröffentlichungen.

Respekt und Ehrungen erreichten Mendel nicht zu seinen Lebzeiten. 1910 wurde in Lund (Schweden) die Mendelska Sällskapet (Mendelsche Gesellschaft) gegründet. Das Hauptgebäude der Universität für Bodenkultur Wien erhielt 1960 den Namen Gregor-Mendel-Haus. Seit 1965 wird die Gregor-Mendel-Medaille für hervorragende Pionierleistungen auf dem Gebiet der allgemeinen Biologie vergeben, die Brünner Hochschule für Landwirtschaft wurde 1995 in Mendel-Universität umbenannt.