Der Kampf um das
Murkraftwerk geht weiter

Tausende Bäume wurden bereits gefällt, doch die Gegner geben nicht auf

Ein Bürgermeister, der vom vehementen Gegner zum Befürworter wurde, ein Dialogbüro, das nicht in Dialog tritt und eine Fundstätte ohne Fundstücke: Eine Übersicht paradoxer Ereignisse rund um das umstrittene Murkraftwerk.

von Graz - Der Kampf um das
Murkraftwerk geht weiter © Bild: Alexander Danner

Was bisher geschah: Letzten Montag begannen die Rodungen an den Murufern im Auftrag der Energie Steiermark. Bis Mitte März sollen hier insgesamt 8.000 Bäume gefällt werden. Für ein Kraftwerk, das die Steiermark an gerade einmal vier Tagen im Jahr mit Strom versorgen kann. Und das zu einem hohen Preis – den hauptsächlich die Natur zu zahlen hat. Doch auch dem Stromnutzer kommt das Kraftwerk teuer zu stehen. Grund dafür sind die hohen Investitionskosten von 110 Millionen Euro. Mit 1,52 Euro pro Kilowattstunde wird ab 2019 hier Österreichs teuerster Strom aus Wasserkraft produziert. Gegner sehen das Kraftwerk als größtes Verbrechen an Mensch und Natur seit Jahrzehnten in Graz.

© Andrea Feierl Tausende Bäume wurden bereits gerodet

Vom Kraftwerksgegner zum Befürworter

Dieser Tage ist eine der wohl spannendsten Informationen rund um das Thema Murkraftwerk ans Licht getreten. In einem Artikel des Nachrichtenportals news.orf.at ist nachzulesen, wie sich der Grazer Bürgermeister Sigfried Nagl 2008 dem Bau neuer Kraftwerke kritisch gegenüber äußerte. Ein Zitat sticht dabei besonders hervor und ging auf Facebook auch gleich viral: „In Österreich und der Steiermark gibt es keine Energiepolitik mehr, sondern nur ein Energie-Management. Statt in nachhaltige Energie zu investieren, wird nur überlegt, wo man neue Kraftwerke hinbauen könnte, um Geld zu verdienen".

»Statt in nachhaltige Energie zu investieren, wird nur überlegt, wo man neue Kraftwerke hinbauen könnte, um Geld zu verdienen.«

Hier spricht sich Nagl dezidiert gegen das Murkraftwerk aus, das zu dieser Zeit schon in Planung war. Als der Umweltsenat des Bundes 2012 dem Bau des Murkraftwerks zugestimmt hat, zeigte er sich jedoch erfreut und machte sich für das Projekt stark: "Ich freue mich sehr, dass mit diesem Bescheid festgestellt wird, dass Energiegewinnung - nachhaltig - aus Wasserkraft besonders umweltverträglich ist.“ Auch das kann hier immer noch nachgelesen werden. Die Frage, warum Nagl 2008 gegen einen Kraftwerksbau, ein paar Jahre später aber dafür war, blieb von seinem Pressesprecher jedoch unbeantwortet.

Gewalt gegen Aktivisten?

Seit mehr als einer Woche protestieren Aktivisten jetzt schon gegen das Kraftwerk und tun alles, um den Bau zu stoppen. Selbst wenn das bedeutet, sich mit einem Bagger anlegen zu müssen. Als am Dienstag Bagger anrückten, um sperriges Holz- und Felsgut aus der Mur zu heben, versuchten Demonstranten die Arbeiten zu behindern. Doch der Baggerfahrer, sichtlich unbeeindruckt, holte einen großen Felsbrocken aus dem Fluss und ließ ihn direkt neben einem Aktivisten wieder zurück ins Wasser fallen.

Nach den Räumungen Freitagfrüh wurde das „Murcamp“ verlegt. Laut Polizei waren rund 70 Aktivisten am Baustellengelände. Dort hatten sie Zelte aufgebaut und waren auf Bäume geklettert. Ihre Forderungen: Mehr Zeit, um Anliegen in der Stadtsenatssitzung einzubringen, gemeinsame Begutachtung der Baustelle mit den Stadtsenat, die Verlegung des Camps auf eine ungerodete Stelle an der Mur sowie die Veröffentlichung der Namen der ökologischen Bauaufsicht. Der verantwortliche Bürgermeister Sigfried Nagl ließ sich zwar nicht blicken, eine Verlegung wurde jedoch genehmigt. Die Energie Steiermark sagte außerdem zu, die Namen zu veröffentlichen. Während seitens der Polizei von einer ruhigen Verlegung gesprochen wurde, hieß es in einer Aussendung des „Murcamps“, dass es sehr wohl zu Gewalt gegen Aktivisten gekommen wäre.

© Franz Keppel

Wie die Kronen Zeitung berichtete, wies der Vorstandssprecher der Energie Steiermark, Christian Purrer, alle Vorwürfe seitens der Kraftwerkgegner zurück. Er meint, es sei zu keiner Gewaltanwendung gekommen: „Das ist reine Panikmache der Aktivsten“. Auch seien weder Tiere in Gefahr gebracht noch gesetzliche Vorgaben übertreten worden. Die Unterstützer der Bürgerinitiative „Rettet die Mur“ sehen das nicht so: „Es wurden gesetzliche Auflagen nicht erfüllt, die von der Umweltbehörde vorgeschrieben sind. Beispielsweise wurde die streng geschützte Würfelnatter nicht fachgerecht abgesammelt. Auch auf der Baustelle gab es bereits mehrere Vorfälle. Vor allem, was die Sicherheitsbestimmungen betrifft. Es wurde unmittelbar neben Passanten am Radweg gerodet, gestern ist Öl in den Fluss ausgetreten, da Fahrzeuge zu nahe am Wasser getankt wurden und es wurde trotz Regen und rutschigem Boden gefällt.“

Das „Dialogbüro“

Laut „Dialogbüro Murkraftwerk Graz“ sind die Rodungsarbeiten der Energie Steiermark zum Murkraftwerk bereits abgeschlossen. „Eine weitere Lüge“, sagen die Aktivisten des Murcamps. Denn die Rodungsarbeiten zum Speicherkanal gehen weiter und werden einfach von einer anderen Firma durchgeführt. Bis zum Andreas-Hofer-Platz sollen noch weitere Bäume gefällt werden. „Was soll ich jetzt glauben?“ fragt ein besorgter Facebook-Nutzer. Antwort erhält er vom „Dialogbüro“ keine.

Fundstätte ohne Fundstücke

Die Rodungen sind jedoch auch aufgrund eines ganz anderen Aspekts bedenklich: Der gesamte Baubereich des Kraftwerks ist im Flächenwidmungsplan als archäologische Bodenfundstätte definiert, da sich hier das nationalsozialistische Lager Liebenau befand. Bei einem Bodenfund aus dieser Zeit hätte umgehend ein Baustopp zu erfolgen.

© Franz keppel

Natürlich versicherte die Energie Steiermark auf Bodenfunde zu achten, laut dem Sozialmedizinischen Zentrum Liebenau scheint es sich hierbei jedoch eher um ein Lippenbekenntnis zu handeln: „Das ganze Gebiet wird von Securities und Polizei überwacht, eine zivilgesellschaftliche Beobachtung der Baggerarbeiten ist dadurch nicht möglich. Dass bis dato noch keine Funde gemeldet wurden, lässt darauf schließen, dass diese nicht gemacht werden sollen, da sonst ein Baustopp verfügt werden könnte. Es ist absolut undenkbar, dass in dem riesigen Gebiet bisher nichts aufzufinden war“. In einer Presserklärung fordert das SMZ-Liebenau die Energie Steiermark sowie die Stadt Graz daher auf, Beobachter der Zivilgesellschaft zuzulassen.

Noch nicht alles verloren

Nach wie vor fordern die Kraftwerksgegner eine Volksbefragung, dafür sei es laut Celemens Könczöl, dem Sprecher der Bürgerinitivative „Rettet die Mur“, noch nicht zu spät. Die bisher gerodeten Flächen könnten noch für andere Projekte genutzt werden: „Auch, wenn viele Bäume schon gefallen sind, es ist noch nicht alles verloren!“

Kommentare

Versenkt die Bagger samt Verantwortliche!! Wo bleiben die "Grünen", diese Wichtigmacher und Nichtskönner?? Nur überall dagegen reden und Null Vorschläge!! Eine Schande und die abgehobene Glawischnig, fern jeglicher Realität, sollte schnell sich einen anderen Job suchen, in dem sie vielleicht etwas leistet !!

...was auch immer... die Betreiber der vorhandenen thermischen Kraftwerke (Öl, Gas, Kohle) bedanken sich herzlich dafür :-(

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