Grasser nur nett,
wenn er was brauchte

Am 85. Tag im Grasser-Prozess zeichnete ein früherer Spitzenbeamter im Finanzministerium ein wenig schmeichelhaftes Bild seines früheren Chefs, Karl-Heinz Grasser - nachdem Zeugen zuvor erzählt hatten, dass der Minister bei den Mitarbeitern sehr beliebt war.

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Grasser-Prozess - Grasser nur nett,
wenn er was brauchte

Grasser sei lediglich nett gewesen wenn er etwas wollte, konnte aber sehr unangenehm werden wenn er das nicht bekam, so Gerhard Steger.

Grasser verlangte unmögliche Dinge

Steger war von 1997 bis März 2014 Leiter der Budgetsektion im Finanzministerium. Dass sich Grasser besonders um seine Mitarbeiter gekümmert hätte, wie dessen frühere Kabinettsmitarbeiter ausgesagt hatten, kommentierte er heute im Wiener Straflandesgericht so: "Mir kommen die Tränen." Er habe definitiv andere Wahrnehmungen. Grasser sei sehr fordernd und unter Druck setzend gewesen, er habe Dinge von Mitarbeitern verlangt, die man gar nicht verlangen habe können.

Beispiel für Grassers Verhalten

Der Erstangeklagte Grasser verfolgte die Ausführungen des Zeugen - wie bei allen anderen Zeugenaussagen auch - über weite Strecken nur nebenbei und arbeitete in seinen Unterlagen. Als der Zeuge allerdings erklärte, er könne das Verhalten Grassers gegenüber Untergebenen an einen Beispiel erklären, wurde er hellhörig. Der Zeuge schilderte dann von einer hochbegabten neuen Mitarbeiterin, die temporär zur EU-Präsidentschaft 2006 ins Ministerium geholt wurde. Man wollte die Beschäftigte nach der Präsidentschaft im Ministerium halten, aber als sie sich weigerte ins Kabinett Grasser zu gehen, habe sie das Ministerium verlassen müssen.

"Charakterbild" von Grasser

Steger war Mitglied der Vergabekommission für die Bundeswohnungen. Zu den Kommissionssitzungen im Jahr 2004 hatte der Zeuge nach 15 Jahren kaum noch konkrete Erinnerungen. Er betonte aber, bei seinen Einvernahmen durch die Ermittlungsbehörden die Wahrheit gesagt zu haben - und damals sei seine Erinnerung noch besser gewesen. An den Vorfall mit der jungen Kollegin könne er sich deshalb erinnern, weil dies ein "Charakterbild" von Grasser gewesen sei.

Steger betonte, dass es bei den Kommissionssitzungen zur Vergabe der Bundeswohnungen (u.a. BUWOG) sehr wohl formale Vorgaben gegeben habe, an die man sich zu halten gehabt habe - "sonst braucht man sie ja nicht", sagte er heute, Dienstagvormittag, zu Richterin Marion Hohenecker. Zuvor hatten Zeugen ausgesagt, dass eine entscheidende Sitzung nicht protokolliert wurde. Nicht einmal die anwesenden Personen wurden erfasst, bis heute will niemand der Zeugen genau wissen wer zu der Sitzung, bei der eine zweite Bieterrunde beschlossen wurde, eingeladen hat.

2. Bieterrunde war Grasser-Entscheidung

Ohne der zweiten Bieterrunde wäre das letztlich siegreiche Österreich-Konsortium rund um die Immofinanz und die RLB OÖ leer ausgegangen, denn nach der ersten Bieterrunde lag der Konkurrent CA Immo vorne. Laut bisherigen Zeugenaussagen traf letztendlich Grasser die Entscheidung, dass es ein zweites Bieterverfahren geben soll. Dieses war dann vorgesehen, wenn die Angebote sehr nahe beieinander lagen. Nach der ersten Bieterrunde war das allerdings nicht der Fall, nach der zweiten Bieterrunde schon. Danach gab es aber keine dritte Bieterrunde.

Zeugin: Mission war Bundeskanzleramt

Eine seinerzeit stellvertretende Sektionschefin im Finanzministerium hat heute im Grasser-Prozess im Zeugenstand zahlreiche Ungereimtheiten bei der Privatisierung der Bundeswohnungen im Jahr 2004 festgestellt. So wurde ihr der Buwog-Akt, für den sie zuständig war, abgenommen. Und zwar von Grassers Kabinettschef Matthias Winkler, dem sie heute eine zentrale Rolle in der Causa Buwog zuschrieb.

Und sie beschrieb ausführlich, auf welcher Mission sich der damalige Finanzminister Karl-Heinz Grasser und sein Kabinettschef Winkler ihrer Einschätzung nach befunden hätten: Grasser sollte Bundeskanzler einer wirtschaftsliberalen Regierung werden. Winkler, der bereits als Zeuge ausgesagt hatte und seine Rolle im Kabinett Grasser sehr kleinredete - was zwei Mitangeklagte erzürnt dazu veranlasste, diesem im Gericht zu widersprechen - sei es nicht um Geld gegangen, sondern um Macht und Einfluss, so die Zeugin S.

Weiters schilderte sie, dass sie gleich mehrmals bei der Buwog-Privatisierung stutzig wurde. Zum einen sei ein Vorkaufsrecht Kärntens nicht rechtlich gültig vereinbart worden, zum anderen habe sie eine Aussage des damaligen Ex-Kabinettschefs Heinrich Traumüller stutzig gemacht, der nach der Anbotsöffnung für die Bundeswohnungen zu ihr meinte, dass man nun "ein Problem" habe und hektisch ins Büro von Winkler ging. Sie habe bis zu dem Zeitpunkt immer gedacht, dass es bei dem Kauf lediglich um den besten Preis gegangen sei, aber offensichtlich hätten auch andere Faktoren mitgespielt. "Offenbar gab es noch etwas anderes als die Maximierung des Kaufpreises." Bei Winkler und Traumüller habe hohe Anspannung geherrscht.

Vieles anders gelaufen, als üblich

Als Finanzexpertin sei ihr aufgefallen, dass beim Berater Lehman vieles anders gelaufen sei als das international üblich sei, so die Zeugin zur Richterin Marion Hohenecker. Der "letzte Mosaikstein" sei dann gewesen, als ein Mitarbeiter zu ihr gekommen sei und bemerkt habe, dass die Zahlen im Buwog-Akt nicht übereinstimmten. Sie habe das Winkler mitgeteilt und Lob ob ihrer Aufmerksamkeit erwartet. Statt dessen habe ihr Winkler den Akt, für den sie zuständig war, abgenommen und sie habe ihn nie wieder gesehen.

Ihrer Meinung nach habe Grasser keine Entscheidung ohne Abstimmung mit Winkler getroffen. Winkler sei der "Mastermind" Grassers gewesen. Winkler hatte das bei seiner Zeugeneinvernahme im Februar anders dargestellt: Er sei in die angeklagten Causen nicht eingebunden gewesen, sondern für die strategische Beratung zuständig gewesen.

In dem Akt sei ersichtlich gewesen, dass das, was der Öffentlichkeit an Kaufpreis vermittelt wurde, nicht mit der Aktenlage übereinstimmte. "Es hat sich bei mir ein ungutes Gefühl verdichtet", so die Zeugin unter Wahrheitspflicht. Sie habe im Nachhinein überlegt, ob sie nicht Anzeige hätte erstatten sollen. Letztendlich habe sie aber Angst gehabt, selbst zur Rechenschaft gezogen zu werden.

Eigenartige Rolle des Beraters Lehman

Eigenartig erschien ihr auch die Rolle des Beraters Lehman, von dem sie sich mehr Gedanken zum Verkaufsprozess erwartet hatte. Der Einschätzung anderer Zeugen, dass das Zinsrisiko so wichtig gewesen wäre, widersprach die Zeugin: Damals, vor der Finanzkrise, sei das Zinsrisiko nicht so volatil gewesen wie später. Dass es beim Zuschlag für die Privatisierung der Bundeswohnungen aufgrund von Zinsschwankungen schnell gehen musste, wie Verteidigung und einige Zeugen meinten, konnte die Zeugin heute nicht nachvollziehen. Die Schwankungen seien durchaus überschaubar gewesen.

Im Finanzministerium beobachtet habe sie damals den Lobbyisten Peter Hochegger und den Immobilienmakler Ernst-Karl Plech. Die beiden Letztgenannten sind in dem Prozess ebenfalls angeklagt. Den Zweitangeklagten Walter Meischberger habe sie hingegen kaum wahrgenommen.

Vor Beginn der Einvernahme der Zeugin musste erst noch eine Erklärung des Finanzministeriums eingeholt werden, dass auf die Amtsverschwiegenheit bei der Befragung verzichtet werde.

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