Anzeige gegen
Grasser-Anwalt?

KHG-Anwalt Ainedter sprach unerlaubterweise Schöffen an - heutiger Prozesstag fällt aus

Gegen den Grasser-Anwalt Manfred Ainedter prüft die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft derzeit eine Anzeige. Eingebracht sei allerdings noch keine. Anlass dafür sei, dass der Anwalt den Schöffen in der Pause der gestrigen Verhandlung zu verstehen gegeben habe, dass er über Teile ihres Privatlebens Bescheid wisse.

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Mit einer scharfen Rüge der Richterin Marion Hohenecker für Grassers Verteidiger Manfred Ainedter hat der gestrige Verhandlungstag begonnen. Der Anwalt habe die Schöffen (Laienrichter) angesprochen und ihnen zu verstehen gegeben, dass man über ihr Privatleben recherchiert habe, kritisierte die Richterin. Dies sei nicht erlaubt. Ainedter meinte, es sei "nur Smalltalk" gewesen.

Gespräch trotz Ablehnung weitergeführt

Die beiden Schöffen und zwei Ersatzschöffen gaben laut Richterin zum gestrigen Verhandlungstag zu Protokoll, dass Ainedter sie in einer Pause angesprochen habe. Obwohl sie ein Gespräch mit ihm ablehnten mit dem Verweis darauf, dass das nicht erlaubt sei, habe Ainedter weiter mit ihnen reden wollen und ihre familiäre Freizeitgestaltung und berufliche Vergangenheit erwähnt. "Herr Doktor, Sie wissen aus ihrer langjährigen Erfahrung, dass das nicht geht", so die Richterin.

Der Sektionschef der Strafrechtssektion im Justizministerium, Christian Pilnacek, stuft das Verhalten von Grassers Rechtsanwalt als fragwürdig ein. "Ich halte das Ganze für sehr wenig geschickt", sagte der Spitzenjurist am Donnerstag zu Ainedter Vorgehen. Zwar denke er nicht, dass man hier beim Anwalt von Grasser den Verdacht einer Straftat wie "Nötigung" habe, "aber möglicherweise doch ein Verhalten, das vor dem Hintergrund des Standesrechts zu überprüfen ist", sagte Pilnacek. Dafür wäre die Rechtsanwaltskammer Wien zuständig.

Ainedter erklärt Vorgehen

Gegenüber dem Ö1-Morgenjournal des ORF-Radio Donnerstagfrüh hatte Ainedter dann erklärt, er habe, nachdem er die Namen der Schöffen erfahren habe, eine Google-Recherche durchgeführt, um allfällige Befangenheiten von Schöffen feststellen zu können. "Aus meiner Sicht ist das Ganze ein sehr sensibler Punkt", führte Pilnacek aus. "Das hätte nicht in einer Pause passieren sollen, sondern wenn ich als Verteidiger etwas wissen will, um mögliche Befangenheiten von Schöffen feststellen zu können, müsste ich das in einer Verhandlungssituation vorbringen." Ein allgemeines Verbot der Kontaktaufnahme eines Verteidigers mit Richter, Staatsanwalt oder Laienrichtern gebe es nicht. Ob ein Gespräch allerdings eine - verbotene - Einschüchterung darstelle, müssten die zuständigen Stellen jeweils im Einzelfall prüfen, erläuterte der Sektionschef.

Grasser-Anwalt soll angezeigt worden sein

Wie der Kurier am Donnerstag ohne Quellenangabe berichtet, soll nun eine Anzeige gegen Grassers Anwalt, Manfred Ainedter vorliegen. Demnach sei bereits die erste disziplinarrechtliche Anzeige gegen Ainedter bei der Rechtsanwaltskammer eingelangt.

Der Präsident der Disziplinarkommission in der Kammer, der Rechtsanwalt Herbert Gartner, wird von der Zeitung folgendermaßen zitiert: "Es gibt allerdings interne Standesrichtlinien. Und die sehen vor, dass man bei der Kontaktaufnahme mit Zeugen und Schöffen eines vermeiden muss: den Anschein jeder Beeinflussung."

Disziplinarfälle genau prüfen

Generell ist das Disziplinarverfahren für Rechtsanwälte sehr ausgefeilt. Eine Disziplinaranzeige gegen eine Anwältin oder einen Anwalt wird dem Kammeranwalt der Anwaltskammer vorgelegt, der sie als erster prüft. Der Kammeranwalt ist eine Art staatsanwaltliche Behörde innerhalb des Disziplinarrats. Der Kammeranwalt kann den Antrag auf Bestellung eines Untersuchungskommissärs stellen, worüber dann der Disziplinarratspräsident, also bei der RA-Kammer Wien Dr. Gartner, entscheidet. Sollte er zustimmen bestellt er einen Untersuchungskommissär, der im Vorverfahren ermittelt und einen Bericht erstellt. Dann entscheidet ein dreiköpfiger Senat, ob genügend Substrat für eine mündliche Verhandlung vorliegt, oder der Fall eingestellt wird.

Gegen einen Einstellungsbeschluss kann der Kammeranwalt ein Rechtsmittel erheben, darüber entscheidet der Oberste Gerichtshof (OGH). Wenn der Senat ein Verfahren einleitet, gibt es eine mündliche Disziplinarverhandlung, wo der Fall mit Zeugen und Beweismitteln verhandelt wird. Das Erkenntnis kann vom Freispruch bis zur Streichung von der Anwaltsliste gehen. Die höchste Strafe ist die Streichung von der Anwaltsliste, etwa bei Betrug oder Veruntreuung von Klientengeldern. Die geringste Strafe ist ein Verweis. Dazwischen gibt es Abstufungen je nach Schwere des Verschuldens, etwa Geldstrafen bis zu 45.000 Euro.

Meischberger wäre heute am Wort gewesen

Die heutige Verhandlung im Buwog-Prozess gegen Ex-Finanzminister Karl-Heinz Grasser und andere fand nicht statt. Ein Beisitzer sei erkrankt, teilte die Sprecherin des Landesgerichts Wien, Christina Salzborn, mit.

Ohne die Absage wäre um 9:30 Uhr im Großen Schwurgerichtssaal des Wiener Straflandesgerichtes einmal mehr der einzige Teilgeständige, der viertangeklagte Ex-Lobbyist Peter Hochegger, von den Verteidigern der Angeklagten schwer unter Beschuss genommen worden. Am Wort wäre heute als Erster der Verteidiger des Zweitangeklagten Ex-FPÖ-Spitzenpolitikers Walter Meischberger.

Wie am gestrigen Verhandlungstag bekannt wurde, soll Meischberger am 15. Dezember im Gerichtssaal, als durchgesickert war, dass Hochegger möglicherweise ein Geständnis ablegt, zu diesem gesagt haben: "Peter, das kannst du nicht machen, wo wir jetzt so gut liegen". Replik von Hochegger, der sich nach einer abgesessenen Haft in einer anderen Korruptionscausa vor dem Richtersenat geläutert gibt: "Es gibt kein 'Wir'. Jeder ist für seine Vergangenheit selbst verantwortlich."

Ob Meischberger wirklich diesen Satz gesagt hat, wird er in seiner, noch ausstehenden Vernehmung, wohl darlegen müssen. Beobachtet wurde, dass Meischberger vor dem Eröffnungsplädoyer von Hocheggers Verteidiger zu seinem ehemaligen Freund Hochegger hingegangen ist und diesen angesprochen hat.

Meischberger wird, ebenso wie Hochegger, von einem Pflichtverteidiger vertreten.

Fortsetzung am Mittwoch

Derzeit geht das Straflandesgericht von einer planmäßigen Fortsetzung des Prozesses am Mittwoch, den 17. Jänner, aus. Am Tag darauf soll weiterverhandelt werden, wie auch in der Woche darauf. Bis auf Hochegger haben sich bisher alle Angeklagten "nicht schuldig" bekannt.

Der Beisitzende Richter ist nicht der erste Krankheitsfall im Grasser-Prozess: Dienstag und Mittwoch dieser Woche fehlte der angeklagte Schweizer Vermögensberater Norbert Wicki wegen einer Erkrankung. Eigentlich müssen alle Angeklagten die ganze Zeit beim Prozess anwesend sein. Er hatte aber schriftlich darauf verzichtet, seine Abwesenheit als Nichtigkeitsgrund geltend zu machen, daher konnte der Prozess auch ohne Wicki fortgesetzt werden. Sein Verteidiger Herbert Eichenseder verfolgte im Gerichtssaal den Prozess.

Der Prozessverlauf im Überblick

1. Verhandlungstag: Rundumschlag der Verteidiger
2. Verhandlungstag: Republik will 9,8 Millionen Euro zurück
3. Verhandlungstag: Plädoyer von Grasser-Anwalt Wess
4. Verhandlungstag: Hochegger belastet Grasser massiv
5. Verhandlungstag: Grasser äußert sich zu Hocheggers Teilgeständnis
6. Verhandlungstag: Hochegger: "War Teil dieses Systems"
7. Verhandlungstag: Hochegger-"Scheinrechnungen" & "Briefkastenfirmen"
8. Verhandlungstag: "Ohne Karl-Heinz hätten wir das nicht geschafft"
9. Verhandlungstag: "Peter, wir gewinnen das"