Endstation Einkaufszentrum

Asmik Grigorian in Giacomo Puccinis „Manon Lescaut“ an der Wiener Staatsoper

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Manon © Bild: Wiener Staatsoper

Wie aufregend, wenn Oper wirklich zum Musiktheater wird, wenn Schauspiel und Gesang übereinstimmen. Asmik Grigorian führt das als Manon Lescaut an der Wiener Staatsoper vor. Robert Carsens Inszenierung aus dem Jahr 2005 schafft ideale Bedingungen für diese Singschauspielerin. Er verlegt die Geschichte einer jungen Frau aus dem Frankreich des 18. Jahrhunderts in die Gegenwart eines Einkaufszentrums. Puccinis Vertonung von Antoine-François Prévosts Roman „Manon Lescaut“ wird damit in jeder Hinsicht Rechnung getragen. Denn es geht um Ausbeutung und Gier.

Manon soll von ihrem Bruder ins Kloster gebracht werden. Ein Zwischenstopp wird eingelegt. Bei Carsen in einer Shoppingmall. Des Grieux, ein Student, will Manon vor dem Schicksal bewahren und sie entführen. Auch der wohlhabende Geronte de Ravoir will diese junge Frau und stellt das Fluchtauto, einen Mercedes, bereit. Des Grieux ist schneller. Doch Manons Verlangen nach Luxus ist stärker, sie zieht bei Geronte ein, schwelgt im Luxus - fulminant in Szene gesetzt auf Antony McDonalds praktikabler Bühne, die sich mit wenigen Umbauten in ein Appartement verwandeln lässt. Da fehlt nichts, Kleiderschränke, die bis zur Decke reichen, Glitter, wenn Manon singen will, wird das per Video dokumentiert, Musiker, Sänger begleiten sie.

Asmik Grigorian zeigt diese Frau, die sich ohne Skrupel für Juwelen verkauft und für ihre Verfehlungen mit dem Leben bezahlt, radikal selbstentäußernd. Als Manon mit Des Grieux ein zweites Mal fliehen will, lässt sie Geronte verhaften. Im Roman endet Manon in einer Strafkolonie in Amerika, bei Carsen in der Shoppingmall. Die Geschäfte sind geschlossen. Nur noch Des Grieux ist bei ihr. Aus den Schaufenstern starren leblose Puppen auf die letzten Momente im Leben dieser Frau. Beklemmend ist das. Man kann darüber diskutieren, ob Grigorian bei Puccini gut aufgehoben ist. Doch ihr klarer Sopran verfügt über tolle Schattierungen und helle Höhen, ihr „Sola, perduta, abbandonata“ ist aufwühlend, berührend, und sie spielt mit enormer Intensität. Bei Brian Jagdes Des Grieux stellt sich der Eindruck ein, dass er mit dem Dirigenten Francesco Ivan Ciampa gewettet haben könnte, wer lauter sein kann. Ciampa setzt auf Fortissimo, Jadge brüllte zurück. Mit famosen Phrasierungen überzeugte Boris Pinkhasovich als Lescaut. Dieser gut geführte Bariton war immer nobel zu hören. Das kann man von Josh Lovell, bei Carsen ein Fotograf, nicht behaupten. Er wurde vom Orchester meistens übertönt. Artyom Wasnetsov zeigt Geronte als eine Art ungelenkigen Unhold.

Das Gute: spontane Opernbesuche sind wieder möglich. Maske und Impfpass reichen. Es gibt für Carsens sehenswerte Produktion noch Karten.