Notaufnahme:
Wenn Patienten aggressiv werden

Gewaltbereite Patienten und Angehörige erschweren die Notfallversorgung

Spitäler verschärfen ihr Sicherheitskonzept wegen zunehmend aggressiver Patienten. Meist trifft es das Pflegepersonal, das dann den Sicherheitsdienst oder sogar die Polizei zur Hilfe ruft.

Gewalt im Spital - Notaufnahme:
Wenn Patienten aggressiv werden

In Notaufnahmen kann es hektisch zugehen. Das Krankenhauspersonal muss sich auf die Arbeit konzentrieren, doch diese wird zunehmend erschwert. Aggressive Patienten und übergriffige Angehörige behindern die medizinische Versorgung. Spitäler berichten von Vorfällen, die bei Beleidigungen beginnen und bis hin zu schwerer Sachbeschädigung und Faustschlägen in der Notaufnahme gehen können.

Sicherheitsmaßnahmen gegen zunehmende Attacken

Die medizinischen Einrichtungen setzen sich jetzt mit Sicherheitskonzepten zur Wehr. Das Wiener Wilhelminenspital hat vor zwei Monaten die Notaufnahme mit Überwachungskameras ausgestattet. Dies ist die Reaktion auf zunehmende Attacken gegen das Personal in den vergangenen Jahren. Etwa viermal pro Woche kommt die Polizei in die Notfallversorgung des Spitals.

»Es beginnt schon bei einer fehlenden Kinderstube«

Warum es immer häufiger zu Übergriffen kommt ist unklar. „Es beginnt schon bei einer fehlenden Kinderstube“, erzählt Günter Dorfmeister, Direktor des Pflegedienstes im Wilhelminenspitals, die Situation. Er ist bereits seit elf Jahren im selben Spital tätig und kann „zweifellos eine Veränderung feststellen“.

Eine von ihm mitherausgegebenen Studie von 2010 zeigt, dass Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen von Krankenanstalten und Pflegeeinrichtungen häufig zur Projektionsfläche von aggressiven und gewalttätigen Übergriffen werden. Patienten und deren Begleitpersonen sind in einer Ausnahmesituation und angespannt. Auslöser sind hierbei verschieden: „Die Menschen haben Sorgen und Ängste, sie warten auf ihren Befund und dabei kommt es häufig auch zu langen Wartezeiten“, so der Pflegewissenschaftler, „hinzu kommen Menschen mit Substanzmissbrauch - hierbei ist Alkohol noch das harmloseste - und die wollen einfach nur Stunk machen“. Grundsätzlich sieht der Pflegedirektor einen gesellschaftlichen Wandel, in dem man verlernt habe auf einer vernünftigen Ebene zu diskutieren und das würde sich im Warteraum der Spitäler wiederspiegeln. Bei manchen Menschen fehle schlicht und einfach „das Niveau“.

Es trifft meist das Pflegepersonal

Laut der Studie werden Patienten vor allem aggressiv, weil sie über etwas verärgert sind. Bei knapp einem Drittel liegt das Verhalten an Verwirrt- oder Desorientiertheit. Bei gerade einmal neun Prozent ist der Ursprung bei Suchtmittelmissbrauch, wie beispielsweise Alkohol zu finden.
Über dreiviertel aller Mitarbeiter in Gesundheitseinrichtungen wurden in ihrer Arbeitszeit bereits verbal angegriffen oder beschimpft und knapp die Hälfte wurde tätlich angegriffen. In den meisten Fällen trifft es das Pflegepersonal, das sich in den medizinischen Einrichtungen unmittelbar mit den Patienten und auch aggressiven Angehörigen im Wartezimmer auseinandersetzen muss.

Videoüberwachung: Rückgang schwerwiegender Fälle

Das Wilhelminenspital versucht mit verschiedenen Maßnahmen den Aggressionen entgegen zu wirken. Eine davon ist die erwähnte Videoüberwachung, hinzu kommt, dass das Sicherheitspersonal im vergangenen Jahr aufgestockt wurde. Es sind nun zu jedem Zeitpunkt zwei Securities vor Ort, die sofort eingreifen können. Wird ein Patient allerdings gewalttätig, oder zückt sogar ein Messer, dann schreitet die Polizei ein, mit der man eng zusammenarbeite. Diese Maßnahmen haben dazu geführt, dass schwerwiegenden Fälle um etwa ein Drittel zurück gegangen sind. Laut Dorfmeister liegt dies vor allem an einer höheren Hemmschwelle.

Wichtig sei aber vor allem, dass das Personal gut geschult sei, mit brenzligen Situationen umgehen kann und somit auch sich selbst schützt. Alle Personen, die in der Notfallambulanz tätig sind, müssen ein fünftägiges Deeskalationstraining mitmachen. Von Personal am Schalter, über die Pflegekräfte bis hin zu Ärzten lernen hier alle wie sie sich selbst und auch andere Patienten schützen können. Jährlich gibt es Auffrischungskurse und immer eine psychologische Betreuung. In Einzelfällen wurde das Personal auch schon durch eine begleitende Therapie unterstützt. Hinzu kommen Maßnahmen zur Verkürzung der Wartezeiten, als einem der Hauptgründe für steigende Aggressivität, und Videoscreens im Spital mit Informationen zur Notaufnahme. Man will den Aggressionen somit entgegenwirken, bevor diese überhaupt entstehen.