"In der Krise ist es
wichtig, fit zu sein"

Was kann man zum eigenen 100. Geburtstag beitragen? Der Arzt und habilitierte Wissenschaftler Cem Ekmekcioglu beschreibt die wichtigsten und relevantesten Faktoren dafür in seinem neuen Buch "Älter wirst du sowieso. Was wir heute tun können, um morgen gut zu leben". Im Interview mit news.at fordert er dazu auf, sich besonders in Zeiten von Corona mit der eigenen Gesundheit zu beschäftigen.

von Gesundheit - "In der Krise ist es
wichtig, fit zu sein" © Bild: iStockPhoto.com

Tag für Tag bekommt man in den Medien eine andere Studie um die Ohren geschmissen, die einem nahelegt, was man für seine Gesundheit machen sollte. Wie sollte man als medizinischer Laie damit umgehen?
Es gibt evidenzbasierte Empfehlungen für einen gesunden Lebensstil. Das sind klassische Empfehlungen wie Rauchverzicht, gesunde Ernährung, regelmäßige körperliche Aktivität oder auch Verhinderung von Fettleibigkeit. Die sind allgemein gültig und die sollte man befolgen, um das Risiko für verschiedene Krankheiten und für vorzeitiges Sterben zu reduzieren.

Sollte man sich vom grassierenden Gesundheitswahn beeinflussen lassen?
Es gibt seit etwa 50 bis 60 Jahren sehr umfangreiche, seriöse Forschung, die gezeigt hat, dass ein gesunder Lebensstil nicht nur das Krankheitsrisiko reduziert, sondern auch mit Wohlbefinden und verbesserter Leistungsfähigkeit einhergeht. Dazu zählt beispielsweise regelmäßige körperliche Aktivität oder Rauchverzicht. Besonders Rauchen gilt als einer der stärksten limitierenden Faktoren für gesundes Altern. Vor allem in der jetzigen Krise ist es wichtig, fit zu sein für eine nächste Welle, die hoffentlich nicht eintritt.

Wäre die Coronakrise also ein guter Zeitpunkt, sich mit seinem Gesundheitszustand auseinanderzusetzen?
Auf jeden Fall. Es wäre beispielsweise ein guter Zeitpunkt, mit dem Rauchen aufzuhören. Einzelne Studien im Rahmen der Covid-19-Erkrankung lassen vermuten, dass Raucher schlechtere Verläufe aufweisen. Körperliche Aktivität in normalen Maßen regt zudem das Immunsystem an. Bei älteren Menschen hat sich zum Beispiel gezeigt, dass normale körperliche Aktivität die Immunantwort auf Impfungen verbessert. Man tut darüber hinaus in jedem Alter gut daran, seinen Vitamin-D-Haushalt zu optimieren und auf gesunde Ernährung zu achten, um eben sein persönliches Krankheitsrisiko minimieren zu können.

Sie sprechen in Ihrem Buch mehrere Faktoren an, die zu einem längeren Leben beitragen. Ließe sich dabei auch eine Gewichtung vornehmen?
Ich würde den Rauchverzicht an oberste Stelle platzieren. Aufgrund meiner persönlichen Erfahrung und den Studien, die es gibt, würde danach auf einer nächsten Ebene gesunde Ernährung, regelmäßige körperliche Aktivität und das Vermeiden von Fettleibigkeit dazunehmen.
Danach kommen meiner Meinung nach weitere wichtige Faktoren wie die regelmäßige Gesundheitsvorsorge und ein guter Schlaf. Im sozio-psychologischen Bereich besonders wichtig sind die soziale Integration und Aktivität sowie eine positive Lebenseinstellung. Einsamkeit ist im Übrigen auch mit einem höheren vorzeitigen Sterberisiko und diversen Krankheiten in Studien belegt.

»Der BMI ist immer noch ein valider Parameter zur Diagnose von Fettleibigkeit«

In Ihrem Buch sprechen Sie oftmals von Übergewicht. Ist der BMI dafür noch ein zulässiger Richtwert?
Der BMI ist immer noch ein valider Parameter zur Diagnose von Fettleibigkeit. Bei BMI-Kritiken wird gerne als Gegenargument herangezogen, dass ein hoher BMI auch bei einem Bodybuilder vorkommen kann. Dann sollte man aber realistischerweise einmal überlegen, auf wieviel Prozent der Bevölkerung das wirklich zutrifft. Das wäre meiner Einschätzung nach im niedrigen einstelligen Prozentbereich festzumachen.

Sehr wohl stimmt aber, dass beim BMI das Hinzuziehen des Bauchumfangs wichtig ist. Auch ein großer Bauchumfang ist ein starker Risikofaktor für vor allem metabolische Erkrankungen wie Typ 2 Diabetes.

Man kann aber davon ausgehen, dass ein fettleibiger Mensch mit einem BMI-Index von mehr als 30 in der Regel auch sehr wahrscheinlich einen hohen Bauchumfang hat. Am besten ist natürlich immer beides für eine Bewertung heranzuziehen.

Gibt es eine Richtlinie oder Grenze, ab der man sich Sorgen machen sollte?
Klar ist, dass Fettleibigkeit ab einem BMI von 30 vorliegt. Und damit ist auch das Risiko für verschiedene Krankheiten inklusive verschiedener Krebsarten erhöht. Bis zu einem BMI von 25 gilt man als normalgewichtig und bei knapper Überschreitung des Grenzwertes muss man sich noch nicht wirklich sorgen. Je näher sich dieser Wert den 30 nähert, umso ungünstiger ist die Situation dementsprechend.

Was halten Sie von der mediterranen Kost?
Grundsätzlich ist es so, dass für die mediterrane Kostform eine Schutzwirkung vor gewissen Erkrankungen nachgewiesen werden kann. Insbesondere hinsichtlich Herz-Kreislaufsystem aber auch zum Beispiel hinsichtlich Diabetes und neurologischer Erkrankungen gibt es eine Schutzwirkung.
Wenn man sich diese Ernährungsform genauer ansieht, sind Gemüse, Obst Hülsenfrüchte und hochwertige Öle wie Olivenöl besonders wichtige Bestandteile. Zusätzlich sind ballaststoffreiche Vollkornprodukte, die verschiedene protektive Funktionen aufweisen, von Relevanz.

Gleichzeitig ist es wichtig, weniger rotes Fleisch und Wurstwaren zu konsumieren. Es gibt zahlreiche Publikationen, die gezeigt haben, dass ein hoher Konsum von vor allem rotem Fleisch zu einem höheren Risiko führt, an zum Beispiel Dickdarmkrebs und Typ 2 Diabetes zu erkranken.
Beim Konsum von Fisch- und Meeresprodukten profitiert man vor allem durch die Zufuhr von Fisch-Omega-3-Fetten. Es wäre gut, wenn dieses Stoffe ab einem gewissen Alter regelmäßig konsumiert werden könnten, um chronisch geringgradigen Entzündungsprozessen entgegenwirken zu können.

»Auch ein lebenslanger Raucher und Pessimist kann sehr alt werden«

Wie erklären Sie sich Gegenbeispiele, die lange leben? Also alte, grantige Leute, die rauchen und einsam sind, um ein Extrembeispiel heranzuziehen?
Nach der Gauß’schen Verteilungskurve sind das natürlich eher seltenere Fälle. Aber auch ein lebenslanger Raucher und Pessimist kann sehr alt werden, in solchen Fällen spielen die Gene sicherlich eine besondere Rolle. Gerade bei langlebigen Menschen scheinen Gene einen höheren Einfluss zu haben. Diese Personen haben dann möglicherweise auch zum Beispiel einen besseren Metabolismus. Dennoch ist es sehr unwahrscheinlich, dass man mit vielen belastenden Faktoren den Hunderter packt.

Es spielen ja viele Faktoren eine Rolle, die ich in meinem neuen Buch erwähnt habe. Ist eine gute genetische Basis vorhanden, kann es genauso gut sein, ein höheres Alter zu erreichen, selbst wenn man nicht alle Empfehlungen für eine gesündere Lebensweise befolgt.

Werden Sie noch einmal einen Kriminalroman schreiben?
(lacht) Ich habe mir schon vorgenommen, in der Pension vielleicht noch einen Roman zu schreiben. Aber das wird vermutlich kein Krimi mehr sein.

Worauf ich hinaus will: Sie widmen auch ein Kapitel in Ihrem Buch dem Sinn des Lebens. Angenommen man hat sich noch keine großen Gedanken darüber gemacht: Was würden Sie für einen Schnellcheck empfehlen?
Grundsätzlich wäre es gut, insbesondere ab 50, sich einmal die Zeit zu nehmen, um sich neue Ziele zu setzen. Aber es gibt Studien, die zeigen, dass sogar junge Menschen mit Zielen ein höheres Wohlbefinden haben als die, die nur „herumchillen“ und nichts tun.

»Ehrenamtliche Tätigkeit hat einen massiven Einfluss auf die Gesundheit von älteren Menschen«

Und wie gelingt es älteren bis alten Menschen, sich noch Motivation für ein möglichst langes letztes Stück zu holen?
Das ist natürlich nicht einfach, aber ein wichtiger Punkt bleibt das soziale Umfeld. Dass man sich einen guten Freundeskreis schafft und über dieses Umfeld ist man einmal vor Einsamkeit geschützt, und man ist kognitiv beansprucht, was einen gewissen Schutz vor Demenzerkrankungen darstellt. Außerdem wäre es wichtig, dass man körperlich aktiv bleibt, um unter anderem seine Selbstständigkeit und damit seine Lebensqualität zu bewahren.

Studien haben auch gezeigt, dass Freiwilligentätigkeit oder ehrenamtliche Tätigkeit einen massiven Einfluss hat auf die Gesundheit von älteren Menschen und das vorzeitige Sterberisiko senkt.

Glauben Sie, dass sich die Grenzen des Lebens irgendwann einmal überlisten lassen?
Wenn Sie „irgendwann“ sagen, kann ich es nicht ausschließen. In der nächsten absehbaren Zeit glaube ich aber nicht, dass das möglich sein wird.

Und das maximal mögliche Alter?
Die derzeitige absolute Grenze liegt bei etwa 115 bis 120 Jahren. Ob die zu knacken ist, kann ich nicht sagen, das weiß ich nicht. Ich glaube aber auch in diesem Fall nicht, dass diese Grenze kurz- bis mittelfristig geknackt wird.

Zur Person: Cem Ekmekcioglu wurde 1965 in Wiesbaden geboren und studierte Medizin in Wien. Er ist Facharzt für Physiologie, Ernährungsmediziner und mehrfacher Buchautor. Er lehrt und forscht als außerordentlicher Universitätsprofessor am Zentrum für Public Health an der Medizinischen Universität in Wien. Er lebt mit seiner Frau und drei Kindern in Wien.

Weiterführender Link: Hier geht es zum Buch "Älter wirst du sowieso. Was wir heute tun können, um morgen gut zu leben"*

Die mit Sternchen (*) gekennzeichneten Links sind sogenannte Affiliate-Links. Wenn Sie auf einen Affiliate-Link klicken und über diesen Link einkaufen, bekommen wir von dem betreffenden Online-Shop oder Anbieter eine Provision. Für Sie verändert sich der Preis nicht.