Eine düstere Zeremonie

Franz Joseph starb vor 100 Jahren

von Peter Pelinka © Bild: NEWS

Sein Begräbnis wurde zum Menetekel für sein Reich: Als der Leichnam von Kaiser Franz Joseph am 30. November 1916, neun Tage nach seinem Tod, in einer von acht Rappen gezogenen Kutsche von der Hofburg über die Ringstraße, den Franz-Josefs-Kai und die Rotenturmstraße zum Stephansdom gebracht wurde, säumten Zehntausende Wiener diesen Weg. Viele von ihnen dürften geahnt haben, dass bald auch die Tage der Habsburgermonarchie gezählt sein würden. Tatsächlich hat sie ihren längstdienenden Regenten (von 1848 bis 1916) nur um zwei Jahre überlebt.

Auch für viele ganz junge Bewohner der Stadt blieb die Inszenierung unvergesslich. Der damals fünfjährige Bruno Kreisky erinnerte sich in seinen Memoiren: "Als der Trauerkondukt endlich herankam, schien es mir, als fülle sich die ganze Welt mit Schwarz. Es war eine einzige Demonstration der Schwärze, und in den Gesichtern der Menschen waren Schmerz und Sorge zu lesen; was mochte jetzt werden?" Und der damals vierjährige Otto Habsburg, Sohn von Franz Josephs Nachfolger Karl, hielt fest: "Das große Ereignis meiner Kindheit war die Beisetzung von Kaiser Franz Joseph I., als ich an der Seite meiner Eltern jenem Leichenwagen auf dem Weg in die Kapuzinergruft folgte. Es war eine düstere Zeremonie."

Sie passte zum Zustand des zerfallenden Reichs. Franz Joseph hatte es 68 Jahre lang regiert und im Glauben an sein "Gottesgnadentum" gelähmt. Am Ende hat er die Monarchie in die Luft gesprengt, indem er sie den einheimischen und vor allem den deutschen Kriegstreibern auslieferte. Der Historiker Oliver Rathkolb bilanziert: "Kaiser Franz Joseph hat die Möglichkeiten einer demokratischen Reform der Monarchie nicht genützt, durch die letztlich auch der Nationalitätenkonflikt hätte entschärft werden können. 1914 hat er sich rasch der Kriegspartei am Ballhausplatz angeschlossen, obwohl er über die eklatante Schwäche der Armeen der österreichisch-ungarischen Monarchie sehr wohl Bescheid wusste, und er hat sich 1916 lieber unter deutsches Oberkommando gestellt, als einen Sonderfrieden anzustreben, der vielleicht damals noch möglich gewesen war. Letztlich sah er sich fast fatalistisch als letzter Repräsentant einer untergehenden Ära."

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