Gernot Blümel:
Vom Ich-bin-ich zu Elfriede Jelinek

Wie hält es der Kunstminister mit der Kunst? Was hat ihn geprägt? Was liest und hört er? Gernot Blümel nahm sich den schon traditionellen News-Fragebogen vor. Ein Parcours zwischen Mozart und Heavy Metal, Kierkegaard und "Braveheart"

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Kultur - Gernot Blümel:
Vom Ich-bin-ich zu Elfriede Jelinek

Als Regierungskoordinator mit EU-Kompetenz braucht es in der aktuellen innenpolitischen Situation einen wahrhaft kaltblütigen Profi. Da scheint Gernot Blümel, der im Kanzleramt außerdem für Kultur und Medien verantwortlich ist, nützliche Vorstudien betrieben zu haben: Sein Lieblingsfilm, "Braveheart" (1995, fünf Oscars), handelt vom schottischen Freiheitskampf, wobei dem charakterstarken Mel Gibson freilich kein gutes Ende zugedacht ist.

Der Kunstminister ist hierzulande in einer notorisch heiklen Situation: Üppig dotierte Institutionen rufen beständig nach höheren Mitteln und wollen von der Politik gleichzeitig in Ruhe gelassen werden. Auf der anderen Seite erregt eine Passage im Regierungsprogramm Widerstand: Die Regierung wolle das Gießkannenprinzip außer Kraft setzen. Das wurde als Attacke auf die sich mühsam am Leben erhaltenden kleinen Initiativen verstanden.

Wie schon von seinen Amtsvorgängern wollten wir auch von Blümel wissen, wo denn seine kulturellen Vorlieben auszumachen seien. Unser Fragebogen brachte interessante Resultate: Vom "kleinen Ichbin-ich" auf den Weg der Literatur befördert, schätzt er Mozart, Heavy Metal und Elfriede Jelinek. Auf spannende Jahre also!

1. Wie definieren Sie für sich Kunst und Kultur?

Kunst und Kultur sind vieles: gleichzeitig fordernd und befreiend, verstörend und verbindend, laut und manchmal ganz verinnerlicht. Vor allem eine tragende Säule unserer Gesellschaft und Garant dafür, dass nichts unhinterfragt bleibt.

2. Welche Kulturerlebnisse haben Sie als Kind geprägt?

Ich bin in einem kleinen Ort in Niederösterreich aufgewachsen. Wie Sie sicherlich wissen, hat Kultur dort generell einen hohen Stellenwert, das war auch bei uns zuhause so. Ich war schon als Kind häufig im Theater oder Museum, und Musik hat mich schon immer fasziniert. Und Musik spielt auch eine große Rolle in meinem Alltag - ohne Kopfhörer gehe ich nur ungern außer Haus.

3. Gibt es ein unvergessliches Kinderbuch?

"Das kleine Ich-bin-ich" von Mira Lobe. Eine berührende und gleichzeitig sehr kluge Geschichte über ein kleines buntes Tier, das anders ist als die anderen und wissen möchte, wer es denn sei -und dabei so lange am Ball bleibt, bis es eine zufriedenstellende Antwort gefunden hat.

4. Ihr Lieblingsbuch?

Ein Lieblingsbuch habe ich nicht, obwohl ich gerne und viel lese. Kierkegaards "Entweder -Oder" habe ich am häufigsten gelesen.

5. Ihr Wort zu Elfriede Jelinek?

Elfriede Jelinek ist eine herausragende österreichische Schriftstellerin und Nobelpreisträgerin. Ihre Texte sind sehr "menschlich", mit viel Ironie, Wortwitz und Sarkasmus.

6. Was lesen Sie derzeit?

"Das Wien von gestern" von Stefan Zweig. Der Text aus dem Jahr 1940 ist ein Kapitel in Zweigs Buch "Reisen in Europa" und beschreibt ein Wien, das immer der "höchsten Aufgabe" treu geblieben sei, die eine Stadt erfüllen kann: "Kultur zu schaffen und diese Kultur zu verteidigen".

7. Ihr liebstes klassisches Musikstück?

"Don Giovanni". Ich bin generell bekennender Mozart-Fan. Das Spektrum seiner musikalischen Genialität ist nahezu unbegrenzt.

8. Ihre Lieblingsmusik insgesamt?

Das ist eine große Bandbreite. Von Running Beats beim Sport bis zur Klassik in der Oper oder im Konzertsaal. Aber man trifft mich auch auf Konzerten von Rock-oder Heavy-Metal-Bands.

9. Ihr Lieblingsfilm?

"Braveheart"

10. Ihr Lieblingsschauspieler (Bühne, Kino, Fernsehen)?

Als ich vor ein paar Wochen auf der Berlinale war, hatte ich die Gelegenheit, zwei österreichische Filme zu sehen: "Waldheims Walzer" und "L'Animale", zwei sehr unterschiedliche Filme, die das breite Spektrum des heimischen Films zeigen. Österreich hat viele hervorragende Regisseure und Schauspieler.

11. Ihre Lieblingsmaler/-künstler der Geschichte und der Gegenwart?

Ich bin kein großer Freund von persönlichen "Künstler-Rankings". Besonders spannend finde ich z. B. das Fin de Siècle, weil hier in allen Bereichen -in der Architektur, in der Musik, in der Literatur, in der Kunst etc. - wirklich "Neues" geschaffen wurde. Und die Ideen dahinter haben heute kein bisschen an Gültigkeit verloren. Meine jüngste Begegnung mit einer aktuellen Künstlerin war mit Martha Jungwirth bei der Eröffnung ihrer Ausstellung in der Albertina. Sie hat mich in all ihrer Persönlichkeit sehr beeindruckt. Und ich freue mich ganz besonders, dass ich mir eine ihrer Arbeiten für mein Büro ausleihen darf.

12. Ihr Wort zu Hermann Nitsch?

Ein großer, aber auch umstrittener österreichischer Künstler des Wiener Aktionismus. Nicht nur seine Schüttbilder werden noch lange in Erinnerung bleiben.

13. Wann waren Sie zuletzt im Theater/in der Oper? Was haben Sie gesehen?

Ich habe zuletzt Vorstellungen der "Zauberflöte" im Dezember und des "Don Giovanni" im Jänner an der Wiener Staatsoper besucht.

14. Wie wichtig ist Nischenkultur? Und droht ihr bei Außerbetriebnahme der Gießkanne nicht das Ende?

Natürlich braucht es in der Kultur sowohl die großen Institutionen wie auch die freie Szene. Von Seiten der Politik können wir nur Rahmenbedingungen schaffen. Weg von einem Gießkannenprinzip heißt ja nicht weg von der Vielfalt. Uns geht es um die Frage: Was passiert mit dem Geld, das für Kunst und Kultur ausgegeben wird? Im Fokus soll stehen, dass möglichst viel bei den Künstlerinnen und Künstlern ankommt und möglichst wenig administrativ verwendet wird.

15. Was darf Kunst? Hat sie Grenzen?

Der Zeit ihre Kunst. Der Kunst ihre Freiheit. Natürlich hört auch Kunst dort auf, wo das Strafrecht beginnt. Aber in ihrer Ausdrucksform gibt es keine Grenzen.

16. Was darf Satire? Hat sie Grenzen?

Satire muss vor allem zwei Dinge sein: intelligent und treffend. Verächtlich sollte sie aber nicht sein.

Gernot Blümel
wurde am 24. Oktober 1981 in Wien geboren, wuchs in Niederösterreich auf und maturierte in einem katholischen Gymnasium. Philosophiestudium in Wien und Dijon, Mitglied einer katholischen Studentenverbindung. Beginn bei der jungen ÖVP, 2006 bis 2008 im Nationalrat, Kabinettsmitarbeiter, 2013 Generalsekretär der ÖVP, 2015 Landesparteiobmann in Wien. Derzeit Minister im Bundeskanzleramt für EU, Kunst, Kultur und Medien

Dieser Artikel ist der Printausgabe von News Nr. 11/2018 erschienen.