Gecko und die starken Männer

Selenskyj, Schwarzenegger und die Klitschkos verbinden martialisch-maskuline Duftnoten mit fürsorglicher Verantwortung. Das ist mehr als nur die Kommunikation alter weißer Männer. Um sie zu kopieren, muss man sie erst kapieren.

von Medien & Menschen - Gecko und die starken Männer © Bild: Gleissfoto

Wolodymyr Selenskyj trägt nur militärisches Grün. Es ist keine Uniform, erinnert aber an soldatische Kleidung. Arnold Schwarzenegger setzt auf Sprechrolle statt Muskelspiel. Am Oberarm jedoch zeigt er wie ein Rangabzeichen das Star Spangled Banner. Vitali und Wladimir Klitschko ziehen als Kraftspender durch Kiew. Ihre kugelsicheren Westen schützen, symbolisieren aber noch mehr die Bedrohung.

Auch in diesem Krieg der Bilder hat Wladimir Putin die Stärke seine Gegner unterschätzt. Ausgerechnet er, der seine Männlichkeit so gern mit freiem Oberkörper und Waffe zur Schau gestellt hat, verliert im Austausch der maskulinen Duftnoten. Das liegt am Vorleben der Kontrahenten. Je bewegender die bewegten Bilder sein müssen, desto eher obsiegt das Know-how der Showstars von Film und Sport über die Agitationsfähigkeit der Geheimdienste. Beiden gemein ist: keine Ansicht ohne Absicht.

Was mit Flaggen als respektheischendem Beiwerk zu Regierungspressekonferenzen beginnt, gipfelt in Video-Inszenierungen zum Krieg. Selenskyj (44), der gelernte Schauspieler und Komiker, gibt dabei den pfiffigen Wickie. Fürs Fernsehen umgeben von starken Männern, erzeugt der 1,70 Meter große Jurist in Solo-Botschaften immensen Druck auf die freie Welt. Schwarzenegger (74), der einstige Bodybuilder und Brachial-Darsteller, mimt unterdessen den Sanftmütigen im furiosen Erzählstück für die "lieben russischen Freunde". Gemeinsam ist dem ukrainischen Präsidenten und dem Ex-Gouverneur von Kalifornien die Abkehr vom ursprünglichen Image. Vitali (50) und Wladimir (45) Klitschko, die früheren Box-Weltmeister, setzen hingegen auf ihre gewohnten Rollen als harte Kämpfer mit feinen Umgangsformen.

Während Selenskyj per Video-Power-Play global omnipräsent ist, erhält Schwarzenegger für sein einmaliges Storytelling hymnische Zustimmung. "Das Narrativ, die Erzählung, ist ein Liebkind postmoderner Demokratien. Wer am besten erzählt, gewinnt die Oberhand der öffentlichen Debatte", erklärt das Oliver Grimm in der "Presse", um dann die Erwartungen zu dämpfen: "Erst als sich in Stalingrad das Blatt wendete, sank die Moral in Hitlers Armee und an der Heimatfront."

Dem lässt sich schwer widersprechen: Doch Medientechnik und -zugang haben sich seit damals derart entwickelt, dass der Stellenwert von Geschichte(n)erzählung zur gesellschaftlichen Veränderung enorm gewachsen ist. Schwarzeneggers auf vielen Kanälen verbreitetes Video wurde allein auf Twitter in vier Tagen 35 Millionen Mal angezeigt. Dort folgt der Kreml-Account "President of Russia" nur 22 anderen. Die Bekanntesten sind Barack Obama, Elon Musk, Cristina Kirchner, Jens Stoltenberg und -"Arnie". Sein Narrativ mag nicht gewinnen, aber es erreicht auch die Zielgruppe. Also ist es ein wichtiger Beitrag.

Der Krieg im Osten zeugt ein Comeback im Westen: Alte weiße Männer wirken nicht mehr so von gestern, wie die intellektuelle Elite sie ständig stärker dargestellt hat. Sogar martialisch darf es sein. Das ist ein Glücksfall fürs immer schon unterschwellig soldatische Auftreten von Karl Nehammer. Er vereint alte und neue Rollenbilder: Sogar ein Krisenkanzler kann Familienvater und Gleichberechtigung. Die Ehefrau fährt den Wagen, die Kinder fordern das Ende des Interviews mit der "Krone". Auch ein Narrativ.

Aus diesem Blickwinkel ist es eigenartig, wie gut in solchem Umfeld Falschversteher dieser Medienwelt gedeihen. Rudolf Striedinger, Leiter der Gesamtstaatlichen Covid-Krisenkoordination (Gecko) agiert auch Wochen nach Kriegsbeginn im Tarnanzug. Den braucht er im übertragenen Sinn wegen des verheerenden Versagens seines Gremiums. Statt kollektiven Rücktritts nährt es den Vorwurf lenkbarer Experten. Doch Striedinger stellt sich in die Auslage, um Generalstabschef zu werden. Der Job wird frei. Der Geck von Gecko ist Favorit. Mit Empfehlung durch Corona-Krise und Camouflage-Kommunikation. Wir Zivilisten müssen ja nicht alles verstehen.