Woher stammt das Essen im Gastlokal und unter welchen Bedingungen wurde es hergestellt? Spätestens nach dem jüngsten Kebab-Skandal ist das Thema "verpflichtende Herkunftskennzeichnung" wieder auf dem Tisch, stößt bei Gastronomievertretern aber weiter auf Ablehnung. Zustimmen dürfte dagegen zumindest ein Teil der Branche einer verpflichtenden Bio-Zertifizierung. Auf Ministeriumsebene hat es hier erste Gespräche gegeben, viele Fragen sind aber noch offen.
"Die Konsument:innen müssen sich darauf verlassen können, dass dort, wo Bio oben steht, auch Bio drin ist", heißt es in einem Statement des Gesundheitsministeriums gegenüber der APA. "Auch innerhalb der Biogastronomie und Biohotellerie wird beklagt, dass es bei manchen Betrieben zu einer falschen Kennzeichnung der Speisen kommt."
Wie "Der Standard" berichtete, finden aktuell auf Basis eines Entwurfs des Biobeirats, der im Sozialministerium angesiedelt ist, entsprechende Gespräche zwischen dem Gesundheits- und dem Wirtschaftsministerium (inkl. Staatssekretariat für Tourismus) statt. Demnach soll noch heuer eine Verordnung auf dem Tisch liegen - in den Ministerien gab man sich auf APA-Anfragen aber zurückhaltend.
Die Gespräche stünden erst am Anfang, hieß es aus dem Gesundheitsministerium. Im Staatssekretariat für Tourismus sieht man noch viele offene Fragen: "So besteht zum Beispiel die Sorge, dass aufwendige Zertifizierungsprozesse dazu führen, dass Gastronomen die Biolebensmittel aus ihren Speisekarten streichen. Das Ergebnis wäre dann 'weniger Bio'. Auch etwaige Mehrkosten sind in diesen Zeiten eine potenzielle Herausforderung."
Zumindest für kleinere Betriebe soll es dem Vernehmen nach "Erleichterungen" geben, wie das Gesundheitsministerium bestätigt. Laut "Standard" sollen sich Betriebe, die im Jahr weniger als 10.000 Euro Bio einkaufen, nicht zertifizieren lassen müssen. Dafür müssen sie sich bei der Lebensmittelbehörde melden.
Zustimmung für die Pläne kommt naturgemäß aus der Bio-Wirtschaft. So spricht sich der Verein "BiowirtInnen" auf Ö1 für die Zertifizierungspflicht aus. Auch die Bio-Landwirtschaft begrüßt die Bio-Zertifizierung. "Derzeit besteht im Außerhausverpflegungsbereich für Gastronomiebetriebe keine Pflicht dazu, sich einer unabhängigen Bio-Kontrolle zu unterziehen. Es ist höchst an der Zeit, dass diese Kontrolllücke geschlossen wird", teilt der Verband Bio Austria in einem Statement mit.
Mario Pulker, Gastronomie-Spartenobmann der Wirtschaftskammer (WKÖ) sieht die Bio-Zertifizierung hingegen genauso kritisch wie eine grundsätzliche Herkunftskennzeichnung. Er verwies in Sachen Bio gegenüber Ö1 auf laufende, strenge Kontrollen und hohe Strafen bei Verstößen.
Zu hohe Mehrkosten für Betriebe, das befürchtet der oberste Gastronomievertreter auch mit Blick auf eine allgemeine verpflichtende Herkunftskennzeichnung. Diese ist nach dem jüngsten Kebab-Skandal wieder Thema. Verdorbenes Hendl-Fleisch aus Polen hatte europaweit und alleine in Österreich zu 27 Salmonellenvergiftungen geführt. Eine endete für einen 63-jährigen Kärntner sogar tödlich. Statt einer Kennzeichnungspflicht sollen schärfere Kontrollen bei Importen und EU-weit einheitliche Standards in der Tierhaltung es richten, so Pulker am Freitag.
Jede Zutat kennzeichnen zu müssen, bedeute einen zu hohen bürokratischen Aufwand, so der Gastronom und WKÖ-Vertreter. Regionale oder saisonale Produkte seien oft nicht uneingeschränkt verfügbar. "Was ist, wenn es dann ausgeht, wenn ich auf eine andere Ware zurückgreifen muss", fragte Pulker. "Es gibt in der Praxis so viele große Probleme."
Eine Herkunftskennzeichnung in der Gastronomie ist nicht vorgesehen. Die Grünen hätten sich dies gewünscht, die ÖVP war dagegen. Ab September kommt aber wie berichtet eine Herkunftskennzeichnung in der Gemeinschaftsverpflegung wie etwa Kantinen. In weiterer Folge ist eine solche auch bei verarbeiteten Lebensmitteln im Supermarkt vorgesehen.
In der Gastronomie beruht die Kennzeichnung auf Freiwilligkeit. Wer mit Fleisch aus Österreich wirbt, hat mit Kontrollen zu rechnen. "Wenn du oben stehen hast, du verkaufst Fleisch aus Österreich, dann werden auch die Lieferscheine, kontrolliert", so Pulker. "Das ist auch gut so." So könnten Wirtinnen und Wirte sowie Konsumentinnen und Konsumenten aussuchen, was sie wollen und was mit ihren Brieftaschen möglich ist.
Die EU lässt den Mitgliedstaaten derzeit viel Spielraum, was Tierwohl und Tiergesundheit betrifft. Bei Hendln ist etwa eine Besetzungsdichte von 42 Kilogramm vorgesehen. Bis zu rund 26 ausgewachsene Tiere können so auf einem Quadratmeter gehalten werden. Österreich ist mit 30 beziehungsweise 21 Kilo in Biobetrieben viel strenger. Das entspricht 18 bzw. 13 Hühnern pro Quadratmeter. Hier setzt Pulker seine Kritik an. "Das kann ja eigentlich in einer Europäischen Union nicht sein, dass das eine Land eine höhere Besetzungsdichte hat beim Geflügel als das andere Land. Und man sich dort nachher gegenseitig Konkurrenz macht." Im Sinne der Konsumenten brauche es eine Vereinheitlichung.
Rückendeckung erhielt Pulker hier vom Bauernbund. "Die EU-Kommission ist jetzt am Zug, für faire Wettbewerbsbedingungen zu sorgen und insbesondere darauf zu achten, dass die Gesundheit der Menschen nicht mutwillig aufs Spiel gesetzt wird", so Bauernbund-Präsident Georg Strasser (ÖVP). Bei der Herkunftskennzeichnung gehen die Positionen von WKÖ und Bauernbund, der hier "Transparenz auf dem Teller" fordert, auseinander. Auch die Initiative "oekoreich" forderte die WKÖ auf, ihren "Widerstand gegen eine Herkunftskennzeichnung" aufzugeben.
Aus dem Landwirtschaftsministerium hieß es dazu laut dem Ö1-Bericht, dass sich die Bundesregierung in Brüssel dafür stark mache, die Standards auf ein österreichisches Niveau zu heben. Österreich ist in Sachen Fleischproduktion allerdings auch im EU-Vergleich nur ein kleiner Spieler. Der Widerstand der großen fleischproduzierenden Mitgliedstaaten, wie Polen, Tschechien, aber etwa auch Deutschland, ist vorprogrammiert. Aus Polen stammten die Kebab-Spieße, die zuletzt europaweit und nicht nur in Österreich für die Salmonellenvergiftungen gesorgt hatten.