Unabhängig davon, ob die notwendige Infrastruktur wie Internetanschluss, Datenzugang oder Schreibtisch vorhanden war, wurde das Zuhause 2020 für weite Teile der Bevölkerung plötzlich zur Arbeitsstätte. Vor der COVID-19-Pandemie war Homeoffice in vielen österreichischen Unternehmen gar nicht oder nur sehr eingeschränkt etabliert und wenn, dann stand es häufig nur einem ausgewählten Teil der Belegschaft zur Verfügung.
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Ab Mitte März 2020 empfahl die Bundesregierung den Unternehmen, überall dort, wo es möglich ist, auf Homeoffice umzustellen. Um COVID-19-Ansteckungen zu vermeiden, sollten die sozialen Kontakte, sei es im Büro oder auf dem Weg dorthin, auf ein Minimum reduziert werden.
Das Nischenphänomen wurde sozusagen "über Nacht" zum Massenphänomen und zur neuen Selbstverständlichkeit. Nicht nur einzelne Teammitglieder arbeiteten (wie gewohnt) ab diesem Zeitpunkt im Homeoffice, sondern ganze Teams bzw. Belegschaften, unabhängig davon, ob die Unternehmen auf Erfahrung im Homeoffice setzen konnten oder völliges Neuland betraten.
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Man konnte sich innerhalb weniger Tage nicht mehr persönlich treffen oder austauschen, sondern war auf Telefonkonferenzen angewiesen. Die gesamte Kommunikation, sowohl die formellen als auch die informellen Gespräche, fand ab nun im digitalen Raum statt. Arbeitsroutinen und Arbeitszeiten mussten innerhalb kürzester Zeit an die neuen Rahmenbedingungen angepasst werden – egal, ob dies im Einklang mit den Präferenzen des Unternehmens und seiner Belegschaft stand. Beide Seiten waren gleichermaßen gefordert: eine auf Präsenz ausgerichtete Unternehmenskultur wurde ebenso ins Homeoffice geschickt wie Arbeitskräfte, die eine Präsenzkultur im Unternehmen einer Selbstorganisation im Homeoffice vorzogen.
Die Bundesregierung empfiehlt die Beibehaltung von Homeoffice auch nach Ende des zweiten "harten Lockdowns". Nach einer Phase der Entspannung im Sommer arbeiten viele Arbeitskräfte arbeiten abermals von zu Hause aus. Potenziell könnte fast jede zweite unselbständig beschäftigte Person in Österreich im Homeoffice tätig sein. Home-Office lässt sich prinzipiell überall dort einrichten, wo Arbeitskräfte keine manuellen Tätigkeiten ausüben und nicht auf persönlichen Kundenkontakt angewiesen sind. Viele Bürotätigkeiten fallen darunter, unmittelbare Handwerkstätigkeiten dagegen nicht und personenbezogene Dienstleistungen, wenn überhaupt, nur sehr selten.
Auch in der "zweiten Homeoffice-Welle" bleiben viele Herausforderungen bestehen. Abgesehen von der technischen Ausstattung lässt sich die unmittelbare Wohnumgebung oftmals nicht so schnell anpassen, um adäquate Bürobedingungen zu schaffen. Noch schwieriger gestaltet sich die Situation, sobald mehrere Haushaltsmitglieder zeitgleich zu Hause im Homeoffice tätig sind und sich der benötigte Büroraumbedarf im Haushalt entsprechend multipliziert. Und nochmals komplizierter wird die Situation, sobald unmittelbare Betreuungspflichten, und nicht nur Home-Schooling, zeitgleich zur Arbeitszeit zu erbringen sind. Umgekehrt bedeutet Homeoffice für eine alleinstehende Person weniger unmittelbare soziale Kontakte, die in sozialer Isolation münden können. Die einen sind während der Homeoffice-Phase mit zu vielen sozialen Kontakten im Haushalt konfrontiert, die anderen dagegen mit zu wenigen.
Für viele Betroffene ist es dann wenig Trost, wenn sie sich in einer solchen Situation Wegzeiten oder Mobilitätskosten ersparen. Dem stehen nicht nur zusätzliche Kosten im Haushalt wie für Energie gegenüber, sondern auch die Konfrontation mit der Tatsache, dass ausgelagerte haushaltsnahe Dienstleistungen wie beispielsweise Mittagessen neben der Tätigkeit im Homeoffice nunmehr im Haushalt zu bewerkstelligen sind.
Wo Schatten ist, da ist aber auch Licht: längerfristig kann Homeoffice funktionieren, wenn es sowohl den Präferenzen des Unternehmens als auch den der Arbeitskräfte entspricht, die Rahmenbedingungen stimmen und klare Regelungen vorliegen. Dafür braucht es etwa ein Umdenken bei Wohnkonzepten, Arbeitsmodellen und Unternehmenskultur. Hinsichtlich der zeitlichen Ausgestaltung von Homeoffice ist, aus den aktuellen Erfahrungen abgeleitet, keine Extrem-Variante zu präferieren. Vielmehr sollten hybride Modelle, wo sich Präsenzzeiten im Unternehmen und Homeoffice abwechseln, die zukünftige Arbeitswelt prägen.
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