Corona und das
Grundeinkommen

Der neue Lockdown hat begonnen. Nun geht es für viele, die in den ersten Monaten der Krise gerade noch über die Runden gekommen waren, endgültig um die Existenz. Ein Gastkommentar von Politikwissenschafterin Barbara Prainsack.

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Gastkommentar - Corona und das
Grundeinkommen © Bild: iStockPhoto.com
Barbara Prainsack ist Professorin für Vergleichende Politikfeldanalyse an der Universität Wien und Autorin eines neuen Buches: Vom Wert des Menschen: Warum wir ein bedingungsloses Grundeinkommen brauchen (Brandstätter Verlag, 2020). In diesem Buch wird auch ausführlich auf die Frage der Finanzierung eingegangen, die hier bewusst nicht in den Vordergrund gestellt wurde. Zur Frage der Finanzierbarkeit ist zudem zu empfehlen: Ettl, Paul. Überlegungen zum Grundeinkommen: BGE für ALLE? Auch für mich? (2020) Website der Generation Grundeinkommen Österreich

Die Österreichische Bundesregierung versucht gegenzusteuern indem sie die Kurzarbeit verlängert und Hilfe für Unternehmen verspricht (auch wenn bezüglich der Ankündigung der Bundesregierung, Unternehmen bis zu 80% des Umsatzes des Vergleichszeitraums im Vorjahr zu ersetzen, noch einige Fragen offen zu sein scheinen). Dazu kommt: auch wenn die Bundesregierung betont, dass diesmal “möglichst unkompliziert, unbürokratisch und rasch” geholfen werden soll, so ist die Erfahrung vieler Menschen mit der Krisenhilfe bisher doch anders: Langes Warten, Unsicherheit, und Demütigung prägen die Erfahrungen vieler Betroffenen. Und das ist nicht nur in Österreich so: In Deutschland zum Beispiel sind viele Menschen erstmals dazu gezwungen, Arbeitslosengeld nach Hartz-IV zu beantragen. Zum Leben reicht es für viele nicht.

Vor diesem Hintergrund wundert es nicht, dass der Ruf nach einem bedingungslosen Grundeinkommen - also nach einer monatlichen Zahlung, die alle im Land lebenden Menschen bekommen, unabhängig von ihrem Erwerbsstatus oder ihren anderen Lebensumständen - in vielen Ländern lauter wird. In Spanien wurde im Frühling eine Mindestsicherung für Arme eingeführt. Und in Australien - das aufgrund der Buschfeuer bereits in der Krise war, als Corona die Lage noch weiter verschärfte - wird ein bedingungsloses Grundeinkommen mittlerweile auch deshalb gefordert, um die wachsende Ungleichheit einzudämmen. (Dass die Coronakrise keineswegs alle gleich trifft, das zeigen mittlerweile Studien aus allen Kontinenten).

In Österreich war die Idee des bedingungslosen Grundeinkommens bisher wenig populär. Als das Team des Austrian Corona Panel-Projekts, einer seit März 2020 in regelmäßigen Intervallen durchgeführten repräsentativen Umfrage der österreichischen Bevölkerung, letzten April ∼1.500 Menschen die Frage stellte, wie sie zum bedingungslosen Grundeinkommen stehen, ergab sich ein gemischtes Bild: Befürworter*innen und Gegner*innen hielten sich mit jeweils etwa 40% die Waage. Im August war die Zahl der Befürworter*innen um etwa 7 Prozent gestiegen und die der Gegner*innen um fast denselben Anteil gesunken. Obwohl es noch zu früh ist, um sie abschließend zu beantworten, liegt die Frage nahe, ob wir hier den Beginn eines Bewusstseinswandels sehen. Hat die Krise gezeigt, dass die Zeit für eine bedingungslose Grundsicherung gekommen ist?

Lesen Sie auch: Vom Wert des Menschen: Warum wir ein bedingungsloses Grundeinkommen brauchen*

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Ein Grundeinkommen für Österreich: Was wäre anders?

Natürlich würde ein bedingungsloses Grundeinkommen nicht alle Probleme lösen: Auch mit einem Grundeinkommen würden die Menschen sich weiter schwer tun, die Betreuung ihrer Kinder und ihrer kranken oder gebrechlichen Verwandten zu organisieren, sich um das Überleben ihres Betriebes sorgen, oder unter Einsamkeit und/oder Überforderung leiden. Aber die Existenzängste wären weniger. Und das Leben wäre planbarer. In Zeiten, in denen so vieles unsicher ist wie heute, ist das ein nicht unwesentlicher Aspekt.

Verlassen wir das Reich der Spekulation und gehen zu dem über, was wir wissen. Es gibt mittlerweile zahlreiche Versuche mit bedingungslosen Geldzahlungen an bestimmte Personengruppen - wie zum Beispiel langzeitarbeitslosen Menschen (in Finnland, aber auch in Österreich, nämlich im Waldviertel), oder Niedrigverdiener*innen (in Kanada). Obwohl die meisten dieser Versuche nicht die Resultate brachten, die sich die Initiator*innen gewünscht hatten - dass nämlich ein großer Teil der Grundeinkommens-Bezieher*innen eine neue Arbeit finden bzw. mehr arbeiten würde - zeigten sich in den meisten Studien folgende Effekte (im Detail beschreibe ich diese in meinem Buch):

  1. Die Betroffenen fühlten sich gesünder als jene Menschen, die kein Grundeinkommen bekamen- sowohl körperlich als auch psychisch. Der Wegfall der Existenzängste spielte hier eine Rolle, aber auch die Tatsache, dass sich Menschen weniger gestresst, gedemütigt und stigmatisiert fühlten.
  2. Menschenwürde. Für viele Betroffenen machte es einen großen Unterschied, sich nicht mehr als Bittsteller*in und Versager*in fühlen zu müssen - weil ihr Geld ja nun nicht mehr aus einem Topf kam, auf dem “Sozialhilfe” stand, sondern “Grundeinkommen” - und das bekam man unabhängig davon ob man einer Erwerbsarbeit nachging oder nicht.
  3. Kein wesentlicher Rückgang in der Erwerbsarbeit. Auch wenn die Bezieher*innen eines Grundeinkommens in der Folge nicht signifikant mehr arbeiteten, ging die Erwerbsarbeit jener, die einen Job hatten, im Durchschnitt auch nicht zurück. Für die Behauptung, dass Menschen, die Geld “einfach so” bekommen, faul werden, gibt es bislang keine Beweise.

Befürworter*innen eines bedingungslosen Grundeinkommens argumentieren zudem, dass eine solche Zahlung, die man bei der Geburt eines Menschen ein- und bei seinem Tod wieder ausschaltet, weniger Bürokratie bedeuten würde. Gerade in der Coronakrise wäre das wünschenswert - nicht nur, weil es Geld spart, sondern weil es für die betroffenen Menschen Planbarkeit bedeutet: Sie müssen nicht wochen- oder monatelang in der Unsicherheit leben, ob, von wem, und wie lange ihnen geholfen wird. Und nur Planbarkeit ermöglicht es Menschen, selbstbestimmt zu leben - und sich vielleicht auch beruflich umzuorientieren wenn man etwa zum Schluss kommt, dass der eigene Job oder der Familienbetrieb die Coronakrise wohl nicht überstehen wird. So würde ein bedingungsloses Grundeinkommen keineswegs das “Ende der Arbeit” bedeuten - vielleicht sogar im Gegenteil.

Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. News.at macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.