Für Rendi-Wagner wird es schwieriger

Die Tirol-Wahl liefert einen Vorgeschmack darauf, was die SPÖ-Vorsitzende erwartet: ein Kräftemessen mit den Freiheitlichen, das den Weg ins Kanzleramt erschwert.

von Politische Analyse - Für Rendi-Wagner wird es schwieriger © Bild: Privat

Analyse

Seit 1945 steht die Tiroler Volkspartei unangefochten an der Spitze des Landes, und ebenso lange haben es die Sozialdemokraten geschafft, die Freiheitlichen bei Landtagswahlen hinter sich zu lassen. Beim Urnengang an diesem Sonntag könnte sich einiges ändern. ÖVP-Spitzenkandidat Anton Mattle rechnet mit schweren Verlusten für sich und seine Partei. Er wäre schon froh, 34 Prozent zu erreichen. Das wären um mehr als zehn Prozentpunkte weniger als beim letzten Mal (44,3 Prozent). Die Freiheitlichen fühlen sich selbst so sehr im Aufwind, dass sie ein Duell mit der ÖVP ausgerufen haben. Ob sie sich durchsetzen können, ist fraglich, bei dieser Konstellation läuft die Sozialdemokratie, die künftig unbedingt mitregieren möchte, jedoch Gefahr, übrig zu bleiben.

Zittern muss sie so oder so schon: Sie könnte den zweiten Platz, den sie hält, verlieren und zum ersten Mal in der Geschichte von der FPÖ überholt werden. In den meisten Umfragen mit diversen Schwankungsbreiten liegt das im Bereich des Möglichen. 17 bis 20 Prozent sind den beiden zuletzt ausgewiesen worden.

Neues Kräftemessen

Für SPÖ-Bundesparteivorsitzende Pamela Rendi-Wagner wäre es kein Trost, dass man vor Ort mehr als genug Gründe für eine Enttäuschung finden würde. Beispiele: Mit der Liste Fritz steht eine Partei hoch im Kurs, die ebenfalls Soziales auf ihre Fahnen geheftet hat und den Roten daher wehtut. Deren Frontmann, Georg Dornauer, wiederum kommt zwar in seiner ländlichen Heimatgemeinde Sellrain bestmöglich an – im Frühjahr wurde er mit 100 Prozent der gültigen Stimmen als Bürgermeister bestätigt. In der Vergangenheit hat er sich aber Dinge geleistet, die nicht unbedingt sozialdemokratisch wirken: 2019 beschlagnahmte die Polizei ein Jagdgewehr, das er in seinem damaligen Auto liegen gelassen hatte – einem Porsche.

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Das Problem für Rendi-Wagner ist, dass ein Landtagswahlergebnis immer auch bundespolitisch gesehen wird. Und dass ein Dämpfer gerade jetzt nach der Sache mit der Wien Energie als Ende ihres Höhenflugs in Umfragen interpretiert werden würde. Schlimmer für sie: Selbst wenn es nun einen Erfolg gibt, läuft es auch auf Bundesebene auf ein Kräftemessen mit den Freiheitlichen hinaus, das die Verhältnisse für sie grundlegend ändert.

Bisher konnte die SPÖ davon profitieren, dass die ÖVP verliert. Sie musste nicht viel tun dafür. Zunehmend gehen Wählerströme jedoch hin zur FPÖ. Damit geht eine Herausforderung für Rendi-Wagner einher: Sie muss sich mit Herbert Kickl (FPÖ) auseinandersetzen, um das zu stoppen – nicht nur im Hinblick auf kommende Landtagswahlen in Niederösterreich, Salzburg und Kärnten, sondern vor allem auch zur Rettung des Kanzleramtes, das sie nach der nächsten Nationalratswahl erobern möchte.

Zahl

Rosenkranz geht unter

Bei der FPÖ wirkt die Bundespräsidentenwahl bereits abgehakt: Im Mittelpunkt des jüngsten Parteitages standen die Bestätigung von Herbert Kickl als Obmann (mit 91 Prozent) und dessen Ansage, Kanzler werden zu wollen. Kein Wunder: Präsidentschaftskandidat Walter Rosenkranz wird den Erwartungen bisher nicht gerecht. Er liegt deutlich unter 20 Prozent.

Eine Kampagne für den 60-Jährigen ist kaum wahrnehmbar: Parteifreunden in Tirol ist ihre Landtagswahl an diesem Sonntag mit Aussicht auf ein Plus wichtiger. Er selbst ist nach anfänglichen Drohungen, die Regierung zu entlassen, zurückhaltender geworden – fast staatsmännisch für blaue Verhältnisse, jedenfalls aber so gar nicht nach der aggressiv-kämpferischen Art, die Herbert Kickl zu eigen ist.

Dieser Stil wird im Präsidentschaftswahlkampf von einem rechten Mitbewerber von Rosenkranz nicht nur gepflegt, sondern zugespitzt: vom Jörg Haider- und Donald-Trump-Bewunderer Gerald Grosz.

Der 45-Jährige setzt kompromisslos auf Protestwähler, die Politiker verachten: Regierende beschimpft er als "die größten Pfosten", gemeinsam mit Staatsoberhaupt Alexander Van der Bellen würden sie ein "Establishment" bilden, das das Land in den Ruin getrieben habe. Um jeden Preis auffallen, lautet die Devise. In einem Video, das Grosz selbst verbreitete, sang er fröhlich "Zipfel eini, Zipfel aussi".

Damit gewinnt er bisweilen mehr Aufmerksamkeit als Van der Bellen, fast täglich jedoch mehr als Rosenkranz. Dieser geht unter. Das ist messbar, wie eine Auswertung von Google-Suchanfragen zeigt. Was bewegt, das wird gegoogelt. Darunter etwa die "Wutrede" von Grosz. Rosenkranz hat nichts Vergleichbares zu bieten. Das mag für ihn sprechen, ist für Freiheitliche aber ein Problem: Sie haben bisher meist allein gegen das "Establishment" mobilisiert. Hier scheitern sie damit.

Bericht

Mahrer und Brunner statt Nehammer

Die Lage der ÖVP wirkt aussichtslos: Bundeskanzler und Parteichef Karl Nehammer ist es nicht gelungen, sie nach dem Abgang von Sebastian Kurz zu stabilisieren. Die Umfragewerte sind so schlecht, dass sie in der nächsten Regierung allenfalls den Vizekanzler stellen könnte. Wenn überhaupt – derzeit ist nicht einmal eine Mehrheit für eine "große" Koalition unter Führung der SPÖ gewiss.

Bei seiner Kür zum Parteiobmann hat Nehammer 100 Prozent erreicht. Es ist jedoch klar, wie das gemeint war: Man ist froh, dass er den Job macht. Langzeitauftrag ist es keiner.

Als Nachfolgerin, die es wieder richten soll, wird immer wieder die niederösterreichische Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) genannt. Was dagegen spricht: Sie muss sich Anfang 2023 einer Landtagswahl stellen und damit rechnen, dass sie danach angeschlagen ist. Fast 50 Prozent wie vor vier Jahren scheinen illusorisch.

Die Zahl weiterer Varianten, die möglich sind, ist minimal. Das hängt auch mit dem Anforderungsprofil zusammen: Eine Verwurzelung in der Partei ist ebenso wichtig wie ein gewisses Gewicht ebendort; außerdem sollte die Fähigkeit verkörpert werden, türkise Zeiten zu überwinden. Intern machen dafür neuerdings die Namen von zwei Männern die Runde, die ein Gespann bilden könnten: Harald Mahrer als Parteichef und Finanzminister Magnus Brunner als Spitzenkandidat für die Nationalratswahl, die spätestens in zwei Jahren stattfinden wird. Als Vorteil dieser Variante gilt auch, dass Nehammer die bestehende Koalition mit den Grünen zu Ende führen könnte.

Johannes Huber, Journalist und Blogger zur österreichischen Politik, www.diesubstanz.at