Bluttat erschüttert
Dorfidylle in Kitzbühel

25-Jähriger tötete Ex-Freundin und Familie in Bilderbuch-Ortsteil - Tatortarbeit noch nicht abgeschlossen

Ein idyllischer Ortsteil von Kitzbühel, in dem zahlreiche Häuser als Zweit- und Freizeitwohnsitze fungieren, wird von einem Fünffachmord erschüttert, bei dem ein 25-Jähriger seine Ex-Freundin und ihre Familie aus Eifersucht erschossen hat. In der Straße vor dem Haus herrscht betretene Ruhe, Passanten trifft man kaum an. Einige wissen noch gar nichts von der Tat, andere wiederum kannten die getöte Familie.

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Es ist ein Ortsteil wie aus dem Bilderbuch. Ein wenig oberhalb der Stadt, Fahrtrichtung Kitzbühler Horn, hat sich die grausame Tat ereignet. Diese Idylle wird drastisch gestört, wenn man den leicht ansteigenden Weg betritt, der zum Tatort führt. Zahlreiche Polizisten säumen den Weg, der Tatort ist abgesperrt, hinter dem Haus kann man am Balkon die Beamten der Spurensicherung bei ihrer Arbeit beobachten. Unweit vom Haus stehen zwei Trauerkerzen auf einer Wiese.

Viele Häuser wohl Zweitwohnsitze

Die Häuser in der Gegend wirken zum Teil unbewohnt. Die teilweise luxuriösen Anwesen deuten darauf hin, dass es sich um Zweitwohnsitze von gut situierten Leuten handeln könnte. Der Rest der Häuser wirkt bäuerlich, ein Bauernhaus-Museum befindet sich nicht weit entfernt vom Tatort. Ein Schild mit der Aufschrift "Gib Acht - ein Kind" belegt außerdem, dass hier auf der wenig frequentierten Straße ansonsten Kinder gehen oder gar spielen. Die vereinzelten Passanten am heutigen Tag sind aber Menschen, die einen gemütlichen Sonntagsspaziergang genießen oder eine Runde joggen gehen.

"Ich hab die getötete Familie gekannt"

Eine alte Damen zeigt sich erschüttert. "Ich habe die getötete Familie gekannt", sagt sie. Man habe sich von Zeit zu Zeit beim Einkaufen getroffen. Zum Täter hingegen hat sie nichts zu sagen, da er ihr unbekannt gewesen sei. "Ich kann mir aber eigentlich nur vorstellen, dass solch eine Tat im absoluten Affekt begangen worden sein muss", betonte die Passantin. Es sei alles einfach "entsetzlich", streicht sie hervor und setzt ihren Spaziergang fort.

"Oh Gott"

Eine junge Frau, die mit ihrem Auto und ihrer kleinen Tochter auf dem Beifahrersitz am Tatort vorbeikommt erkundigt sich wenig später danach, was passiert sei. Die ältere Dame gibt ihr bereitwillig Auskunft. Die Frau im Auto ringt um Fassung. "Oh Gott" , ist das einzige, das ihr im ersten Schockmoment dazu einfällt. Wenige Sekunden später kurbelt sie das Fenster wieder hoch und fährt weiter.

Top-Thema am Stammtisch

Unweit des Tatorts, bei einem Wirtshaus, ist die Tat Gesprächsthema Nummer eins. "Ganz schön was los hier bei euch", meint eine Paar um die 60, gerade aus dem Gasthaus kommend, zu einem älteren Herren. Danach vertiefen sie sich in die Details der Tat, die bisher an die Öffentlichkeit gedrungen sind. Auch der Kellner im Gasthaus selbst hat schon von der Bluttat gehört. Äußern will er sich aber lieber nicht. "Das Mädchen war mir aber nicht unbekannt", rutscht ihm dann doch heraus. Dann schweigt er.

»Es ist Neuland für uns, so etwas hat es hier in Kitzbühel noch nicht gegeben«

Ein Schweigen, dass das Unsagbare dieser Tat symbolisiert, die sich erst vor wenigen Stunden ereignet hat. Wie man damit umgeht, scheint vielen hier in der Gamsstadt noch unklar. "Es ist Neuland für uns, so etwas hat es hier in Kitzbühel noch nicht gegeben" , hatte zuvor auch schon der Bürgermeister von Kitzbühel, Klaus Winkler, hervorgestrichen. Als Zeichen der Trauer wurde die schwarze Fahne am Rathaus aufgezogen.

Familien hoch angesehen

Beide Familien, sowohl die des Verdächtigen als auch die Opferfamilie, seien in Kitzbühel hoch angesehen gewesen. Tirols Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) meldete sich via Facebook zu Wort. "Eine schreckliche Tragödie hat sich heute Nacht in Kitzbühel ereignet. Es sind Nachrichten, die einen sprach-und fassungslos zurücklassen. In diesen schweren Stunden sind meine Gedanken bei den Angehörigen und Freunden der Opfer", postete der Landeshauptmann. Das Kriseninterventionsteam war am Sonntag an Ort und Stelle und sprach mit Angehörigen und Bekannten.

Tat als Reaktion auf Ablehnung

Dass Männer ihre Ex-Partnerinnen umbringen - und manchmal auch deren Familien - kommt immer wieder vor. Wird nach einem Beziehungsende der Weg der Gewalt beschritten, sei dies eine Reaktion auf Ablehnung und subjektives Zurücksetzen, sagte der Psychologe Cornel Binder-Krieglstein. Bei einer erweiterten Tötung will der Täter auch das Umfeld der Kränkung auslöschen und ein Ende setzen. Ein folgender Suizid sei dann die komplette Auslöschung. Geschieht dies nicht, wollen manche die Vergeltung zur Gänze erleben, "mit allem, das dann folgt". "Sie wollen das Rampenlicht, die Aufmerksamkeit und die vermeintliche Anerkennung 'ernten'", sagte Binder-Krieglstein.

Tatortarbeit noch nicht abgeschlossen

Nach dem Fünffachmord Sonntagfrüh in Kitzbühel hat auch am Montagnachmittag die Tatortarbeit noch nicht abgeschlossen werden können. Die Tat dürfte aber sehr schnell und überraschend passiert sein, schilderte LKA-Leiter Walter Pupp. In dem Haus seien kaum Kampfspuren gefunden worden, weshalb es keinen größeren Widerstand der Opfer gegeben haben dürfte.

Auch die Obduktionen der Leichen waren am Montagnachmittag noch nicht abgeschlossen. Nähere Details der Obduktionsergebnisse sollen aus Rücksicht auf die Angehörigen aber nicht bekannt gegeben werden, meinte Pupp. Bereits am Sonntag konnte die Pistole, die der 25-jährige Verdächtige bei sich hatte, als er sich stellte, als Tatwaffe identifiziert werden.

Beschuldigter schildert Tat klar und strukturiert

Der Beschuldigte schilderte laut Pupp bei seiner Einvernahme die Ereignisse klar und strukturiert. Ein Alkoholtest nach der Tat am Sonntag sei negativ ausgefallen. Er war im Jahr 2014 für zwei Monate als Jugendreferent Mitglied der Stadtparteileitung der FPÖ Kitzbühel. Nach seinem Ausscheiden war er einfaches Parteimitglied, ohne Funktion oder Mandat. Noch am Sonntag wurde er aus der Partei ausgeschlossen. Über ihn wurde die Untersuchungshaft verhängt.

Indes konnte am Montag der ebenfalls getötete neue Freund der 19-Jährigen als 24-jähriger Oberösterreicher identifiziert werden. Er war zuletzt beim Kitzbüheler Eishockeyklub "Die Adler" unter Vertrag. Davor spielte er unter anderem für die "Liwest Blackwings Linz". Beide Vereine drückten ihr Beileid und ihr tiefes Bedauern aus.

Tat erschüttert ganze Stadt

In Kitzbühel hat auch am Montag immer noch Schockstarre geherrscht. "Die Stimmung ist betrübt und die Trauer ist sehr groß", sagte Bürgermeister Klaus Winkler. Die Tat beschäftige die gesamt Stadt. "Jeder aus der Stadt kannte zumindest einen aus der getöteten Familie", sagte Winkler. Auch mit dem Vater des Verdächtigen konnte er mittlerweile sprechen, erzählte der Bürgermeister. "Er ist völlig fassungslos", meinte Winkler. In den kommenden Tagen soll es eine Gedenkveranstaltung oder eine Gedenkmesse für die Verstorbenen geben. Auch die Landesregierung hielt am Montag im Rahmen der Regierungssitzung eine Gedenkminute ab.

Schockiert über den Fünffachmord zeigte sich auch der Salzburger Erzbischof Franz Lackner. Die Bluttat sei "eine Tragödie, die uns ohnmächtig zurücklässt". Es sei eine "sinnlose und unbegreifliche Tat" gewesen, so Lackner. "Unser Gebet und unser Mitgefühl gelten in diesen schweren, unerträglichen Stunden den Angehörigen und Freunden der Opfer", hielt der Erzbischof fest. Die Pfarre Kitzbühel gehört zum Tiroler Teil der Erzdiözese Salzburg.

Herausforderung für Kriseninterventionszentrum

Die Tat stellte auch für das örtliche Kriseninterventionsteam (KIT) eine "riesen Herausforderung" dar, sagte der Leiter des KIT in Kitzbühel, Gerhard Müller. Noch nie habe es in der Stadt einen derart großen Einsatz gegeben. Am Sonntag seien 22 Mitarbeiter des Kriseninterventionsteams im Einsatz gewesen. Um alles abdecken zu können, habe man sich auch Unterstützung aus dem Nachbarbezirk Kufstein und aus dem Salzburger Pinzgau geholt, berichtete Müller. Auch am Montag waren noch mehrere Teams des KIT mit rund 14 Mitarbeitern im Einsatz.

Das ist passiert

Der 25-Jährige hatte laut Polizei am Sonntag gegen 4.00 Uhr am Haus seiner 19-jährigen Ex-Freundin, in dem ihre gesamte Familie wohnte, geläutet. Nachdem der Vater den 25-Jährigen abgewiesen hatte, ging der junge Mann wieder nach Hause und holte sich die Pistole seines Bruders, die dieser in einem Tresor aufbewahrte. Gegen 5.30 Uhr kam der 25-Jährige erneut zum Wohnhaus der Familie und erschoss dort zunächst den Vater (59) der 19-Jährigen, dann ihre Mutter (51) und ihren Bruder (25), bevor er seine Ex-Freundin und ihren neuen Freund tötete.

Anschließend stellte sich der 25-Jährige bei der Polizeiinspektion Kitzbühel selbst. Das Motiv dürfte Eifersucht bzw. Zurückweisung gewesen sein, denn die 19-Jährige hatte vor zwei Monaten ihre Beziehung zu dem 25-Jährigen beendet.

SPÖ Langenzersdorf ruderte nach Posting zurück

Die SPÖ Langenzersdorf (Bezirk Korneuburg) hat nach dem Fünffachmord mit einem Facebook-Posting mit Hashtag "#nächsterFPÖAmoklauf" für Aufsehen gesorgt, um dann zurückzurudern. Der Beitrag, wonach der Tatverdächtige "glühender FPÖ'ler" gewesen sei, Worte wie "Nigga" verwendet habe und auf Autobahnen 220 gefahren sei, wurde wieder gelöscht. Mehrere Medien hatten berichtet.

"Offenbar hat unser gestriges Posting zu Missverständnissen geführt", ließ die Ortsgruppe am Montag auf Facebook wissen. "Wir wollen daher klarstellen, dass die Herkunft des Täters ein wichtiges Faktum ist, das bei all der berechtigten Trauer und Empörung über diese sinnlose und grausame Gewalttat nicht aus den Augen verloren werden darf." Am Sonntag hätten sich in rechten Foren "Schuldzuweisungen von rechten Hetzern" überschlagen.

»Nun stellt sich heraus, dass der Täter - erneut - aus dem engeren Umfeld der FPÖ kommt«

"Und nun stellt sich heraus, dass der Täter - erneut - aus dem engeren Umfeld der FPÖ kommt", schrieb die SPÖ Langenzersdorf weiter. "Erst unlängst schoss ein anderer FPÖ-Politiker wild von einem Balkon. Und auch das war kein Einzelfall." Denn bereits davor habe wieder ein anderer FPÖ-Politker auf eine 13-Jährige geschossen.

Der Hintergrund des Täters sei eine Tatsache, über die man sich aus Sicht der Ortsgruppe in diesem Zusammenhang ernsthaft den Kopf zerbrechen müsse und die sehr nachdenklich mache. "Wir richten uns gegen Hass und Hetze. Wir entschuldigen uns für allfällige Missverständnisse und drücken wie bereits gestern unser tiefstes Beileid den Hinterbliebenen aus", so die SPÖ Langenzersdorf.

Die unfassbare Härte dieser Tat in Kitzbühel "in einer derart widerlichen Art" politisch auszunützen, sei wohl "der absolute Tiefpunkt", den eine demokratisch gewählte Partei in Österreich je erreicht habe, kommentierte FPÖ-Generalsekretär Christian Hafenecker "die unglaubliche Entgleisung der SPÖ Langenzersdorf". SPÖ-Vorsitzende Pamela Rendi-Wagner sei "angehalten, diesem ungustiösen und nicht tolerierbaren Treiben" rasch ein Ende zu bereiten, betonte er. "Ich glaube nicht, dass dies die Richtung ist, die Rendi-Wagner in ihrem Facebook-Video als 'wir müssen die SPÖ radikal neu denken' bezeichnet hatte. Es bedarf nun klarer und eindeutiger Worte der SPÖ-Chefin".