Fußball mit oder ohne Juden

Schulbücher in Katar lehren Rassismus und Antisemitismus

von Peter Sichrovsky © Bild: News/Ricardo Herrgott

Als Israel mit der Niederlage gegen Schottland alle Chancen verspielte, an der WM teilzunehmen, ging ein hörbares Aufatmen durch Katar und auch die Fifa. Die Vorstellung, dass Tausende Fans in den Stadien israelische Fahnen schwingen würden, verursachte Albträume unter den Veranstaltern. Man beeilte sich, sämtliche religiösen Symbole auf Fahnen und Postern zu verbieten. Einzige Ausnahme: Das Kreuz auf der Fahne der Schweiz.

Katar hat ein mehr als problematisches Verhältnis zu Israel, zu Mitgliedern jüdischer Religionsgemeinschaften und zum Judentum. Die traditionell guten Kontakte zum Iran, die finanzielle Unterstützung von Terrororganisationen, insbesondere der Hamas, die die Großzügigkeit benutzt, um Tunnel von Gaza nach Israel zu bauen und Raketen zu kaufen, belastet seit Jahren die Beziehungen zu Israel. Als einzige Regierung hat sie die Beziehungen zu den Taliban nicht abgebrochen und kontrolliert bis heute den Flughafen in Kabul.

Direktflüge

In den vergangenen Jahren versuchte Katar zumindest auf Sport-Ebene eine Normalisierung. 2018 und 2019 nahmen israelische Sportler an den Artistic Gymnastics World Championships in Doha teil und gewannen eine Goldmedaille. Die Siegerehrung mit der Nationalhymne Israels wurde jedoch nicht im TV übertragen. Bei den World Judo Championships letztes Jahr in Doha nahmen 13 Sportler aus Israel teil. Zahlreiche Organisationen in Katar protestierten und forderten einen Boykott der israelischen Sportler, doch die Regierung ließ sich nicht beeinflussen. Weniger aus Rücksicht auf die Sportler, die Fußball-WM 2022 sollte auf keinen Fall gefährdet werden. Die Fifa machte von Anfang an klar, dass ein Ausschluss von Spielern und Zusehern aus Ländern, die Mitglied der Fifa wären, zu einer Verlegung der WM führen würde. Es gibt keine diplomatischen Beziehungen zwischen Israel und Katar, auch keine Flugverbindungen. Die Regierung in Katar verlautbarte jedoch, dass Besucher aus Israel willkommen wären, und bot eine Ausnahmegenehmigung für den Direktflug von Tel Aviv nach Doha. Keine einzige Fluggesellschaft nahm das Angebot an. Diese symbolträchtige Geste wollten Israelis dennoch nicht ignorieren. Es formierte sich eine Privatinitiative, sie charterte Flugzeuge für eine Verbindung nach Katar für Fußball-Fans. Die israelische Regierung garantierte Besuchern aus den Palästinensischen Gebieten und Gaza, mit einer Sondergenehmigung diese Flüge zu buchen, sodass Palästinenser und Juden, Christen, Drusen und Araber mit israelischen Pässen gemeinsam zur Fußball-WM reisen können.

Geschichtsfälschung

Mit der Möglichkeit eines Besuchs der Fußballbegeisterten aus Israel ist jedoch das Problem der Vorurteile gegen Juden, die jüdische Religion bis zur Geschichtsfälschung in Lehrplänen und den Medien nicht aus der Welt geschafft.

Vor zwei Jahren veröffentlichte die Anti-Defamation League (ADL) eine Dokumentation über die aggressive Hetze in Schulbüchern. Die übliche antijüdische Propaganda ist im Unterrichtsmaterial zu finden: wie "Juden versuchen, die Welt zu kontrollieren";"in der Thora werden Juden aufgefordert, zu töten und zu stehlen", dies sei Grundlage ihres Glaubens, und Verrat und Betrug seien typisch "jüdische Eigenschaften". Falsche und verhetzende Behauptungen über den angeblichen Hass der Juden gegen den Propheten: "In Medina haben Juden mehrere Male versucht, den Propheten Mohammed zu ermorden." Ebenso erschreckend, banal und voller Lügen sind die Geschichtsbücher über den Zweiten Weltkrieg. Juden seien selbst verantwortlich für den Holocaust: "Das Vorurteil der Deutschen gegenüber Juden war eine Folge der Verantwortung der Juden für die Niederlage im Ersten Weltkrieg." Die Tatsache, dass Zehntausende Juden in der deutschen Armee kämpften, viele in Offi ziersrängen, es sogar Militärrabbiner gab, scheint die Autoren nicht erreicht zu haben.

Vorurteil

Immer wieder wird betont, es sei eine kritische Position gegenüber Israel und nicht gegenüber Juden oder der jüdischen Religion. Das stimmt eben nicht. Während in den Schulbüchern Religionen wie Christentum und Buddhismus sachlich und wahrheitsgetreu beschrieben werden, ist der Text über das Judentum voller Lügen, Vorurteile und hasserfüllter, antisemitischer Propaganda.

Wenn es um Israel geht, fallen sämtliche Hemmungen. Die Gründung Israels sei zurückzuführen auf "bewaffnete zionistische Terroristen, die Palästinenser ermordeten". Die "Judaisierung" von Jerusalem sei ein Verbrechen, als hätte es dort die vergangenen Jahrtausende keine Juden gegeben. Es gäbe in Bezug auf Israel eine "Verpflichtung der Muslime", dieses Gebiet zu "befreien" - ohne Unterschied zwischen den "besetzten Gebieten" und dem Staat Israel. Damit wird bereits Schülern und Schülerinnen vermittelt, dass der bewaffnete Kampf gegen Israel eine "Pflicht aller Muslime" sei, und es daher -im Gegensatz zur Politik anderer arabischer Staaten wie Dubai und Bahrein -keinen Frieden mit Israel geben könne.

Universitäten

Auf den Universitäten geht die Propaganda weiter. Die Regierung von Katar finanziert auf der Universität NU-Q in Doha einen internationalen Lehrgang für Journalismus, der zukünftige Journalisten und Journalistinnen mit antisemitischer, antizionistischer und antiwestlicher Propaganda auf ihren Beruf vorbereitet. Die Canary Mission, eine Kommission, die Rassismus auf Universitäten untersucht, hat Hunderte Social-Media-Posting des Lehrpersonals, der Studenten und Studentinnen veröffentlicht, in denen Adolf Hitler gepriesen wird, Israelis als "zionistische Schweine" beschrieben werden und dazu aufgerufen wird, jüdische Geschäfte, Professoren und Organisationen zu boykottieren. Der Bericht der Canary Mission kommt zu dem Schluss: "Professoren des NU-Q-Studienprogramms vertreten einen Lehrplan voller Vorurteile mit rassistischen, antisemitischen und antiwestlichen Lehrinhalten."

In einem von Dutzenden Beispielen wird aus der - von den Professoren angenommenen - Abschlussarbeit des Studenten Nasal Aqeel zitiert: "Ich würde mir wünschen, Adolf Hitler wäre noch am Leben, dann könnte er alle Juden umbringen, die jetzt das wunderschöne Land Gaza angreifen."

Zeitungen

Die zweite, ebenso wichtige Säule der antijüdischen Propaganda der Regierung sind die Medien. Leugnen des Holocaust, Geschichtsfälschung und antisemitische Propaganda sind Grundlagen einer staatlich organisierten Hetze. In der Tageszeitung "Al-Quds Al-Arabi" schrieb ein ehemaliger Unterrichtsminister, der Holocaust sei historisch nicht belegt und durch nichts nachgewiesen, werde jedoch von Juden als "heilige Erzählung" benutzt, um aus Deutschland möglichst viel Geld herauszuholen.

Am 26. Mai 2020, als die Fußball-WM längst beschlossen war und Fifa-Präsident Gianni Infantino die WM in Katar als "Fest der Gemeinsamkeit und des Friedens" pries, veröffentlichte die wichtigste Tageszeitung in Doha einen Kommentar der ehemaligen Parlamentsabgeordneten Toujan Al-Faisal, dass Konzentrationslager gebaut werden mussten, um "die zionistische Mobilisierung gegen Deutschland abzuwehren". Weiters schrieb sie: "Das Tagebuch der Anne Frank ist eine Fälschung, da es mit einem Kugelschreiber geschrieben wurde, den es damals noch gar nicht gab."

Das israelische Außenministerium warnte die 20.000 Besucher aus Israel vor einem naiven Patriotismus, sie sollten sich öffentlich nicht als Juden oder Israelis erkennbar geben. Mit gutem Grund. Laut der Pro-Taliban-Zeitung "Roznama Ummat", die in Pakistan erscheint, haben 2.000 Freiwillige in Kooperation mit den Behörden in Katar ihre Ausbildung als Da'wa-Preachers (Missionare) abgeschlossen. "Ungläubige" unter den Fußball-Fans sollen durch persönliche Gespräche zum Islam bekehrt werden. Während religiöse Literatur anderer Religionen und Symbole wie Davidstern und Kreuz verboten sind, wurde Propagandamaterial über den Islam in einem Dutzend Sprachen vorbereitet. Die WM sei eine "goldene Gelegenheit für den Ruf zum Islam", betitelte das Taliban-Blatt den Beitrag.