Frauenvolksbegehren geht
in die Eintragungswoche

Warum es weder realitätsfern noch radikal ist, erklären die Leiter im Interview

Heute startet die Eintragungswoche des Frauenvolksbegehrens, das bis 8. Oktober nun 650.000 Unterschriften erzielen will, das in der ersten Phase bereits 247.436 UnterstützerInnen fand. News.at hat damals mit Projektleiterin Lena Jäger und Christian Beger Unterstützer des Frauenvolksbegehrens (FVB) gesprochen. Dabei erklärten sie, warum ihre Forderungen weder realitätsfern noch radikal sind - und welche Rolle Wirtshausgespräche dabei spielen.

von Bis 8. Oktober - Frauenvolksbegehren geht
in die Eintragungswoche © Bild: Christopher Glanzl

1997 haben 650.000 Menschen das Frauenvolksbegehren unterstützt. Was würde es bedeuten, wenn diesmal weniger unterschreiben würden?

Lena Jäger: Das würde für uns nicht bedeuten, dass wir jetzt weniger wichtig sind. Wir sind bereits knapp vor einer viertel Million Unterschriften. Alleine das ist schon eine klare Aussage.

Berger: Außerdem stehen wir nicht in Konkurrenz zum alten Frauenvolksbegehren. Auch nicht in Konkurrenz zum Don’t-Smoke-Volksbegehren. Uns ist klar, dass unsere Forderungen um einiges komplexer sind. Dazu kommt, dass wir im postfaktischen Zeitalter leben. Von daher haben wir hier einiges mehr zu stemmen.

Warum sollte man am besten noch heute unterschreiben?

Jäger: Weil es Zeit ist. Zeit, endlich gemeinsam ein Zeichen zu setzen. Für echte Gleichwertigkeit aller Menschen. Denn davon haben auch Männer etwas. Wir wollen nicht, dass Männer nur unterschreiben, um uns einen Gefallen zu tun. Alle unsere Forderungen gelten für Männer wie für Frauen.

Was wäre ein erster Schritt in Richtung Gleichwertigkeit?

Jäger: Der Männer- und Geschlechterforscher Erich Lehner hat ganz deutlich gesagt, dass wir endlich anfangen müssen, uns die männlich geprägte Sichtweise zu teilen. Männer müssen von ihrem „Menschenbild“ die Hälfte an die Frauen abgeben.

»Wenn wir als Frauenvolksbegehren sagen, wir wollen eine Quote, dann heißt das nicht, dass wir ein Matriarchat wollen und überall Frauen herrschen.«

Wenn wir als Frauenvolksbegehren sagen, wir wollen eine Quote, dann heißt das nicht, dass wir ein Matriarchat wollen und überall Frauen herrschen. Wir wollen einfach, dass der weibliche Blickwinkel eine Rolle spielt.

Wieso dann Frauen -Volksbegehren?

Jäger: Natürlich geht es um alle Menschen. Aber die größte Gruppe, die aufgrund eines gemeinsamen Merkmals diskriminiert wird, sind Frauen. Schlimm genug, dass wir ernsthaft noch immer darüber reden müssen.

Das Frauenvolksbegehren fordert eine 30-Stunden-Woche. Kritiker meinen, das sei wirtschaftlich nicht haltbar.

Berger: Für die Arbeitszeitforderung werden wir seit über eineinhalb Jahren massiv kritisiert. Meiner Meinung nach wird sie auch politisch instrumentalisiert, um sich von uns abzugrenzen und als ökonomisch „fetzendeppert“ hinzustellen. In dieses Eck stellt man Feministen und Feministinnen sehr gerne. Dass sie nur an Utopien interessiert wären, die nicht umsetzbar sind. Das stimmt aber nicht.

Jäger: Unsere Forderungen sind nicht mal ansatzweise „fetzendeppert“. Im Gegenteil. Die Arbeitsstunden sind die letzten zehn Jahre gleich geblieben, die Menschen, die aber diese Arbeitsstunden haben wollen, sind mehr geworden. Männer arbeiten oft 40 Stunden, Frauen 20. Im Durchschnitt kommen wir also auf 60 Stunden, die ungleich verteilt werden. Durch Teilzeitverhältnisse kommt der Gender-Pay-Gap und der Pension-Pay-Gap zustande. Es führt außerdem dazu, dass Frauen schwieriger in Führungspositionen kommen.

Ihr seht eure Forderung also nicht als realitätsfern an?

Jäger: Arbeitsmarktexperten sagen, man kann nicht wirklich wissen, was passiert, wenn man eine 30-Stunden-Woche einführt. Dennoch: Bei dem zu bleiben, was jetzt ist - das wäre eindeutig „fetzendeppert“.

© Christopher Glanzl

Berger: Politik darf nicht in die Schreckstarre verfallen, nur weil etwas eintreten könnte.

Wir haben Männer befragt, was sie über das Frauenvolksbegehren denken. Einer meinte, er verstehe nicht, was gratis Verhütungsmittel mit Gleichberechtigung zu tun hätten. Habt ihr eine Antwort darauf?

Jäger: Diese Forderung soll darauf aufmerksam machen, dass Verhütung immer noch ein Frauen-Thema ist. Und es wäre inkonsequent gewesen, die Kostenübernahme von Schwangerschaftsabbrüchen zu fordern, aber nicht darauf zu achten, dass es zu weniger ungewollten Schwangerschaften kommt. Das Frauenvolksbegehren möchte nicht, dass die Zahl der Abtreibungen steigt. Wir wollen, dass Menschen eine Wahlfreiheit ermöglicht wird.

Dennoch sind eure Forderungen für einige zu radikal.

Jäger: Aber was hätten wir denn bitte fordern sollen? Wenn wir nur gleichen Lohn gefordert hätten, was hätte das den Frauen denn gebracht, wenn sie immer noch Teilzeit arbeiten müssen? Wenn sie immer noch schlechter bezahlte „typische Frauen-Berufe“ ausüben? Für einen Tropfen auf einen heißen Stein lohnt sich das nun wirklich nicht. Wir schwitzen hier jeden Tag Blut und Wasser.

»Das Frauen-Kapitel im Regierungsprogramm ist erschreckend.«

Was sagt ihr dazu, dass die Regierung nicht hinter dem Frauenvolksbegehren steht?

Jäger: Wenn sie hinter uns gestanden wären, hätten wir das Volksbegehren ja nicht machen müssen.

Wie beurteilt ihr das Frauen-Kapitel im Regierungsprogramm?

Jäger: Diese zweieinhalb Seiten? Erschreckend. Wir würden uns wünschen, dass der weibliche Blickwinkel in alle Kapitel integriert wird.

Ihr schreibt auf eurer Website, ihr seid eine „breite“ Bewegung – bei den Unterstützerinnen sieht man Personen auf Politik, Wirtschaft, Wissenschaft, Kunst, Kultur und Medien. Wie erreicht ihr aber eine alleinerziehende Haushaltshilfe?

Jäger: Wir haben uns von Anfang an überlegt, wie wir Menschen erreichen können. Dieses Volksbegehren kann nicht nur auf Facebook werben. Tun wir auch nicht. Wir sind auf der Straße, wir machen Stände in Leoben am Hauptplatz. Wir gehen aktiv auf die Menschen zu und führen Wirtshausgespräche.

© Christopher Glanzl

Was waren eure Erfahrungen bei den Wirtshausgesprächen?

Jäger: Die waren schon hart manchmal. Wo uns Männer und Frauen dezidiert gesagt haben „Aber wir wollen gar keine Gleichstellung“.

Muss man hier nicht aufpassen, nicht belehrend zu wirken? Dass man in ihr Wirtshaus kommt und ihnen die Welt erklären will?

Berger: Auf jeden Fall. Das war für uns, die aus einem akademischen Umfeld kommen, etwas, das wir nicht immer so gut drauf hatten. Wir haben aber versucht, ihre Geschichten mit unseren Forderungen in Perspektive zu setzen. Und einfach zuzuhören.

Wenn beim ersten Frauenvolksbegehren, wie ihr auf eurer Website schreibt, „wenig“ passiert ist, warum sollte sich diesmal etwas ändern?

Jäger: Dafür gibt es keine Garantie. Aber das ist kein Grund zu schweigen. Wir können nicht weiter stillschweigend zuschauen. Deswegen machen wir den Mund auf. Und dafür ist immer heute der richtige Zeitpunkt. Und morgen der falsche.

»Wir können nicht weiter stillschweigend zuschauen«

Berger: Vor kurzem wurde errechnet, dass es noch 900 Jahre dauern wird, bevor die Gleichstellung in der Praxis erreicht ist. So lange wollen wir nicht warten.

Unterstützungen für das Frauenvolksbegehren können bis zum 8. Oktober hier abgegeben werden.