Parteiausschluss:
So tolerant ist die FPÖ

Für welche Aussagen Politiker ausgeschlossen wurden – und wer bleiben durfte

Die FPÖ will an Udo Landbauer trotz der Liederbuch-Affäre festhalten. Wie weit genau müssen Funktionäre gehen, um für die Partei nicht mehr tragbar zu sein? Und welche Aussagen werden noch toleriert? Die "rote Linie" der Partei verlief in der Vergangenheit nicht immer einheitlich.

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Fall Landbauer - Parteiausschluss:
So tolerant ist die FPÖ

Er sehe derzeit keinen Grund, Udo Landbauer aus der Partei auszuschließen, sagte FPÖ-Chef und Vizekanzler Heinz-Christian Strache am Mittwoch. Der blaue Spitzenkandidat in Niederösterreich ist durch einen Skandal um NS-verherrlichende und antisemitische Texte in einem Liederbuch seiner Burschenschaft Germania massiv unter Druck geraten. Doch Landbauer selbst hätte sich nichts zu Schulden kommen lassen, ist Strache überzeugt. Als Parteichef habe er immer dann durchgegriffen, "wenn eine rote Linie überschritten" wurde. Das sei hier aber nicht passiert. Doch wo genau verläuft die von der FPÖ oft beschwörte "rote Linie"? Das war auch in den 13 Jahren, die Strache bereits Obmann ist, nicht immer ganz klar.

Unzählige Male hatten hochrangige FPÖ-Funktionäre in den letzten Jahren mit grenzwertigen Aussagen und Aktionen Kritik auf sich gezogen. Die Vorwürfe drehten sich dabei meist um Ausländerfeindlichkeit, Antisemitismus oder fehlende Abgrenzung zum Nationalsozialismus. In einem berühmt gewordenen Interview sprach Strache 2013 von "bedauerlichen Einzelfällen". Eine im Vorjahr vom Mauthausen-Komitee in Anspielung darauf veröffentlichte Broschüre listete allerdings rund 60 Vorfälle aus dem FPÖ-Umfeld auf, die seit dem Strache-Interview noch hinzugekommen waren. Doch in welchen Fällen kam es in der Folge auch zu einem Parteiausschluss, und wann nicht?

Asylwerber als "Erd- und Höhlenmenschen"

In Reaktion auf eine Demonstration von Asylwerbern in Traiskirchen schrieb Niederösterreichs FPÖ-Chef Christian Höbart 2014 in einem Facebook-Posting: "Skandalöserweise wissen es diese ganzen 'Erd- und Höhlenmenschen' nicht zu schätzen, dass sie hier bestes Essen, neue Kleidung und sonstigen Firlefanz bekommen!" Die Empörung der anderen Parteien war groß, die Partei stellte sich aber hinter ihn. Generalsekretär Herbert Kickl meinte, die Aussagen wären zwar "sicherlich überspitzt", einen Rücktritt werde es aber nicht geben. 2015 schrieb er dann unter ein Video von Flüchtlingen auf einem Schlauchboot: "Eine Seefahrt, die ist lustig / Eine Seefahrt, die ist schön". Landesparteichef und Abgeordneter ist er noch heute.

NS-Diktatur "im Vergleich zur EU liberal"

Im März 2014 veröffentlichte die "Süddeutsche Zeitung" im Vorfeld der EU-Wahl Aussagen Andreas Mölzers, der bei dieser als FPÖ-Spitzenkandidat antrat: Die EU nannte er darin ein "von einer Bande von Lobbyisten beherrschtes Negerkonglomerat" und verglich sie mit dem NS-Regime. Das Dritte Reich sei im Vergleich zur EU "wahrscheinlich formlos und liberal" gewesen, so Mölzer. Er bestritt die Aussagen zunächst, gab sie aber später zu und trat Anfang April als Spitzenkandidat zurück. Aus der Partei wurde er aber ebenso nicht ausgeschlossen. Für Medien ist er nach wie vor ein beliebter Interviewpartner, wenn es um FPÖ-Themen geht.

"Zionistische Geldjuden" schuld an Flüchtlingskrise

Für europaweite Aufregung sorgte die FPÖ-Nationalratsabgeordnete Susanne Winter schon 2008, als sie in einer Rede meinte, der Islam gehöre "dorthin zurückgeworfen, wo er hergekommen ist, nämlich jenseits des Mittelmeeres" und dass der Prophet Mohammed "im heutigen System ein Kinderschänder" wäre. Damals und auch nach weiteren islamfeindlichen Aussagen wurde sie von der Parteispitze aber noch in Schutz genommen. Erst als sie im Herbst 2015 ein antisemitisches Facebook-Posting, laut dem "zionistische Geldjuden" schuld an der Flüchtlingskrise seien, zustimmend teilte ("schön, dass Sie mir die Worte aus dem Mund nehmen ;-)"), wurde sie aus der FPÖ ausgeschlossen. Im Nationalrat saß sie noch bis Oktober 2017.

Breivik-Terror mit Abtreibungen aufgerechnet

Einen der Fälle, die Strache wohl meint, wenn er sagt, als Parteichef "stets hart durchzugreifen", ist jener des FPÖ-Abgeordneten Werner Königshofer. Wie Winter war auch er schon lange für beleidigende Aussagen bekannt: Kardinal Christoph Schönborn hielt er nach einer FPÖ-Kritik entgegen, dieser solle sich lieber "um die warmen Brüder, Klosterschwuchteln und Kinderschänder" in der Kirche kümmern. Den grünen Landtagsabgeordneten Gebi Mair nannte er "Landtagsschwuchtel". Doch als er 2011 nach den rechtsextremen Terroranschlägen von Anders Behring Breivik in Norwegen meinte, man müsse daneben auch an die "Opfer" von Abtreibungen und islamistischen Terror denken, schloss ihn die Partei aus.

Hans Kelsen heiße "eigentlich Hans Kohn"

Im Sommer 2017 tauchte der Mitschnitt eines Vortrags des FPÖ-Parlamentariers Johannes Hübner auf, die er ein Jahr zuvor auf einer rechten Tagung in Deutschland gehalten hatte. Hübner spielte darin mit antisemitischen Codes, indem er behauptete, der Schöpfer der österreichischen Verfassung Hans Kelsen habe "eigentlich Hans Kohn" (ein typisch jüdischer Nachname) geheißen. Diese Falschbehauptung ist seit langem in rechtsextremen Kreisen verbreitet. Nach tagelangen Protesten gab Hübner bekannt, bei der Nationalratswahl nicht mehr zu kandidieren. Aus der Partei ausgeschlossen wurde er allerdings nicht.