Forum Alpbach - Lob und Tadel für die Sozialpartnerschaft

Raidl für mehr Konfliktkultur: "Wir sind eine verlogene, falsche Konsensgesellschaft"

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Österreich würde mehr Konfliktkultur gut tun. "Wir sind eine verlogene, falsche Konsensgesellschaft", so Raidl, der auch als Vize-Präsident des Forum Alpbach aktiv ist. "Die Uraufgabe der Sozialpartner ist die Lohnfindung, dabei soll es bleiben." Als Negativbeispiele für die Sozialpartnerschaft führte Raidl die Öffnungszeitenregelungen im Handel und die Gewerbeordnung an. Ausdrücklich lobte der Ex-Manager die hohe Kollektivvertragsabdeckung in Österreich von rund 98 Prozent und die moderate Lohnentwicklung. "Die Sozialpartnerschaft hat ihre Verdienste bei der Lohnfindung, bei allen anderen Sachen nicht." Die mäßige Lohnpolitik sei "ein Segen" und habe Österreich Wettbewerbsfähigkeit und Beschäftigung gebracht.

Die neue GPA-djp-Chefin Barbara Teiber verteidigte die Sozialpartnerschaft und merkte an, dass vor allem die Arbeiterkammer in der Kritik stehe, nie aber etwa die Notariats-, Ärzte- oder Anwaltskammer. Nachdem die Arbeitszeitflexibilisierung mit dem 12-Stunden-Tag ohne Einbindung der Arbeitnehmervertreter von der Regierung durchgedrückt worden sei, würden sich die Lohnverhandlungen im Herbst "anders gestalten". "Es kann keiner erwarten, dass wir Business as usual weitermachen."

Die Linzer Soziologieprofessorin Susanne Pernicka verwies darauf, dass es aufgrund der Sozialpartnerschaft und der langen Tradition, Konflikte über Lohn und Arbeitszeit über Kompromisse zu lösen, in Österreich nahezu keine Streiks gibt. "Das unterscheidet Österreich von allen anderen europäischen Ländern." In den Jahren 2015 bis 2017 gab es in Österreich keinen einzigen Streik. Für Pernicka funktioniert die Sozialpartnerschaft in Österreich "gut" und im Vergleich zu Deutschland habe Österreich einen deutlich kleineren Niedriglohnsektor.

Der wirtschaftspolitischer Berater der Vertretung der EU-Kommission in Österreich), Marc Fähndrich, kritisierte den hohen Lohnunterschied zwischen Männern und Frauen in Österreich wegen der hohen Teilzeitquote von Frauen. Die Teilzeittätigkeit sei oftmals nicht freiwillig, weil es Probleme mit der Kinderbetreuung gebe. Dies führe auch zu niedrigen Pensionen von Frauen im Vergleich zu Männern und mehr weiblicher Altersarmut.

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