Nach Hochwasser-Katastrophe
wird Kritk an Behörden laut

Kroate erhebt Vorwürfe - Minenexplosion in Bosnien - Serbien berechnet Schaden

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Flut am Balkan - Nach Hochwasser-Katastrophe
wird Kritk an Behörden laut

"Mein ganzes Leben lebe ich an diesem Damm. Noch niemals ist er gebrochen, und es ist kein Zufall, dass das jetzt passiert. Er ist genau an der Stelle gebrochen, wo jahrelang ununterbrochen Sand gestohlen wurde", sagte der Dorfbewohner Goran Basic der kroatischen Zeitung "Novi list". Der Sand sei Wochenende für Wochenende in Lastwagen abtransportiert worden, so Basic. "Das ganze Dorf weiß das", sagte der Mann und fügte hinzu, dass mehrere Leute davor gewarnt hätten.

Die Vorwürfe richtete er an die staatliche Wasserwirtschaft Hrvatske Vode und ein lokales privates Unternehmen, das den Damm errichtete. Beide wiesen die Vorwürfe zurück. "Das kann nicht stimmen", sagte Ivica Plisic, Chef von Hrvatske Vode, der Zeitung. "Schon davor hat die Inspektion keine Unregelmäßigkeiten festgestellt. Das Wasser war über dem Niveau des Damms, das hätte überall passieren können", so Plisic.

"Sollen sie mich klagen"

Goran Basic aber bleibt bei seiner Aussage: "Sollen sie mich klagen, wenn sie glauben, dass das nicht stimmt. Aber es gibt noch andere Zeugen."

In Medien waren Gerüchte aufgetaucht, wonach mit dem Schotter aus Rajevo Selo eine Teilstrecke des Paneuropäischen Verkehrskorridors 5C gebaut worden sei. Die staatliche Autobahngesellschaft HAC wies die Vorwürfe zurück und betonte, dass es Aufzeichnungen darüber gebe, wo der für die Bauarbeiten verwendete Sand abgebaut worden sei. Premier Zoran Milanovic ordnete eine Untersuchung der Vorwürfe an.

Rajevo Selo befindet sich im Landesteil Vukovar-Srijem, wo die Regierung am Dienstag den Katastrophenzustand ausgerufen hat. In Kroatien starben bei den Überflutungen zwei Personen, eine davon in Rajevo Selo. In Slawonien im Osten Kroatiens wurden seit dem vergangenen Wochenende etwa 15.000 Menschen in Sicherheit gebracht. Mehrere Ortschaften stehen noch immer komplett unter Wasser.

Bosnien fürchtet Minen

In einem überschwemmten Minenfeld nahe der nordbosnischen Stadt Brcko ist es am Mittwoch laut Medienberichten zur Explosion einer Landmine gekommen. Verletzte gab es demnach nicht. Das Zentrum für Minenräumung in Sarajevo appellierte unterdessen an die Bevölkerung, gefundene Minen nicht zu berühren, sondern die Umgebung mit Warnschildern abzusichern.

Die bosnischen Minenräumungsdienste erhielten mittlerweile Unterstützung aus dem Ausland, etwa aus Belgien. Bis Monatsende sollen neue Landkarten mit potenziellen Minenfeldern in den von Überschwemmungen betroffenen Regionen angefertigt werden. Die belgischen Helfer wollten am Mittwoch zunächst mit einer Drohne die verminten Gegenden um Maglaj und Doboj, zwei der von den Überschwemmungen am stärksten betroffenen Städte im Nordosten, aus der Luft dokumentieren. Große Gefahr herrscht auch in der Gegend des Flusses Save sowie im Una-Sana-Kanton im Westen des Landes.

In Bosnien sind weiterhin etwa 1.215 Quadratkilometer bzw. 2,4 Prozent des Landesgebietes vermint. Die Minenfelder befinden sich an den einstigen Frontlinien, so etwa bei Maglaj und Doboj. Seit Jahresbeginn wurden vier Personen durch Minenexplosionen getötet.

Die Situation in den überschwemmten Regionen wird nach dem Zurückgehen des Wassers durch rasch ansteigende Tagestemperaturen erschwert. Nun drohe der Ausbruch des West-Nil-Fiebers und die Verbreitung von Milzbrand, warnte am Mittwoch Nihajd Fejzic von der Veterinärmedizinischen Fakultät in Sarajevo. Starker Fäulnisgeruch breitete sich in Maglaj und Doboj aus. Müllberge, Staub und Schlamm prägten das Straßenbild.

Serbien berechnet Schäden

Die serbische Regierung will bis 30. Mai eine Aufstellung der durch die katastrophalen Überschwemmungen angerichteten Sachschäden anfertigen. Das hat am Mittwoch die stellvertretende Ministerpräsidentin Zorana Mihajlovic angekündigt. Ersten offiziellen Schätzungen zufolge dürfte sich der Schaden auf mindestens eine Milliarde Euro belaufen.

Mihajlovic, die auch Verkehrsministerin ist, erklärte, dass von 3.500 des 17.000 Kilometer umfassenden höherrangigen Verkehrswegenetzes stark beschädigt oder ruiniert worden seien. Besonders schwierig sei die Situation für knapp 32.000 Menschen, die in den vergangenen Tagen ihre Häusern verlassen mussten.

Tausende Evakuierte wurden in Notunterkünften in Belgrad untergebracht. Nach Angaben der Behörden dürfte es unter anderem in Obrenovac, einer Stadt südwestlich von Belgrad, noch Wochen dauern, bis die Bewohner zurückkehren können.

Europa hilft

Serbien wird bei der Beseitigung der Hochwasserschäden auch mit Finanzmitteln des europäischen Solidaritätsfonds sowie mit den Mitteln aus der EU-Beitrittshilfe IPA rechnen können. Das erklärte Regierungschef Aleksandar Vucic nach einem Treffen mit der EU-Kommissarin für humanitäre Hilfe und Katastrophenschutz, Kristalina Georgiewa, am Dienstagabend. Georgiewa wurde am Mittwoch in Obrenovac sowie in Kostolac erwartet, wo deutsche, tschechische und französische Teams weiterhin bemüht sind, die Überschwemmung des Kohlekraftwerkes, einer der wichtigsten Stromproduzenten im Land, zu verhindern.

Serbien könne mit voller Unterstützung der Europäischen Union rechnen. Die humanitäre Hilfe treffe bereits ein, auf die Finanzmittel aus dem Solidaritätsfonds werde man etwa sechs Monate warten müssen, etwas weniger auf die IPA-Finanzmittel, erläuterte Georgiewa. Bei den IPA-Mitteln dürfte es um die Gelder gehen, die Serbien mangels Projekte in den Jahren 2011 und 2012 nicht genutzt hatte, berichteten Medien.

Ohne die EU-Hilfe hätte Serbien keine Chance, den durch die katastrophalen Überschwemmungen angerichteten Schaden zu beseitigen, meinte Vucic. Die Hauptaufgabe liege allerdings an Serbien selbst, unterstrich der Regierungschef.

Lage stabilisiert

Die Pegel zahlreicher Flüsse zwar gesunken, die Situation war aber nach wie vor dramatisch: Erdrutsche, Grundwasser und Flüsse, die sich ihre eigenen Wege bahnten, bereiteten lokalen Krisenstäben anhaltendes Kopfzerbrechen.

In Obrenovac, der in Serbien am schwersten betroffenen Kleinstadt südwestlich von Belgrad, mussten in der Nacht auf Mittwoch die letzten noch nicht evakuierten Bewohner ihre Häuser verlassen. Seit Freitag wurden dort mehr als 24.000 Menschen in Sicherheit gebracht. Der Kampf gegen die Wassermassen wurde auch im Kohlekraftwerk TENT fortgesetzt, auf das die Hälfte der serbischen Stromproduktion entfällt. Aus Belgrad wurden 60.000 zusätzliche Sandsäcke geschickt.

In der serbischen Hauptstadt, wo an der Save und Donau Schutzdämme errichtet wurden, wurde die Situation als sicher bewertet. In Sabac, wo unter anderem österreichische Hilfsteams im Einsatz sind, hat sich die Lage entspannt. Entwarnung wurde für die Kleinstadt an der Save jedoch noch nicht gegeben.

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