Darum für Kids am
Flohmarkt shoppen

Warum jetzt auch Hipster-Eltern den Billig-Trend für sich entdeckt haben

Was noch vor wenigen Jahren als No-go-Area für frisch gebackene Mütter und Väter galt, avanciert besonders in den urbanen Gegenden immer mehr zum absoluten Muss-hin-Termin für jene, die zuhause kleine Prinzessinnen und Prinzen einzukleiden haben. Die Rede ist von Kinderflohmärkten. Auf denen wühlen sich dann hoch motivierte Erziehungsberechtigte durch unzählige Kisten voller Second-Hand-Kleidung für den lieben Nachwuchs – stets auf der Suche nach Textil-Schnäppchen, die im heimischen Kinder-Kleiderschrank noch fehlen.

von Kinderkleidung auf dem Flohmarkt © Bild: Shuttersock.com

"Beinahe die komplette Sommergaderobe für meinen Sohn habe ich auf dem Flohmarkt gefunden. Und sie hat mich nur 30 Euro gekostet", erklärt Ilona stolz. Die passionierte Flohmarkt-Besucherin deutet auf einen beachtlichen Stapel Kinderkleidung, den sie vor sich aufgetürmt hat, und erklärt: "Die Auswahl am Flohmarkt ist riesig. Nur dort habe ich die Möglichkeit auch Markenkleidung sehr günstig einkaufen zu können. Und das bedeutet, ich kann in großen Mengen zuschlagen."

KOMMEN SIE, KAUFEN SIE. So wie Ilona greifen Eltern, Großeltern und Co. gerne gleich mehrmals pro Jahr tief in fremde Kleiderstapel und Spielzeugkisten, sobald die Märkte rund um Tand und Trödel aufsperren. Die Gründe dafür sind vielfältig. An erster Stelle steht der Billig-Faktor. Viele Besucher kommen mit einem kleinen Budget und einer langen Einkaufsliste auf den Flohmarkt und verhandeln so geschickt beim Preis, dass sie letztlich mit einer abgehakten Liste und prall gefüllten Einkaufstaschen wieder nach Hause gehen - wohlgemerkt ohne ihren Etat überschritten zu haben. Dennoch sind es nicht nur die unschlagbar niedrigen Preise, die dafür verantwortlich sind, dass sich Mütter und Väter den Kinderflohmarkt um die Ecke als Fix-Termin im Kalender notieren.

Kaum etwas ist ökologischer und gesünder für die empfindliche Kinderhaut als gebrauchtes Gewand. Herwig Schuster, Umwelt-Chemiker bei Greenpeace, erklärt auf Anfrage von News.at: "Aus Abfall- bzw. Umweltsicht ist der Einkauf am Flohmarkt jedenfalls gut. Es gibt Chemikalien, die ausgewaschen werden und solche, bei denen Waschen wenig hilft, wie zum Beispiel bei Weichmachern. Hormonschädigende Nonylphenole allerdings können durch wiederholtes Waschen sehr wohl entfernt werden." Schuster merkt zudem an: "Rein gesundheitlich ist das Risiko einer Schadstoffaufnahme bei Oberbekleidung naturgemäß geringer als bei Unterbekleidung. So können etwaige chemische Substanzen aus Winterjacken von den Trägern kaum aufgenommen werden, während dies bei Socken oder Unterleiberln leichter möglich ist."

Kinderkleidung auf dem Flohmarkt
© Shuttersock.com

Obwohl sich auf Kinderflohmärkten der Kleiderschrank vom Nachwuchs ordentlich befüllen lässt, kaufen Mütter wie Ilona auch anderweitig ein: "Ich shoppe gerne online, vor allem in Outlets. Außerdem steuern Familie und Freunde oft tolle Einzelstücke bei." Die Mischung macht’s also: Die exklusive Haube eines skandinavischen Labels aus dem Kinderfachgeschäft peppt ein Flohmarkt-Outfit enorm auf. Es zeugt sowohl von Individualität als auch dem Gedanken an Nachhaltigkeit und setzt somit ein klares Zeichen gegen die Wegwerf-Gesellschaft.

KEIN UMTAUSCH MÖGLICH. Wer das klassische Kauferlebnis im Geschäft dem oftmals wilden Treiben am Flohmarkt vorzieht, verringert mitunter Fehlkäufe. Denn ein rasch mitgenommenes Second-Hand-Shirt kann sich zuhause bei eingehender Betrachtung als verzogen oder fleckig erweisen. Und auch wenn die Größe nicht passt: Gekauft ist gekauft. Auf dem Flohmarkt gibt es keine Garantien und Umtauschrechte bei Unzufriedenheit mit den erworbenen Teilen. Außerdem ist das Angebot nur in den seltensten Fällen ein aktuelles, weswegen dort beispielsweise passende Bettwäsche zum gerade in den Kinos angelaufenen Walt-Disney-Film eine Seltenheit ist. Wer zudem nach Dreirädern, Laufwagerln oder einer Kinderküche sucht, ist auf Online-Plattformen wie Willhaben oder Shpock besser aufgehoben. Zwar fällt beim Online-Geschäft einiges vom persönlichen Kontakt weg, doch es lohnt sich vor allem aus organisatorischen Gründen für beide Seiten sperrige Habseligkeiten dort zu erwerben.

Flohmärkte versprühen eine besondere Atmosphäre, die nicht jedem liegt. Ilona fasst es recht pragmatisch zusammen: "Oft ist es schlicht und einfach anstrengend. Es herrscht dichtes Gedränge rund um die Stände. Und natürlich muss ich mich durch viele Kisten wühlen, bevor ich fündig werde. Auch sind die wenigsten Indoor-Flohmärkte klimatisiert." Vintage und die Idee des Upcycling liegen im Trend. Doch wer gerne entspannt im hippen Ambiente inklusive Kaffee-Latte-Pause shoppen geht, ist in den mondänen und manchmal auch hochpreisigen Boutiquen der Innenstädte und Einkaufszentren besser aufgehoben.

KINDERFLOHMARKT ALS KULT-EVENT. Das galt zumindest bislang so. Die Markt(!)-Lücke zwischen den klassischen Kinderflohmärkten in Pfarrhöfen oder Gemeindezentren und dem Edel-Shopping in exklusiven Kinderfachgeschäften schließt seit kurzem die in Wien bereits Kult gewordene Flohmarkt-Reihe "Mondscheinbazar". Dort lässt sich seit 2013 umrahmt von Life-Musik und Food-Trucks sowie positioniert in coolen Locations wie neuerdings der Ottakringer Brauerei nach Herzenslust Tand aus Zweiter Hand erwerben. Das Zielpublikum: der jung-urbane Hipster, der nach einem neuen, alternativen Shopping-Erlebnis sucht.

Dominik Petzoldt, Veranstalter und Inhaber des mehrmals jährlich stattfindenden Events, erkannte die Zeichen der Zeit und organisiert nun neuerdings auch einen Bazar im kindgerechten Mini-Format. "Derzeit herrscht ein regelrechter Hype, was Flohmärkte angeht. Unser Ableger für alles rund ums Kind wurde also genau im richtigen Moment geboren und überrascht seine Besucher mit neuem, frischem Flair," freut sich der 39-Jährige und ergänzt: "Den Mini-Mondscheinbazar besuchen vermehrt junge Familien aus der Mittelschicht, die einerseits günstig einkaufen möchten, andererseits aber durchaus über Kaufkraft verfügen. Fündig werden sie sowohl bei den privaten Anbietern als auch bei den gewerblichen wie Künstlern oder Kreativ-Designern, bei denen die Preise teilweise im oberen Segment angesiedelt sind." Viele Eltern wollen verantwortungsbewusst und zielgerichtet einkaufen, um ihren Kindern ein Vorbild zu sein und ihnen ein gesundes und lebenswertes Morgen bieten zu können. Petzoldt resümiert: "Es geht also darum, neuwertig aber gebraucht zu kaufen."

FLOHMARKT 2.0. Mit ihrer immer stärkeren Online-Präsenz beeinflussen Flohmarkt-Betreiber das Image des traditionellen Handelns mit dem Trödel. Jung, medienaffin, individuell, umweltbewusst und preisorientiert sind jene, die sich heute im Internet durch das umfangreiche Angebot an Flohmärkten klicken. Wer ein gutes Geschäft mit der Ware aus Zweiter Hand machen möchte, pflegt außerdem seinen Social-Media-Auftritt. So tut es auch der Metamarkt, Österreichs größter In- und Outdoor-Flohmarkt, der am 07. Mai in der Donaustadt in das Geschäft mit der gebrauchten Ware einsteigt. Ähnlich dem Konzept des Mondscheinbazars erwarten die Besucher Food-Trucks zur Verköstigung sowie trotz altem Tand ein moderner, cooler Zeitgeist. Besonders interessant für Eltern ist der Metamarkt am 04. Juni. In der sogenannten Mottohalle, die sich wöchentlich einem anderen Schwerpunkt widmen wird, findet an diesem Sonntag ein Baby- und Kinderflohmarkt statt.

TEIL DES KREISLAUFS. In wenigen Wochen wird auch Ilona erneut ihren Stand am Kinderflohmarkt mit zu klein gewordener Kleidung ihrer Kinder befüllen. Ware, die sich trotz mehrmaliger Versuche am Flohmarkt nicht verkaufen lässt, spendet sie letztlich Hilfsorganisationen: "In meinem näheren Umfeld gibt es momentan keinen Nachwuchs, den ich mit Gewand oder Spielzeug beglücken könnte. Und einwandfreie Kleidung oder funktionierendes Spielzeug im Müll zu entsorgen, bringe ich einfach nicht übers Herz."

Als Ilona ihrem dreieinhalbjährigen Sohn Raphael bei nächster Gelegenheit eine Hose vom Flohmarkt anzieht, erklärt sie: "Ich glaube, dass kleine Kinder den Unterschied noch nicht wirklich kennen, ob Kleidung gebraucht oder neu ist. Für sie zählen andere Dinge." Raphael nimmt unterdessen interessiert die Applikationen am rechten Hosenbein wahr: "Die ist ja cool, mit einem roten Auto drauf", zeigt er sich zufrieden über die Kaufentscheidung seiner Mutter. Dann läuft er los Richtung Garten und seine Mutter bleibt völlig entspannt dabei, als er sich nur wenig später mitten in eine Gatschlacke hüpfend so richtig schmutzig macht. Zum Glück war seine Hose ein absolutes Schnäppchen und darf darum ruhig in vollem Umfang – und kindgerecht – zum Einsatz kommen.

Kinderflohmärkte im Überblick

• Kinderflohmarkt: SA, 13.05., 10-14.00 Uhr, Rennbahnweg 27, 1220 Wien, mehr Info unter: floh-rbw@gmx.at

• Mini-Mondscheinbazar: SA, 16.09., 10-14.00 Uhr, Ottakringer Brauerei, Ottakringer Platz 1, 1160 Wien

• Metamarkt Baby- und Kinderflohmarkt: SO, 04.06., 7-14.00 Uhr, Stadlauer Straße 41a, 1220 Wien

• Riesenkinderflohmarkt: SO, 25.06. und 10.09., 11-14.00 Uhr, Haus der Begegnung, Angererstraße 14, 1210 Wien

• Kinderflohmarkt: SA, 23.09., 8-16.00 Uhr, Hans-Kudlich-Gasse 28, 2230 Gänserndorf (NÖ), mehr Info unter: veronika.samstag@gaenserndorf.at

Weiterführender Link: www.flohmarkt.at

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