Migrations-Routen sperren
nutzlos: "Die kommen trotzdem"

Sagt Expertin Sunjic und schlägt stattdessen vor, Geldflüsse an Schlepper zu stoppen

Die Flüchtlingspolitik der EU-Staaten sei von Kurzsichtigkeit und Populismus geprägt. Zu diesem Urteil kommt die Migrationsexpertin Melita Sunjic im Interview mit dem "Kurier". "Man kann nicht einfach sagen: 'Wir sperren die Routen.' Die kommen trotzdem", sagte die langjährige UNHCR-Mitarbeitern. Wichtig wäre es hingegen, das Schlepperwesen finanziell auszutrocknen.

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Flüchtlinge - Migrations-Routen sperren
nutzlos: "Die kommen trotzdem"

"Niemand kann mir einreden, dass es nicht möglich ist, die Geldflüsse zu stoppen", betonte Sunjic. Man kenne die Schlepper, die zum Teil auch auf Facebook präsent seien. "Das ist nicht alles geheim. Die Kunden müssen sie ja finden." Früher seien die Angebote "sehr unprofessionell" gewesen, mit der restriktiveren Politik in Europa habe ein Wandel hin zur "voll entwickelten, international organisierten Kriminalität" stattgefunden. Die Auswirkung davon sei, dass das Schleppergeschäft für Flüchtende "teurer und gefährlicher" geworden sei.

"Legaler Immigrationsmechanismus" fehlt

Auf der Ebene der Einwanderungspolitik vermisse sie einen "legalen Immigrationsmechanismus", sagte Sunjic. "In Afrika ist es durchaus üblich, dass man mal ein paar Jahre Geld verdienen und wieder zurückgehen will", erklärte sie. Das sei aber in den derzeitigen Strukturen nicht möglich, die Menschen würden wegen fehlender Alternativen "in den Asylkanal gedrängt", der dadurch überlastet werde.

Neue Hauptroute über Spanien

Die Hauptroute für afrikanische Migranten nach Europa könnte sich indes nach Einschätzung des Chefs der EU-Grenzagentur Frontex bald von Italien nach Spanien verschieben. "Wenn die Zahlen dort so steigen wie zuletzt, wird sich dieser Weg zum wichtigsten entwickeln", sagte Frontex-Direktor Fabrice Leggeri der "Welt am Sonntag".

Im Juni habe Frontex rund 6.000 irreguläre Grenzübertritte nach Spanien gezählt. Etwa die Hälfte dieser Menschen seien Marokkaner, die anderen stammen aus Westafrika.

Über Marokko nach Europa

Dass die Route über Libyen schwieriger zu benutzen sei, habe sich auch bei Migranten und Schleusern herumgesprochen, sagte Leggeri laut Vorabbericht. Im Transitland Niger werde den Menschen daher seit einigen Monaten angeboten, statt über Libyen via Marokko den Weg nach Europa zu suchen. Auf der Route zwischen Marokko und Spanien schleusten kriminellen Netzwerke dort nicht nur Migranten, sondern versuchten, mit deren Hilfe im großen Stile Drogen zu schmuggeln. Fast die Hälfte aller Rauschgiftfunde von Frontex an den EU-Außengrenzen seien in Marokko und Spanien gemacht worden - rund 65 Tonnen.

Leggeri sprach sich dafür aus, die Pläne für internationale Unterkünfte in Afrika voranzutreiben, damit niemand mehr davon ausgehen könne, dass er nach seiner Rettung nach Europa gebracht werde. "Wenn es diesen Automatismus nicht mehr gibt, können wir das kriminelle Geschäftsmodell erfolgreich bekämpfen."

Die Europäische Union hatte sich bei dem Gipfeltreffen vergangene Woche unter dem Eindruck der deutschen Regierungskrise auf eine Verschärfung ihrer Asylpolitik geeinigt. Künftig können demnach gerettete Bootsflüchtlinge in zentralen Sammellagern in der EU untergebracht werden. Ähnliche Lager in Nordafrika werden geprüft. Die Grenzschutzagentur Frontex soll schon bis 2020 verstärkt, die EU-Außengrenzen sollen stärker abgeriegelt werden.