Die große Ski-Materialschlacht

Teure Doppelbelastung durch Saison und Materialumstellung stresst die Hersteller

Die Skifirmen im alpinen Weltcup mögen viele Sorgen haben, zu wenig Arbeit zählt derzeit sicher nicht dazu. Die Hersteller müssen nämlich an zwei Fronten kämpfen. Neben dem Optimum für die anstehende Saison will auch schon das Material für den WM-Winter 2012/2013 gebaut werden. Die von der FIS beschlossene Materialrevolution führt zu einer nicht nur zeitintensiven Doppelbelastung, auch die Kosten explodieren.

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FIS-Ski-Weltcup - Die große Ski-Materialschlacht

"Es ist eine Frühgeburt, die uns einen Haufen Geld kostet", meinte Fischer-Rennchef Siegfried Voglreiter. Der Salzburger bezeichnete die Herausforderung aber auch als "spannend" und vermutete, dass sich vor allem im Riesentorlauf, wo die Änderungen am massivsten sind, die Hackordnung an der Weltspitze deutlich verändern könnte. Bullige Athleten wie einst Hermann Maier oder Andreas Schifferer könnten den spritzigen Leichtgewichten den Rang ablaufen.

"Eine schräge Geschichte. Die Maßnahmen schauen übers Knie gebrochen und unlogisch aus", befand auch Rainer Salzgeber von Head. Alleine im Speed-Sektor muss Head für die Saison 2012/2013 1.200 Paar rundum erneuerte Renn-Ski produzieren. "Wir kommen ganz schön zum Handkuss." Der Vorarlberger weist auf ein Kuriosum hin, das Head die Arbeit ein wenig erleichtert: Jene Ski, die 2007 aus Sicherheitsgründen als Herren-Abfahrtsski verbannt worden sind, entsprechen nun den neuen Richtlinien für die Damen-Abfahrt.

Von Herren zu Damen
"Damals waren diese Ski zu gefährlich für die Herren und jetzt passen sie für die Damen. Logisch ist das ganz sicher nicht", meinte Salzgeber kopfschüttelnd. Genauso wie bei den Athleten ist aber auch die Szene in der Ski-Industrie durch die bevorstehenden Änderungen gespalten.

Atomic-Rennsportleiter Rudi Huber steht den Sanktionen positiv gegenüber: "Die Studien der Uni Salzburg haben gezeigt, dass mit dem neuen Material die Fliehkräfte in der Kurve geringer werden. Wir erhoffen uns deshalb eine Verbesserung der Sicherheit. Schließlich haben wir eine Verantwortung für die Nachfolgegenerationen und zukünftigen Athleten."

Voglreiter hält dem entgegen, dass einst auch die breiteren Ski als neues Heilmittel gepriesen worden waren. "Und jetzt sollen es auf einmal Mordwaffen sein? Nur Studien nachzueifern ist gefährlich. Die wahren Experten sind die Athleten", meinte Voglreiter, der in der Sicherheitsdebatte Aspekte wie Kurssetzung oder Pistenpräparierung für mindestens genauso wichtig hält.

Alles auf Null
Voglreiter blickt intensiven Monaten für die Industrie entgegen, um weiter konkurrenzfähig zu sein: "Mit Ausnahme des Slaloms fangen wir überall bei Null an, bei Damen und Herren." Salzgeber ist im Sommer mit Prototypen der neuen Weltcup-Ski nach Chile geflogen, damit sich seine Schützlinge so früh wie möglich damit anfreunden können. Das Testen des Materials durch Ex-Athleten hält Salzgeber für nicht wirklich sinnvoll, "das müssen schon die aktuellen Topathleten machen".

Bei Atomic ist man derzeit am Fertigstellen der Formen für Abfahrt, Super-G und Riesentorlauf. Sollten die Testergebnisse positiv sein, könnte das eine oder andere Modell laut Huber sogar schon in dieser Saison bei Weltcup-Events zum Einsatz kommen. Vor allem die Riesentorlauf-freie Zeit im Weltcup von 7. Jänner bis 18. Februar soll dazu genützt werden, dass Spezialisten wie der Salzburger Philipp Schörghofer intensiv testen und die Entwicklung vorantreiben.

Sorge, dass sein Atomic-Schützling und Carving-Star Marcel Hirscher zu den großen Verlierern der Revolution gehören könnte, hat Huber keinesfalls: "Hirscher ist so ein genialer Skifahrer, dass er sich in kürzester Zeit darauf einstellen wird. Die Sache hört sich weit dramatischer an als sie ist."

Stiller aber nicht ruhiger
Im Lager der Athleten hat sich die erste große Aufregung zwar gelegt, laut Salzgeber rumort es aber weiterhin. Ein Streik für Sölden erscheint zwar höchst unwahrscheinlich, Ted Ligety und Co. wollen sich aber im Vorfeld des Auftakts mit FIS-Herren-Renndirektor Günter Hujara spätestens am Freitagnachmittag an einen Tisch setzen und Klartext sprechen.