"Frauen werden nicht
zu Alphatieren erzogen"

Karin Kisling, Gründerin des Robo-Advisors Savity und Initiatiorin eines für Frauen konzipierten Finanznewsletters, spricht über Unsicherheiten von Frauen bei der Geldanlage, Hürden im Job, automatisierte Vermögensverwaltung und darüber, dass Frauen Vorreiter bei nachhaltigen Geldanlagen sind.

von Finanzen - "Frauen werden nicht
zu Alphatieren erzogen" © Bild: Savity

Sie sind Gründerin des digitalen Robo- Advirsors Savity und Mitinitiatorin des Newsletters "Five Minutes for Finance". Die private Newsletter-Initiative, verfasst von unabhängigen Finanzexperten, will Frauen für Themen wie Sparen, Vermögensaufbau und Altersvorsorge sensibilisieren. Warum ist Ihnen das ein Anliegen?
Kisling: Wir haben die persönliche Erfahrung gemacht, dass Frauen im Umgang mit Geld oft unsicher sind und sich zu wenig um ihre Finanzen kümmern. Sie interessieren sich zwar dafür, sind aber risikoscheu und trauen sich auch nicht, zu fragen. Langfristig verzichten sie damit auf viel Geld, das ihnen im Alter fehlt. Außerdem haben viele Frauen einen disruptiven Lebenslauf, wechseln öfter Jobs und gehen in Karenz. Da ist es wichtig, mit dem Partner offen über Geld zu reden, auch wenn es noch immer ein Tabuthema ist. Mit unserem Newsletter wollen wir Frauen das notwendige Wissen vermitteln, damit sie ihr Finanzleben selbst in die Hand nehmen können.

Welche Themen wollen Sie Frauen näher bringen?
Wir zeigen anhand konkreter Beispiele aus dem Alltag, worauf es beim verantwortungsvollen Umgang mit Geld wirklich ankommt. Nachhaltigkeit bildet ebenfalls einen Schwerpunkt. Wir erklären auch häufig verwendete Finanzbegriffe wie Rezession oder Inflation. Während des Lockdowns haben wir einen Blick auf die staatlichen Förderungen für angeschlagene Airlines geworfen und am Beispiel der AUA kritisch hinterfragt.

Sie sind das Gegenteil vieler Frauen, die sich vor der Materie Geldanlage scheuen. Was hat Sie bewogen, in die Finanzbranche einzusteigen?
Ich bin 59, und vieles, was einer Frau früher den Karriereweg erschwert hat, hat sich seither relativiert. Als ich die Uni abgeschlossen hatte, gab es für Frauen nicht viele Möglichkeiten, im Management zu arbeiten. Ein Artikel im trend gab die Initialzündung, es trotzdem zu versuchen. Darin wurde die Girozentrale als die Eliteschmiede schlechthin für angehende Banker beschrieben. Das war prägend. Viele an der WU hatten danach den Traum, Karriere in einer Bank zu machen. Ich hab mich auch beworben. Zweifel, es nicht zu schaffen, hatte ich nie. Meine Eltern haben mich so erzogen, dass ich nie auf die Idee gekommen wäre, als Frau etwas Minderes zu sein. Ich wurde als eine von wenigen für einen Trainee-Job ausgewählt. Dass ich im Trading landete, war purer Zufall. Die Giro war damals auch die einzige Bank, die eine Frau als Trader einstellte. In den 80ern war ich die erste Akademikerin auf einem Trading-Floor.

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Wie schwierig war es, danach in einem Topjob in einer Bank als Frau zu bestehen?
Am Anfang war es hart, aber ab einem gewissen Karrierelevel ging es leichter. Ich war immer die einzige Frau bei Verhandlungen und deshalb im Mittelpunkt. Eine gläserne Decke gab es trotzdem. Echte Chancen auf einen Job in der obersten Managementebene blieben Frauen verwehrt. Ich war auch nicht bereit, mich in sinnlosen Karrierespielchen aufzureiben, und ging deshalb nach London. Im Investmentbanking habe ich dort besser verdient. Die Karrierechancen waren aber ebenfalls limitiert, das Klassendenken präsent.

Viele Frauen limitieren sich in ihren Möglichkeiten auch selbst und überlassen den Weg an die Spitze den Männern. Warum ist das so?
Frauen sind nicht darauf konditioniert, konfliktfreudig zu sein, und werden auch nicht zu Alphatieren erzogen. Anders als bei Männern geht es nicht darum, Karriere zu machen und kompetitiv zu sein. Es reicht ihnen, eine gute Leistung zu erbringen. Aber sie täten gut daran, ihre Qualitäten für ihre Karriere zu instrumentalisieren. Dann würden sie auch ein höheres Einkommen erzielen und letztlich auch eine höhere Pension. An Letzteres denken Frauen oft zu wenig.

Das bringt uns zu Ihrem 2017 gegründeten Unternehmen, den Robo-Advisor Savity. Damit besteht zumindest die Möglichkeit, das Ersparte zu mehren. Was bieten Sie Ihren Kunden?
Wir wollen Anlegern auf Basis von intelligenten Algorithmen Zugang zu einer Vermögensverwaltung bieten, wie sie bisher nur sehr vermögenden Kunden zugänglich war. Das Mindestinvestment beträgt 10.000 Euro, ein Sparplan ist ab 100 Euro im Monat möglich. Bindung oder Mindestlaufzeit gibt es nicht.

Wie viel Erfahrung sollten Anleger, die in Savity investieren, mitbringen?
Vorwissen ist nicht nötig. 25 Prozent unserer Kunden haben gar keine Erfahrung mit Wertpapieren. Viele begleiten wir bei ihren ersten Schritten vom Sparbuch an die Börse. Wir ermitteln die Bedürfnisse unserer Kunden anhand eines Onlinefragebogens. In diesem erfragen wir Ziele, Risikoappetit, finanzielle Möglichkeiten und Kenntnisse über den Kapitalmarkt und erstellen auf Basis dieser Informationen individualisierte Portfolios. Die laufende Anlage erfolgt dann automatisiert über unsere Systeme, und unsere Kunden müssen sich nicht mehr damit auseinandersetzen. Wir bieten zudem Webinare und Blogposts, monatliche Marktberichte als Video und Panel-Diskussionen zu aktuellen Themen.

Auf Ihrer Webseite werden Fonds wie der Savity Classic dynamisch oder Savity Green konservativ angeboten. Das wirkt wie standardisierte Produkte. Was unterscheidet Ihre Angebote von herkömmlichen Fonds?
Vermögensverwaltung geht weiter als der Verkauf eines Fonds. Wir bieten eine Dienstleistung, die dem Kunden die Geldanlage komplett abnimmt. Wenn sich die Lebensumstände oder Präferenzen eines Anlegers ändern, so passt sich die Anlagestrategie daran an.

Nach welchen Kriterien wird die Auswahl der Titel getroffen?
Als unabhängiger Vermögensverwalter sind wir nicht auf die Fonds eines Anbieters oder einer Bank limitiert. Neben der bisherigen Performance sind die Kosten eines der wichtigsten Kriterien. Zum einen setzen wir besonders kostengünstige ETFs ein, zum anderen hat Savity Zugang zu Fonds mit besonderen Konditionen, die es normalerweise erst ab hohen Mindestinvestments gibt. Je nach Anlagepräferenz prüfen wir etwa auch, ob Nachhaltigkeitskriterien eingehalten werden.

Wie hoch ist der Frauenanteil der Anleger bei Savity? Welche Investments bevorzugen Frauen?
Der Frauenanteil ist mit mehr als 20 Prozent überdurchschnittlich hoch. Unsere Kundinnen erweisen sich als Vorreiter bei Investments in Nachhaltigkeit. Die große Mehrheit investiert in unsere nachhaltige Strategie Savity Green.

Dieses Interview ist ursprünglich in der Printausgabe von News 43/2020 erschienen.