"Ich muss immer ein
Mondfenster finden"

Österreichs Fernsehavantgardist David Schalko legt mit "Ich und die anderen" sein neues Projekt vor - in ungewohnter Narration aber gewohnt starbesetzt. Vor der Premiere am 29. Juli sprach der 48-Jährige über die Suche nach Mondfenstern, die Frage, weshalb es keine 2. Staffel "Braunschlag" gibt und Erzählen, das sich wie ein Virus ausbreitet.

von
Fernsehen - "Ich muss immer ein
Mondfenster finden"

"Ich und die anderen" ist Ihr erstes Projekt, das für Sky entstanden ist. Wie war die Zusammenarbeit?

David Schalko: Das Projekt ist aus einem sehr freien Momentum heraus entstanden. Ich hatte schon ein Buch geschrieben, bevor ich es irgendjemand gegeben habe. Das Ganze ist also nicht aus der üblichen Beauftragungswelt heraus geboren, sondern ich habe es zwei Jahre lang liegen gelassen, weil die Idee noch nicht fertig ausgebrütet war. Das war insofern sehr gut, weil ich diese ganze Welt in ihren Verästelungen im Kopf entwickeln konnte. Dann hat sich ergeben, dass Sky Interesse hatte - und die sind genauso frei an die Sache herangegangen wie ich.

»Für eine klassische Erzählvariante wäre ich auch vermutlich der Falsche«

Sie mussten den ungewöhnlichen, konzentrischen Narrationsaufbau nie durchkämpfen?

Es gab nie Diskussionen um das Grundsätzliche, sondern immer nur darum, wie man das Projekt verbessert, wo und was an welcher Stelle stimmig ist. Die Struktur selbst stand hingegen nie infrage - man hat diese Reise gemeinsam aufgenommen und man hat immer gewusst, auf was man sich einlässt. Es war eine sehr lustvolle gemeinsame Arbeit. Das ist ja auch keine Serie, die man groß verändern kann. Entweder man bekennt sich dazu oder nicht. Für eine klassische Erzählvariante wäre ich auch vermutlich der Falsche. Da hätte man sich jemand anderen geholt (lacht)

Damit haben Sie ja nun auch praktisch alle möglichen Partner durch...

In der Welt vor 20 Jahren hätte ich alle durch. Aber jetzt hat man zum Glück noch ein paar Möglichkeiten. Im Kern ist mir tatsächlich egal, mit welchem Sender wir etwas realisieren. Es geht letztlich nur darum, dass man einen Partner findet, der diesen Weg mit einem gehen möchte. Und mit dem man gut kann. Das war mit Sky wirklich ein Glücksfall. Im Augenblick sehe ich auch bei den deutschen Mediatheken gute Chancen, um mutige Projekte zu realisieren. Die haben zwar weniger Geld, sind aber bereit, radikalere Wege zu gehen.

Sind Sie nicht ohnedies mittlerweile auf einem Niveau angekommen, auf dem Sie Projekte nach Ihren Vorstellungen entwickeln können?

Nein, so einfach ist es nicht. Die Sachen, die ich mache, sind ja nicht sehr kommerziell ausgelegt und noch dazu teuer zu produzieren. Ich muss also immer ein Mondfenster finden, in dem so etwas möglich ist - weil man ein Renommeeprojekt machen möchte, aus Idealismus oder, weil man ein anderes Zielpublikum erreichen möchte. Denn jeder Streaminganbieter oder öffentlich-rechtlicher Sender befindet sich letztlich in einem Konkurrenzdruck, bei dem in erster Linie kommerzielle Projekte gesucht werden, die vermeintlich fix beim Zuseher funktionieren.

Dagegen wirkt "Ich und die anderen" ja fast wie ein Alterswerk, eine Metareflexion über das Medium Serie an...

Alterswerk! Also aufhören will ich noch nicht! (lacht) Aber richtig ist, dass "Ich und die anderen" formal ganz anders ist als alles, was ich bisher gemacht habe - weg vom linearen Erzählen. Ich habe versucht, mehrere Ebenen sich gleichzeitig überlagern zu lassen, wodurch sich die Synapsen auf andere Art miteinander verbinden. Die Dramaturgie muss dadurch gleichzeitiger und intuitiver sein. Das steht in keinem Schulbuch. Es ist eine Serie, bei der es stark um das Erzählen an sich geht. Wir erzählen uns ja selbst andauernd unsere eigene Lebensgeschichte oder stellen uns permanent vor, wie uns die anderen wahrnehmen. Insofern ist das Verhältnis vom eigenen Ich zu den anderen ein komplexes Erzählthema.

Aber kommt man mit einer intuitiven Dramaturgie hier weiter? Ist die Strukturierung des Ganzen nicht diffiziler?

Mit intuitiver meine ich, dass man auf keine 3-Akt-Dramaturgie vom Reißbrett zurückgreifen kann. Man kann ein Projekt wie "Ich und die anderen" nicht einfach drauflosschreiben. Man muss schon zu Beginn alles wissen über die Serie.

»Ich will nicht stehenbleiben bei dem, was erfolgreich war«

Ist das mithin die neue Sprache, die Sie für sich gefunden haben?

Das ist eine Art des Erzählens, an der ich schon länger arbeite. Ich habe auch einen Romanentwurf, der bis dato nie fertig geworden ist, bei dem aber auch die Schichten des Erzählens übereinanderliegen. Das ist ein Erzählen, das sich wie ein Virus ausbreitet, mit einer kleinen Zelle beginnt, die dann infektiös wächst. Das ist auch sehr anstrengend, weil man beim Schreiben das Gefühl hat, es explodiert einem bisweilen Kopf. Aber dennoch ist das eher mein künftiger Weg als dahin zurückzukehren, wo ich schon war. Ich will nicht stehenbleiben bei dem, was erfolgreich war. Deshalb gibt es zum Beispiel keine 2. Staffel "Braunschlag".

Was hingegen ansteht ist das Projekt einer Verfilmung des Ibiza-Skandals. Wie ist da der Stand?

Das Ibiza-Projekt ist noch in der Phase der Bucherstellung. Ich finde es bei solch einem Projekt wichtig, das man es schafft, etwas Unerwartetes zu erzählen und einen Film zu schaffen, der auch zeitlos ist. Deshalb kann man sich da auch Zeit lassen. Sonst wäre das Ganze ja jetzt schon zu spät dran, weil der Strache politisch gesehen schon irrelevant ist. Da geht es eher um ein politisches Milieu.

Und die Idee eines Kafka-Projekts ventilieren Sie weiterhin?

Das Kafka-Projekt ist ein sehr schwieriges, an dem ich schon seit acht Jahren arbeite und das immer wieder lebt und vergeht. Im Augenblick lebt es wieder. Unser Ziel wäre, dass es 2024 zum 100-jährigen Todestag von Franz Kafka ausgestrahlt wird. Etwas Zeit haben wir also noch - aber nicht mehr sehr viel. (lacht)