Rainhard Fendrich
teilt seine Gedanken

Das Interview mit dem Schöpfer von Österreichs heimlicher Bundeshymne zum Tourstart nach der Regierungskrise. Rainhard Fendrich schmerzt vor allem der türkise Migrationskurs, seinen Hit lässt er sich nicht vermiesen

von Rainhard Fendrich © Bild: Marcel Brell

Herr Fendrich, mit welchen Gedanken stimmen Sie auf der kommenden Tour "I am from Austria" an?
Mit den gleichen Gedanken, die ich immer hatte. Mit einer Liebe zu meinem Geburtsland Österreich, dem ich sehr viel zu verdanken habe. Meine Karriere, mein ganzes Leben hat hier seine Wurzeln.

"I kenn die Leut, i kenn die Ratten, die Dummheit, die zum Himmel schreit", heißt es im 32 Jahre alten Text. Dachten Sie damals an moralisch verwerfliche Charakterzüge, wie Sie dieser Tage aus den Chats höchster Regierungsmitglieder abzulesen sind?
Vor 32 Jahren war der "Altkanzler" im Kleinkindalter. Verwerfliche Charakterzüge in der Politik gab es, denke ich, schon immer, nur wurden sie noch nie so öffentlich.

»Untadeligkeit ist von gewählten Volksvertretern zu erwarten«

Wenn man an die Worte von Bundespräsident Alexander Van der Bellen nach der Ibiza-Affäre denkt - "So sind wir nicht" -, scheint sich nun das Gegenteil zu bestätigen. Sind wir denn so?
Wer ist denn mit "Wir" gemeint? Doch nicht die gesamte österreichische Bevölkerung. Es handelt sich hier um einige Regierungsmitglieder, gegen die ermittelt wird, nicht einmal um die gesamte Regierung. Auch wenn man das "U-Wort" nicht mehr hören kann - solange man nicht rechtskräftig verurteilt ist, gilt man als unschuldig. Allerdings nicht als "untadelig", und das ist von gewählten Volksvertretern zu erwarten, weil sonst die Würde dieses Amtes beschädigt wird und das Vertrauen der Bevölkerung massiv erschüttert.

Die aktuellen Herausforderungen für alle Staatsoberhäupter sind mit den Themen Klimaschutz und Covid-Krise groß. Nun stellt sich ihnen in Österreich ein Kanzler, der diesen Job nie angestrebt hat. Die Regierungskrise gilt offiziell als beendet. Wie sehen Sie das: Krise oder keine Krise?
Herr Schallenberg hätte ja ablehnen können. Seine politischen Fähigkeiten maße ich mir nicht an, zu beurteilen. Die Weiterführung des Migrationskurses von Exkanzler Kurz lehne ich jedoch strikt ab. Diese Krise gab es schon vor dem Kanzlerwechsel, und sie verpasst Österreich ein ziemlich herzloses Image: "So sind wir nicht!"

Sie ernteten kürzlich einen Shitstorm, weil für Ihre Konzerte - nach den Regeln Gesundheitsbehörde der Stadt Wien - die 2-G-Regel gilt. Auf diese Gesetze haben Sie verwiesen und Persönliches angemerkt: "Jeder sollte frei sein, selbst zu entscheiden, ob er sich impfen lassen will." Für wie wichtig halten Sie diese Freiheit?
Das ist ein sehr komplexes und sensibles Thema. Die Freiheit der Menschen wurde über Jahrhunderte hart erkämpft. Sie ist ein hohes Gut, darf aber nicht so weit reichen, dass sie die eines anderen einschränkt. Innerhalb einer Gesellschaft hat man auch eine gewisse soziale Verantwortung. Ich bin geimpft und werde mich wieder impfen lassen, wenn es notwendig ist. Das ist meine ganz persönliche Entscheidung, die ich in keiner Weise missionieren will. Ich glaube einfach, dass eine Impfung der schnellste Weg aus dieser Pandemie ist. Das heißt aber nicht, dass man die Ängste von Impfgegnern einfach ignorieren darf. Und da muss jeder selber entscheiden, inwieweit er das verantworten will oder kann. Nicht geimpfte, aber getestete Personen von öffentlichen Veranstaltungen auszuschließen, empfinde ich persönlich aber als nicht gerecht.

»Künstler können aufschreien, wo es anderen weh tut«

Was kann Kunst, konkret ein Künstler wie Sie, aktuell beitragen? Welche Aufgabe messen Sie der Kunst in unruhigen Zeiten zu?
Die Kunst muss gar nichts. Die Kunst ist! Sie ist eine Reflexion des Zeitgeists, ohne eine Aufgabe erfüllen zu müssen. Aber: "Wir können dort aufschreien, wo's den anderen weh tut!" (Georg Danzer).

Sind Künstler, speziell aus dem Popmusikbereich, in den letzten Jahren zu still geworden, was öffentliche Meinungsäußerungen betrifft?
Dieses Gefühl habe ich nicht. Es gibt sehr wohl mutige Wortmeldungen aus dem Bereich der Musikszene.

In "Die Welt ist groß" thematisieren Sie den Mensch als Krankheit, die den Planeten zerstört. Wie groß ist Ihre Sorge diesbezüglich?
Wenn wir uns einmal nicht als "Krone der Schöpfung", sondern als Bestandteil eines Systems sehen, müssen wir zugeben, dass wir diesem System großen Schaden zugefügt haben. Verglichen mit dem Alter der Erde ist die Menschheit erst die letzten fünf Minuten da. In dieser Zeit ist es gelungen den natürlichen Kreislauf an den Kollaps zu bringen. Die Natur kennt keine Probleme, die Natur kennt nur Lösungen. Es ist zu befürchten, dass diese Lösungen nicht zu unseren Gunsten ausfallen könnten.

Gibt es Maßnahmen, die Sie persönlich, betreffend die Klimakrise, im täglichen Leben oder darüber hinaus setzen?
Jeder von uns kann seinen Beitrag leisten, ob es das umsichtigeres Einkaufen, das ökologischere Fortbewegen ist oder ganz allgemein der Versuch, den eigenen CO2 Fußabdruck so gering wie möglich zu halten. Die großen Umweltverschmutzer sind aber nach wie vor die Industrieländer.

Auf ihrem aktuellen Album, "Starkregen", rechnen Sie mit der Gier als stärkster Waffe des Teufels ab und singen vom Rest des Gewissens als letzter Bastion. Darf man das als Fazit aus sechs Lebensjahrzehnten verstehen?
Das kann man genau so sehen. Wenn nicht Lebenserfahrung in meine Texte einfließen könnte, hätte ich nichts mehr zu sagen.

Bei allen nachdenklichen und kritischen Betrachtungen auf "Starkregen" gewinnt man das Gefühl, dass sie von einer Basis des Mutes kommen, aus einer guten, balancierten Lebensphase. Wo verorten Sie denn Rainhard Fendrich heute, gemessen an seinem langen Weg?
Ich bin noch unterwegs. Für Verortungen hatte ich noch keine Zeit, aber ich fühle mich bestens balanciert.

Zuletzt: Was macht Ihnen heute richtig Freude? Welche sind bei vielem, das es zu kritisieren und überdenken gilt, die schönen Lebensmomente?
Lieder zu schreiben und diese einem geneigten Publikum vortragen zu können. Das ist für mich ein schöner Lebensmoment und wird es auch immer bleiben.

ON TOUR

Der 66-jährige Singer-Songwriter reflektiert auf seinem Album "Starkregen" auf sarkastische Art die "Volkskrankheiten" unserer Zeit. Ab November tourt Fendrich mit neuen und alten Hits durch Deutschland, Österreich und die Schweiz. Die nächsten Ö-Termine sind 6.11. Graz, 7.11. Wien, 20.11., Dornbirn. Im März 2022 spielt er Konzerte in Innsbruck, Graz, Linz und Salzburg, im Juli 2022 in Tulln, Klagenfurt und St. Margarethen.

Dieses Interview ist ursprünglich in der Printausgabe von News (Nr. 42/2021) erschienen.