Feinstaub-100er in der Steiermark gekippt: Tempo 100 um Graz vom UVS aufgehoben

GRUND: Kundmachung sei nicht ausreichend gewesen Bestrafte Lenker können Verfahren wieder aufnehmen

Der steirische Unabhängige Verwaltungssenat (UVS) hat die Kundmachung von Tempo 100 auf den Autobahnen rund um Graz als nicht gesetzmäßig aufgehoben. Er gab damit zwei Strafbeschwerden Recht. Wie UVS-Sprecher Peter Schurl sagte, sei die Begehung aus formalrechtlichen Gründen erfolgt, weil die Kundmachung nicht "gehörig" sei. Nach Schurls Ansicht müssen sich Kfz-Lenker nicht mehr an die nur noch bis Mittwoch geltende Tempo-Verordnung halten.

Feinstaub-100er in der Steiermark gekippt: Tempo 100 um Graz vom UVS aufgehoben

Wie Schurl sagte, sei zwei Berufungen Folge gegeben, die Straferkenntnisse behoben und die Verfahren eingestellt worden. Es sei keine Behebung der Verordnung nach dem Immissionsschutzgesetz Luft (IG-L) erfolgt, wozu der UVS auch gar nicht berechtigt sei. Allerdings sei die Kundmachung rechtlich unzureichend erfolgt. Ein Rechtsmittel, also eine Anfechtung beim Verfassungsgerichtshof, sei nicht zulässig.

Kundmachung nicht ausreichend
Man habe die Begründung des Landes geprüft und sei der Meinung nicht gefolgt, wonach die Kundmachung ausreichend sei. Das Land hatte ja die Auffassung vertreten, dass auch eine Kundgebung ohne Beschilderung ausreiche, zumal der Inhalt der gesamten Verordnung zu umfangreich und daher nicht auf StVO-gemäßen Tafeln unterzubringen sei.

Demgegenüber stellte der UVS fest, dass jene Tafeln, die tatsächlich installiert worden sind, nicht ordnungsgemäß ausgeführt bzw. aufgestellt worden seien. Konkret sei z.B. auf der A2 die 100 km/h-Gebotstafel nur auf einer Straßenseite statt auf beiden aufgestellt worden.

Geld zurück
Schurl meinte zu den bereits abgestraften Lenkern, dass diese einen Antrag auf Wiederaufnahme ihres Verfahrens stellen könnten. Bei Anonymverfügungen bzw. Organstrafmandaten sei dies schwierig und könnte nur über eine Weisung der Politik im Sinne der Bestraften geregelt werden. Laut Polizei wurden bis Ende Jänner 24.000 Anzeigen und 1.100 Organstrafmandaten im Zusammenhang mit der IG-L-Verordnung verhängt. Hochgerechnet würde man derzeit etwa bei der doppelten Menge halten, also rund 50.000, wobei es auch höhere Überschreitungen, die über die IG-L-Limits hinausgehen, enthalten seien.

Umweltlandesrat nicht erfreut
Umweltlandesrat Manfred Wegscheider (S) reagierte auf die UVS-Entscheidung sauer: Es sei ein Spruch gegen die Umwelt, "das wahre Chaos ist erst durch Herrn Dr. Schurl und seine vorzeitigen Offenbarung seiner Privatmeinung hervorgerufen worden". Wegscheider gehe davon aus, dass es in der Zeit bis zum Auslaufen der Regelung am Mittwoch, 24.00 Uhr, in erster Instanz zu keiner Verhängung von Strafbescheiden mehr kommen werde. Für eine weitere Vorgangsweise sei eine bundesweite Lösung notwendig - entsprechende Gespräche werde er am kommenden Freitag mit Verkehrsminister Werner Faymann (S) aufnehmen. Derzeit ist ja Umweltminister Josef Pröll (V) für das IG-L und damit auch für die Verordnungen zuständig.

Kritik von ÖVP an Wegscheider
ÖVP-Verkehrslandesrätin Kristina Edlinger-Ploder nannte die Zweifel von Manfred Wegscheider am UVS "unerhört und unzulässig". Die Politik habe sich an den Entscheidungen unabhängiger Gerichte zu orientieren. Man müsse die Sache nun abschließen und einen Neuanfang wagen.

Die Möglichkeit einer Verständigung mit Verkehrsminister Werner Faymann (S) wäre laut Edlinger-Ploder wichtig, denn man brauche ja ohnehin verkehrstelematische Einrichtungen auf den Autobahnen. Auf diesen signalisierte Tempolimits wären für jeden Verkehrsteilnehmer verständlich und transparent. Für den nächsten Winter warte viel Arbeit: Man könne derzeit den Winterfahrplan nicht weiterfinanzieren und müsse auch andere Begleitmaßnahmen evaluieren, wie etwa eine elektronische Mitfahrbörse. Bezüglich der bisher schon bezahlten Strafen meinte die Verkehrslandesrätin, Wegscheider könne es in die Wege leiten, dass diese zurückbezahlt werden.

Grüne gegen Rot-Schwarz
Die Grünen geben dem "rotschwarzen Dauerstreit" Schuld am "Feinstaubschilder-Debakel". Wie Klubobfrau Ingrid Lechner-Sonnek in einer Aussendung meinte, behinderten sich SPÖ und ÖVP lieber gegenseitig, statt für die Interessen der Bevölkerung zu arbeiten. Zum einen sei es eine Schande, dass die Feinstaubsanierungsgebiete in der Steiermark zu spät verordnet worden seien, zum anderen sei Landesrat Wegscheider trotz langer Vorbereitungszeit nicht in der Lage gewesen, Schilder richtig aufzustellen. Geschafft habe Wegscheider nur, 700.000 Euro für PR-Maßnahmen auszugeben, so Lechner-Sonnek.

BZÖ: Strafgelder rückerstatten
Eine sofortige Rückerstattung der eingehobenen Strafgelder forderte das BZÖ. Wie der steirische Obmann und Generalsekretär Gerald Grosz erklärte, sei das Urteil "eine schallende Ohrfeige für Landesrat Wegscheider und ein Sieg der Vernunft über die sozialistische Abkassierer-Politik in der Steiermark." Es sei daher nicht nur eine moralische, sondern auch eine "gesetzliche Verpflichtung", sämtliche Strafmandate zurückzuzahlen, so Grosz. Das Urteil in der Steiermark sollte auch aus Grundlage dienen, um den "Tempo-100-Spuk" in ganz Österreich zu beenden. (APA/red)