Ein Feindbild in der Defensive

Die Chat-Affäre hat den Kanzler gestürzt und ist eine Mahnung zu Distanz zwischen Medien und Politik. Doch Rainer Nowak, Chefredakteur der "Presse", gerät in den Strudel der immer neuen Entblößungen und kämpft um seinen guten Ruf.

von Medien & Menschen - Ein Feindbild in der Defensive © Bild: Gleissfoto

Einmal klopft ihm Sebastian Kurz in kleiner Runde auf die Schulter. Und dann gibt es noch dieses fröhliche Gruppen-Selfie mit Gernot Blümel, Eva Dichand und Christian Rainer, seinen Herausgeber-Kollegen von "Heute" und "profil". Die Botschaft lautet, Rainer Nowak, der Chef der "Presse", ist ganz dick mit den Spitzen von Presse und Politik. Niemand entkommt der Wirkmacht solcher Bilder, wenn sie immer wieder via Social Media geteilt werden -mit bösen bis haltlosen Zuschreibungen.

Die Linke drängt ihn seit jeher ins türkise Eck. "Christian Rainer Nowak", wie der Magazin- und der Zeitungsmacher mitunter verballhornt werden, taugen perfekt für solche Feindbildprägungen. Ihr öffentlicher Lebensstil zwischen Boheme und Bourgeoisie prädestiniert sie dazu. Als Promi-Journos aus medial und privat gutem Hause sind sie gern gesehene Gäste bei allen Adabei-Auftrieben. Sie haben sich längst an das Abgestempelt-Werden durch parteipolitisch motivierte Gegner gewöhnt.

Doch mit den Chats, die Kurz zu Fall gebracht haben, fallen dunkle Schatten auf diese scheinbare Leichtigkeit des Seins. Auch Nowak kommt darin vor. Vor allem "ZackZack", das von Peter Pilz herausgegebene Onlinemagazin, nimmt den "Presse"-Chef ins Visier. Seit Sonntag hat das eine neue Dimension. Denn Nowak nahm in der "Runde der Chefredakteurinnen und Chefredakteure" des ORF dazu Stellung. Er bekannte eine für ihn unangenehme Situation, betonte aber die "fast religiös" bewachte "klare, harte Trennung zwischen Anzeigenverkauf und Redaktion" in der Zeitung.

Unterdessen recherchiert "Die Presse" intern zu den Vorwürfen. Das Ergebnis will Nowak dann auch den Lesern präsentieren. Was er schon vorweisen kann, ist sein Newsletter vom 19. September 2017: "Tatsächlich erstellt Research Affairs für ,Österreich' reine Onlinestudien, die ältere Wähler aussparen. In der SPÖ glaubt man, dass hinter vielen der Umfragen das Finanzministerium als Auftraggeber stehe. Tatsächlich klangen die Titel mancher Umfragen nach PR für die Himmelpfortgasse." Es folgen Beispiele. Heute wirft Nowak sich vor, diesen Hinweis dann nicht weiter verfolgt zu haben. Denn Research Affairs ist das Institut von Sabine Beinschab, die am Dienstag festgenommen wurde.

Die Bilder mit Kurz und Blümel kriegt der 48-Jährige nicht mehr weg. Wer derart im Journalismus lebt wie er, hatte diese Illusion auch nie. Seine Mutter war schon eine legendäre Kultur-Ressortleiterin der "Tiroler Tageszeitung", bevor sie 1981 zum ORF wechselte. Sein Vater führte lange das Wiener Büro der "TT", bevor er 1987 Chefredakteur der APA wurde. Medienadel sozusagen - der verpflichtet. Schon deswegen wird der Sohn alles unternehmen, damit an ihm nichts haften bleibt von der Chat-Affäre, die den Kanzler stürzte. Mit der Neuvermessung von kritischer Distanz zwischen Politik und Medien ist er ohnehin nicht allein. Das betrifft das gesamte Wiener Parkett ebenso wie die Provinz.

Rainer Nowak ist diesen Herbst 25 Jahre bei der "Presse", deren Mehrheit vor 30 Jahren die Styria übernommen hat. Unter ihrem Vorstand Horst Pirker, dem heutigen Mehrheitseigner der VGN Medienholding (u. a. News), übernahm sie 1999 den gesamten Sanierungsfall. Heute schreibt sie siebenstellige Jahresgewinne. Das ist ein Mitverdienst von Nowak, Chefredakteur, Herausgeber und Geschäftsführer (neben Herwig Langanger). An einer solchen Personalunion von inhaltlicher und wirtschaftlicher Verantwortung hatten sich früher Redaktionen gestoßen. Das "profil" streikte deshalb gegen Peter Rabl, der es dann verließ. Heute ist es zwar keine Regel, aber auch nicht unüblich. Wer diese Multifunktionalität hat, wacht quasi als personifizierte Schnittstelle über die Trennung von Anzeigen und Redaktion. Nowak hat also enorm viel zu verlieren. Der Verzicht auf Nähe ist die geringste Einbuße.