"Fast Food ist nicht
im Sinne der Evolution"

Fast Food macht dick und krank. Jetzt meldet sich ein Insider mit einem neuen Buch zu Wort: Harald Sükar war 13 Jahre lang als Spitzenmanager von McDonald’s in Österreich tätig und plädiert jetzt für ein radikales Umdenken. Im Interview mit news.at erklärt er, was das Kernproblem der "Fast Food-Falle" ist.

von Ernährung - "Fast Food ist nicht
im Sinne der Evolution" © Bild: Shutterstock

Sie beginnen Ihr Buch "Die Fast Food-Falle" bewusst provokativ mit der Aussage, dass Fast Food auch Kindesmisshandlung sei. Warum sind Kinder das offensichtliche Hauptanliegen in Ihrem Buch?
Weil ich persönlich davon betroffen bin. Ich habe in meinem Bekanntenkreis zwei Kinder, die an Diabetes erkrankt sind. Das war dementsprechend auch der Auslöser für mich, dieses Buch zu schreiben.

Sie üben in Ihrem Buch scharfe Kritik an einer zahnlosen Presse, die gegenüber McDonald's oft nur Beifall applaudiert oder schweigend zur Kenntnis nimmt: Bedarf es Ihrer Ansicht nach mehr Aufklärung über Fast Food?
Auf jeden Fall. Man darf die Presse nicht zu stark kritisieren, weil man aus meiner Sicht nur auf gezielte Pressearbeit und eine bestimmte Strategie hereingefallen ist. Zum Thema Ernährung müsste man Menschen generell noch wesentlich stärker aufklären, hier gibt es großen Handlungsbedarf.

»Fast Food ist nicht im Sinne der Evolution«

Ich stehe zur provokanten Aussage, dass Produkte, die aus Industrieprodukten hergestellt werden, hochgefährlich sind für Menschen sind. Dieses Fast Food ist nicht im Sinne der Evolution.

Sie haben 13 Jahre lang selbst für den Konzern gearbeitet: Was war der Aha-Moment, der Sie dazu bewogen hat, nicht mehr für McDonald's arbeiten zu wollen?
Das hatte mit meinen heutigen Überlegungen und dem Buch nichts zu tun. Meine Frau hat damals eine Bäckerei in der Steiermark gehabt und da war Unterstützung notwendig. Zum anderen war das große Wachstum bei McDonald's auch abgeschlossen.

Die meisten Menschen wissen mittlerweile, dass Fast Food wie McDonald's tendenziell ungesund ist. Der Konzern hatte weltweit bis 2018 auch mit Umsatzrückgängen zu kämpfen. Wie schafft es McDonald's Ihrer Ansicht nach, dass jetzt trotzdem wieder mehr Leute hingehen?
Wenn man alle Bedenken, die es de facto gibt und die auch sehr stark im Bewusstsein der Menschen sind, wegwischen kann, dann ist das natürlich gutes Marketing. Natürlich hat man sich jetzt auch ein grünes Mäntelchen umgehängt, das sicherlich dazu beiträgt, dass man gewisse Ressentiments beiseite schiebt.

Also nur anderes Marketing, um Millenials auch wieder anzusprechen und gar nicht so eine andere Produktpalette?
Es sind schon mehrere Faktoren, die den Erfolg ausmachen, beispielsweise zählt auch dazu, dass man die Bestellung über digitale Medien ermöglicht hat. Da hat man einfach gute Arbeit geleistet, das ist ganz klar.

In Deutschland verkauft McDonald's seit kurzem sogar vegane Produkte. Sind grüne Bestreben wie dieses nur die normale Evolution des Marktes oder glauben Sie, dass sich der Konzern wirklich verändern will?
Man reagiert hier auf den Markt, der Trend zu veganer Ernährung ist ja da, das wird sich auch nicht verändern. Im Supermarkt werden die Regalmeter für vegane Produkte ja auch von Monat zu Monat länger. Die Industrie springt hier sofort auf.

»Bei industriellen veganen Produkten streut man aus meiner Sicht wieder Sand in die Augen der Konsumenten«

Aber die veganen Produkte, die hier erzeugt werden, sind ja wieder industriell gefertigt. Sieht man sich die Zusammensetzung der veganen Burger an, enthalten sie zwar kein tierisches Produkt, aber gefertigt wird wieder industriell. Hier streut man aus meiner Sicht erneut Sand in die Augen der Konsumenten.

Das heißt, das Kernproblem bei Fast Food generell und bei McDonald's im speziellen ist Ihrer Ansicht nach die industrielle Fertigung?
Absolut, es ist die Zubereitung. Neben den Geschmacksverstärkern in den Produkten ist das Hauptproblem der extrem hohe Zuckeranteil der angebotenen Speisen.

Aus Ihrer jahrelangen Erfahrung: Was ist das bedenklichste Produkt, das man sich bei McDonald's als Konsument „antun“ kann, und welches das unbedenklichste?
Die unbedenklichsten Speisen sind immer noch die Salate. Zu den bedenklichsten Produkten auf der anderen Seite zählen die Softdrinks und das Eis. Wenn Sie einen McSundae Deluxe Eisbecher mit Schoko-Topping bestellen, dann sind 66 Gramm Zucker in einer einzigen Portion enthalten. Das entspricht mehr als der doppelten Menge der Zuckerdosis, die ein Kind pro Tag zu sich nehmen sollte. Selbst bei Erwachsenen ist die Tagesdosis damit schon überschritten.

Glauben Sie, dass es „gesundes“ Fast Food auch geben könnte – oder wäre das ein Widerspruch in sich?
Das hängt von der Definition von Fast Food ab. Wenn man es als permanente Verfügbarkeit von und schnellen Zugang zu Essen betrachtet, könnten Salat-Bars oder Bio-Food-Anbieter diese Anforderungen ja trotzdem gewährleisten. So gesehen gibt es schon gesunde Alternativen.

»McDonald's hat zwei große Margenbringer, das sind die Getränke und das sind die Pommes und beide sind nicht besonders gesund«

Wieso geht McDonald's diesen Weg dann nicht?
Diese Frage stelle ich mir ehrlich gesagt auch. Die einzige Antwort, die ich dafür finden kann, liegt im Profit mit dem bestehenden System. McDonald's hat zwei große Margenbringer, das sind die Getränke und das sind die Pommes und beide sind nicht besonders gesund.

Die Frage ist jedenfalls auch absolut gerechtfertigt. Würde man es wirklich komplett ernst nehmen, müsste man einen totalen Paradigmenwechsel vornehmen und ich bin überzeugt davon, dass McDonald's es schaffen würde. Wenn man wollte, könnte man es schaffen.

Was müsste sich bei McDonald's ändern, damit man mit seinen Kindern Ihrer Ansicht nach wieder ruhigen Gewissens hingehen kann?
Es müsste der gerade genannte Paradigmenwechsel stattfinden. Auch bei der Präsentation der Produktpalette müsste man die Produkte mit wenig Zuckergehalt in den Vordergrund stellen und pushen.

»Solange Konsumenten mitspielen, sehe ich keinen hohen Druck für Veränderung«

Wie sehen Sie die Zukunft von McDonalds?
Wenn der Druck der Konsumenten hoch genug ist, wird das Unternehmen stark genug sein, sich dem anzupassen. Am Ende des Tages sind es immer die Konsumenten, die die Entwicklung vorantreiben. Solange sie mitspielen, sehe ich keinen hohen Druck für Veränderung.

Was wäre der richtige Ansatz für diesen höheren Druck?
Ich persönlich sehe da zwei Zugänge. Die größte Macht geht sicherlich vom Konsumenten aus. Es geht ja nicht nur um McDonald's oder um Fast Food, sondern um alle industriell gefertigten Produkte.

Ich glaube zum anderen, dass die Politik gefordert ist und Maßnahmen setzen müsste. Man sieht es jetzt auch ganz deutlich in Großbritannien, wo es seit letztem Jahr eine Zuckersteuer gibt und siehe da: Coca Cola und Konsorten waren in der Lage, den Zuckeranteil in den Getränken deutlich zu senken. Aufgrund von gesetzlichen Rahmenbedingungen haben die Konzerne sofort reagiert, weil sie diese Steuer nicht bezahlen wollten.

Und wie könnte das konkret aussehen?
Man müsste für stark zuckerhaltige Produkte eine klare Kennzeichnungspflicht einführen, mit dem Hinweis auf die Gesundheitsgefährdung, eventuell sogar mit Bildern von amputierten Beinen Diabetes Erkrankter, ähnlich wie es bei Tabak schon lange der Fall ist. Niemand hätte mit dem Rauchen aufgehört, wenn nicht von allen Seiten starker Druck gekommen wäre.

Derzeit muss man in Österreich bei Produkten nach Nährwertangaben suchen und dann mühsam nachrechnen. Es gibt aber schon Länder, die ein einfaches Ampelsystem haben. In Ungarn gibt es seit 2012 sogar ein Fast-Food-Gesetz, das zu einem Wechsel im Konsumverhalten geführt hat.

»Untere Einkommensschichten sind die ersten Opfer von Fast Food«

Durch solche lenkende Maßnahmen kann man nicht zuletzt auch untere Einkommensschichten beeinflussen, die die ersten Opfer von Fast Food sind. Den zweiten Lenkungseffekt hätte man, wenn man gesunde Lebensmittel wie Obst und Gemüse weniger besteuert.

Mit welchem Effekt?
Im Endeffekt können wir alle nur davon profitieren, weil wir die Folgen der schlechten Ernährung ja auch wir mit unserem Gesundheitssystem bezahlen müssen.
Österreich hat 4,8 Milliarden Euro Direktausgaben an Gesundheitskosten wegen Diabeteserkrankungen. Wenn die Entwicklung so weitergeht, werden für 2030 Ausgaben von 8 Milliarden Euro prognostiziert. So kann es nicht weitergehen. In allen Ländern, wo Maßnahmen gesetzt worden sind, kann der Erfolg nachgewiesen werden, die Studien dazu liegen auch vor. Es muss nur der politische Wille da sein.

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Zur Person: Harald Sükar, geboren 1963, wechselte nach Positionen bei Hofer (Aldi-Österreich) und Aral 1993 zu McDonald’s. Dort hatte er 13 Jahre lang mehrere Positionen bei der McDonald’s Development Company CE inne und war von 2004 bis 2006 Chef von McDonald’s-Österreich (und des österreichischen Franchise-Verbandes). Derzeit arbeitet er als Unternehmensberater unter anderem an der Filialisierung eines sozialen Gastronomie-Projektes.

Das Buch

Die Fast Food-Falle
Wie McDonald’s und Co. auf Kosten unserer Gesundheit Milliarden verdienen

edition a
256 Seiten gebunden
ISBN: 978-3-99001-343-4
Preis: 22 €
Erscheinungstermin: 15. Juni 2019