Kinder mit und ohne Behinderung
nur noch gemeinsam unterrichten?

Sollen Kinder mit und ohne Behinderung künftig nur noch gemeinsam unterrichtet werden, wie es die UN-Behindertenrechtskonvention vorsieht, oder braucht es weiterhin Sonderschulen als "geschützten Raum"? Ein Expertengremium soll Bildungsminister Heinz Faßmannn (ÖVP) in dieser laut ihm "sensiblen und politisch brisanten Frage" helfen. Gestern, Donnerstag, hat es seine Arbeit aufgenommen.

von Sensible Frage - Kinder mit und ohne Behinderung
nur noch gemeinsam unterrichten? © Bild: iStockphoto.com

Ein Expertengremium soll Bildungsminister Heinz Faßmannn (ÖVP) in dieser laut ihm "sensiblen und politisch brisanten Frage" helfen. Gestern, Donnerstag, hat es seine Arbeit aufgenommen.

Faßmann plädiert für gemeinsamen Unterricht

Menschen mit Behinderung sind Teil der Gesellschaft - und das sollen auch die Schulen durch gemeinsamen Unterricht mit nicht-behinderten Menschen abbilden, ist die für Faßmann "vollkommen plausible" Argumentation der einen Seite. Er verstehe aber auch Eltern, die sagten: "Nehmt mir den geschützten Raum für mein Kind nicht weg". Als Politiker könne er sich allerdings nicht auf die "wissenschaftlich elegante Formel zurückziehen: beides ist wahr". Das achtköpfige "Consulting Board" unter Leitung des Vizedekans der Psychologischen Fakultät der Uni Wien, Germain Weber, soll Faßmann nun dabei helfen "eine Form des Konsenses und des Kompromisses" zu finden.

Im ÖVP-FPÖ-Regierungsprogramm sind "Erhalt und Stärkung des Sonderschulwesens" als Ziel vorgegeben. Weber und Board-Mitglied Franz-Joseph Huainigg, ehemals ÖVP-Behindertensprecher, wollen darin allerdings keine Vorgabe für weniger Inklusion und mehr Unterricht behinderter Kinder in separaten Klassen oder Schulen sehen. "Möglicherweise kann man die Sonderschulen stärken, indem man sie transformiert", so Weber. Immerhin habe Österreich sich mit der 2008 ratifizierten UN-Behindertenkonvention zum gleichberechtigten Miteinander von Menschen mit und ohne Behinderung verpflichtet und er gehe davon aus, dass die Regierung sich auch an diese Verpflichtung halte. Es sollen aber auch jene Stimmen gehört werden, denen die zuletzt rasche Umstellung von Sonderschulen auf Inklusion - in der Steiermark, Kärnten und Tirol wird in Modellregionen die komplette Umstellung des Systems erprobt - Sorgen bereitet.

Ausgangssituation in Bundesländern sehr unterschiedlich

Die Ausgangssituation beim gemeinsamen Unterricht von Schülern mit und ohne Behinderung ist in den neun Bundesländern sehr unterschiedlich. So werden derzeit zwar insgesamt fast zwei Drittel der rund 30.000 Schüler, denen wegen körperlicher oder psychischer Einschränkung ein "Sonderpädagogischer Förderbedarf" attestiert wurde, gemeinsam mit nicht-behinderten Schülern unterrichtet. Je nach Bundesland sind die Unterschiede allerdings recht groß und reichen von 49 Prozent inklusivem Unterricht in Niederösterreich bis zu 84 Prozent in Kärnten. Hier soll es laut Weber "eine Weiterentwicklung mit österreichweiter Kohärenz" kommen.

Das Recht auf Inklusion und Wahlfreiheit der Eltern ist seit 1993 gesetzlich verankert, mit der 2015 (Volksschulbereich) bzw. 2016 (weiterführende Schulen) gestarteten neuen Lehrerausbildung erhalten außerdem alle angehenden Pädagogen zumindest eine Grundausbildung in Inklusion. Eine eigene Sonderschullehrer-Ausbildung gibt es nicht mehr.

Wer dem Expertengremium sonst noch angehört

In dem Board sitzen neben Weber und Huainigg noch die erfahrene Wiener Integrationslehrerin Irmgard Güttner, Elternvertreterin Katharina Rauhs , Andreas Schnider, der an der Konzeption der neuen Lehrerausbildung beteiligt war, sowie Roland Astl, Landeskoordinator für inklusive Bildung Tirol, und Rudolf Mair, Bildungsdirektor Salzburg. Einer der Plätze ist kurzfristig vakant geworden, hier wird noch eine Person mit juristischem Hintergrund und Erfahrung im Schulbereich bzw. der UN-Konvention gesucht. Zusätzlich sollen je nach Thema weitere externe Experten, Betroffene und Behindertenverbände eingebunden werden.

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