Wird Wasser privatisiert?

Was hinter einer EU-Richtlinie, die in ganz Europa für große Empörung sorgt, steckt

von Wassrhahn mit Geld. © Bild: Thinkstock

In Österreich ist man regelmäßige Angst-Kampagnen zum Thema „Wasser-Privatisierung und EU“ gewohnt. Kein EU-Wahlkampf kommt ohne die Sorge um „unser“ Wasser aus. Auch das eine oder andere Kleinformat verkaufte sich schon besser, weil wahlweise die Errichtung von Wasserpipelines nach Spanien, oder ein Ausverkauf unserer Bergseen vermutet wurde. Nach langer Stille wurde nun erneut die Wasserprivatisierung zum Thema der Medien. Doch diesmal handelt es sich nicht nur um ein Rauschen im heimischen Blätterwald, denn die Wasserprivatisierung wurde in ganz Europa zum Thema.

Mit der Abstimmung im Binnenausschuss des EU-Parlaments nahm die Richtlinie die erste Hürde. Nun muss das Plenum, voraussichtlich im April, darüber abstimmen. Nun hängt es also am EU-Parlament, ob die Richtlinie Realität wird oder nicht.

Doch worum geht es bei der Richtlinie überhaupt?

Darüber gibt es verschiedene Angaben. Während Kritiker eine Privatisierung durch die Hintertür befürchten, sieht der zuständige EU-Kommissar Barnier hier eine bewusste Fehlinformation. „Der Richtlinienvorschlag beeinträchtigt in keiner Weise die Autonomie der Gebietskörperschaften bei der Organisation der Wasserversorgung“, teilte dieser mit. Auch der ehemalige EU-Kommissar Franz Fischler meinte im Ö1-Morgenjournal, dass sich „ganz bestimmt niemand“ Sorgen um die Wasserprivatisierung machen müsste. Es gehe nicht um eine Privatisierung, sondern um die Regelung von Konzessionen. Denn die Erfahrung sei hier, dass es zu zahlreichen Mauscheleien bei den Vergaben komme. "Das soll abgestellt werden“, argumentierte Fischler.

Der EU-Abgeordnete Martin Ehrenhauser (früher Liste Martin, jetzt unabhängig) stößt, mit einem Blogeintrag auf seiner Homepage, ins selbe Horn: „Die Entscheidungsgewalt über die Privatisierung von Dienstleistungen – z.B. der Wasserversorgung – bleibt ausschließlich in der öffentlichen Hand“, meint er. Allerdings stellt auch er klar, dass er der Richtlinie, wegen zahlreicher Unklarheiten, nicht zustimmen wird.

Negativbeispiel Portugal

Wie es letztlich doch zur Privatisierung kommen kann, zeigen exemplarisch die Krisenstaaten Griechenland und Portugal. Dort wurde in den Troika-Verträgen eine Privatisierung kommunaler Wasseranbieter gefordert. In Portugal soll diese Maßnahme in einzelnen betroffenen Gemeinden gar zu Preissteigerungen bis zu 400 Prozent geführt haben.

Hier hakt auch der SP-Europaabgeordnete Josef Weidenholzer, einer der schärfsten Kritiker der Richtlinie, ein. Er hat im Binnenmarktausschuss für eine Ablehnung des Kommissionsvorschlages gestimmt, fand damit jedoch keine Mehrheit. Auf seiner Homepage erklärt er seine Hauptkritikpunkte an der Richtlinie. Auch Waidenholzer sieht keine explizite Privatisierung durch die Richtlinie. Allerdings haben viele Städte in den vergangenen Jahren Teile ihrer Aufgaben an öffentliche oder halböffentliche Unternehmen ausgelagert. Einer der häufigsten Gründe dafür war, dass man diese öffentlichen Einrichtungen dauerhaft vor den Regelungen des Binnenmarktes schützen wollte.

Privatisierungsverbot in den Niederlanden


Die Vergabe an diese Unternehmen würde, so Waidenholzer auf seiner Homepage, nun massiv erschwert werden, wenn europaweit ausgeschrieben wird. Es ist vorstellbar, dass die Stadt Wien dann beispielsweise nicht mehr automatisch die Wiener Linien mit der Erbringung des öffentlichen Nahverkehrs beauftragen könnte. Viele Kommunen fürchten nun, dass ihnen große internationale Konzerne mit Dumpingpreisen zur Konkurrenz werden, die langfristigen Folge aber eine massive Verschlechterung der öffentlichen Dienstleistungen wäre. Waidenholzer und viele andere Kritiker, darunter auch die gesamte österreichische Bundesregierung und alle Parlamentsparteien fordern eine Ausnahme sozialer Dienstleistungen von dieser Richtlinie. Inwiefern das EU-Parlament auf diese Forderung eingeht, wird sich in der kommenden Zeit zeigen.

Die Initiative „Wasser ist Menschenrecht“ möchte darauf nicht warten und bis September eine Million Unterschriften sammeln, um die EU-Kommission zu zwingen, sich mit dem Bürgerbegehren auseinanderzusetzen, 600.000 Menschen sind dem Aufruf schon gefolgt. Einen alternativen Weg zeigen die Niederlande vor, diese haben schlicht in der Verfassung ein Privatisierungsverbot für die Wasserversorgung erlassen.

Auch Österreich überlegt Privatisierungsverbot

Am Wochenende wurde bekannt, dass Staatssekretär Ostermayer am kommenden Montag einen Gesetzesvorschlag in die Regierungskoordination einbringen wird, der ein mehrheitlich öffentliches Eigentum an der Wasserversorgung festschreibt, um sich für die neue Richtlinie zu wappnen.

Auf Gemeinden die ihre Wasserleitungen bereits privatisiert oder teilprivatisiert haben, soll es keine Regelung geben. Im niederländischen Gesetz das als Vorbild dient, sind Einschleifregelungen vorgesehen, die den Firmen die bei Inkrafttreten des Gesetzes als Anbieter tätig sind, ermöglichen vorerst weiter anzubieten.


In Österreich gibt es gar nicht so wenige (Teil-)Privatisierungen. Großteils fand zwar nur ein Tausch von einem kleineren zu einem größeren öffentlichen Anbieter statt, aber es gibt auch Wasseranbieter die überwiegend in privater Hand sind oder waren. Die Klagenfurter Wasserwerke beauftragten beispielsweise während der Haider-Ära die Aquassist-Gesellschaft mit der Wasserversorgung. An dieser Aquassist hielt die französische Veolia Wasser,der zweitgrößte Wasserkonzern der Welt, 51 Prozent.

Wasser als großes Geschäft

Nun gilt es die Abstimmung im Plenum des EU-Parlaments abzuwarten. Doch selbst wenn der Entwurf angenommen wird, sind Übergangsfristen bis 2020 vorgesehen und auch danach haben Kommunen zumindest noch die Möglichkeit europaweite Ausschreibungen genau so vorzunehmen, dass diese „zufällig“ auf ihren kommunalen Anbieter am besten passt. Die Möglichkeit der Klage würde dann allerdings offen stehen.


Doch klar ist dass so zur Ausnahme wird, was bislang die Regel ist. Kommunen müssen sich diverse Spitzfindigkeiten einfallen lassen und tricksen, um weiter selbst anzubieten. Über jeder dieser Entscheidungen schwebt dann als Damoklesschwert die Möglichkeit, dass sie später durch einen Gerichtsbeschluss aufgehoben wird.

Sollte es privaten Konzernen ermöglicht werden, stärker als bisher am europäischen Wassermarkt mitzumischen, so tut sich für diese ein großes neues Geschäftsfeld auf. Schließlich wird der Markt für Wasser in der EU wird auf mehr als 100 Milliarden Euro geschätzt. Schon heute sind die Märkte für Wasser in Ländern wie Frankreich und Großbritannien überwiegend privatisiert, in Deutschland oder Österreich hingegen beispielsweise noch in sehr viel geringerem Ausmaß. Gerade in Österreich und Deutschland setzen jedoch Kommunen besonders häufig auf öffentliche oder halböffentliche Unternehmen, wie beispielsweise die Stadtwerke oder die Linz AG in Österreich, die von der Richtlinie besonders hart betroffen wären.

Was an Wasserprivatisierung problematisch ist

Doch was unterscheidet Wasser von sonstigen Gütern und was spricht somit überhaupt gegen eine Privatisierung? Wasser ist nicht ersetzbar, somit gibt es keine oder so gut wie keine Auswahl für Konsumenten. Man muss Wasser trinken und kann zugleich nicht aus mehreren Anbietern auswählen. Denn um ein Wassernetz zu betreiben sind sehr hohe Investitionen notwendig - weshalb es in der Regel selbst nach einer Privatisierung nur einen Anbieter in jeder Kommune gibt.

Kommunale Anbieter nutzen die Gewinne aus dem Betrieb der Wasserleitungen für gewöhnlich, um das Leitungsnetz zu erneuern und in Stand zu halten. Daran haben private Betreiber kein Interesse. Weswegen die Privatisierung von Wasserversorgern fast immer damit verbunden ist, dass die öffentliche Hand weiterhin die Investitionen in die Infrastruktur vornehmen muss.

Deutlich höhere Preise drohen

Für die Konsumenten bedeutet das, dass sie nun quasi doppelt zahlen müssen. Einerseits einen privaten Anbieter der aus dem Betrieb der Wasserleitungen auch einen Gewinn erzielen will und andererseits die öffentliche Hand, die weiter die Infrastruktur finanzieren muss. Für die Konsumenten kann das höhere Kosten bei gleichzeitig schlechterer Leistung bedeuten.

In den 1980er Jahren privatisierte beispielsweise Großbritannien große Teile der Wasserversorgung. Das führte zu Preissteigerungen von 46 Prozent in nur neun Jahren für Konsumenten, wohingegen sich die Profite aus dem operativen Geschäft für Anbieter mehr als verdoppelten. Das gelang deshalb, da Investitionen in die Infrastruktur massiv zurückgefahren wurden. Der Wasserverlust erhöhte sich so stark, dass die gesetzlichen Bestimmungen für die privaten Wasserkonzerne massiv verschärft werden mussten. Ähnlich dürfte die Lage auch in Berlin sein, wo seit 1999 die französische Veolia Water und der RWE Konzern mit 49,9 Prozent am kommunalen Wasserversorger beteiligt sind. Das Bundeskartellamt geht davon aus, dass die Preise in Berlin um bis zu 25 Prozent überhöht sein könnten. Bei einem Volksentscheid wurde 2011 schließlich beschlossen, eine Kommunalisierung der Wasserversorgung vorzunehmen. Bislang ist diese noch nicht erfolgt.

Kommentare

derpradler


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Nein zur Privatisierung öffentlicher Dienste!
EU-Kommission für „Privatisierung öffentlicher Leistungen, inklusive Wasser“
http://www.werkstatt.or.at/index.php?option=com_content&task=view&id=780&Itemid=1

brauser49

Unser Wasser MUSS in oesterr. Hand bleiben und wenn wir reichlich davon haben tauschen wir mit den Saudis gegen Oel, 1:1

Unterstützung von Pleitestaaten in Süd-Europa,
Privatisierung der Wasserversorgung gegen den Willen der Bevölkerung, etc.
Wir Österreicher haben die Wahl - bei der NR-Wahl im Herbst können wir endlich jene Kräfte stärken, die den Willen der Wähler (und nicht der Parteifunktionäre) umsetzen: Volksabstimmung über EU-Austritt, bei entsprechender Mehrheit Umsetzung durch die fassungslosen Politiker!!!

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Der Putsch muss beendet werden! Vor Jahrzehnten wurde die Politik weg geputscht.

"Der perfekte Markt löst alle Probleme, Politiker sind viel zu dumm um den perfekten Markt zu verstehen, daher muss die Politik als Störfaktor ausgeschaltet werden. Die Politk muss dazu gebracht werden gemütlich zurück gelehnt zu zu sehen wie der perfekte Markt alle Probleme löst"

Wir sehen wohin dieser sogenannte "Perfekte Markt" uns in den letzten Jahrzehnten gebracht hat.

Zerfallendes Eisenbahnsystem in Englang, wo der totale Glaube an den perfekten Markt seit Thatcher die Politk prägt.

Mit der Hochgeschwindigkeitsbahn durchs ganze Land in China, wo man bei wichtiger Infrastruktur absolut nichts vom freien Markt hällt.

brauser49
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Bitte keine Vergleiche mit China denn dort wird JEDER der einer Eisenbahn oder einer Strasse im Weg steht ENTEIGNET. Und eine kommunistische Diktatur hält natuerlich nichts von priv. Marktwirtschaft.

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@brauser49 Es ist keine kommunistische Diktatur sondern ein konfizianisches Gesellschaftssystem. Gemeinwohl geht dort eben vor dem Einzelnen.

brauser49
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Aha, die Chinesen haben den perfekten Markt. Sollten wir auch die Todesstrafe einfuehren und die Organe der Erschossenen verkaufen ?
Ja, was gelernt: Nicht kommunistisch, keine Diktatur !

"Niemand hat vor eine Mauer zu bauen!"...hat das nicht auch mal jemand gesagt?

Fakt ist jedenfalls, dass die Wasservorräte durch die Klimaerwärmung und die steigende Weltbevölkerung ein knapperes Gut werden wird, das heißt Wasserversorgung und Wasserbesitzrechte werden in Zukunft eine schöne Geldquelle. Und man lese das GATS-Abkommen, dann weiß man in welche Richtung die marschieren wollen, auch wenn man zu beschwichtigen und dummzuschwätzen versucht.

http://de.wikipedia.org/wiki/Allgemeines_Abkommen_%C3%BCber_den_Handel_mit_Dienstleistungen#GATS-Kritik

In Österreich will ich auf jeden Fall das Wasser, die Krankenversorgung und die andere wesentliche Infrastruktur in öffentlicher Hand, jede Privatisierung hat immer noch zur Abzocke geführt. This is not America.

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