Eurofighter, Sie haben
die Erlaubnis, "abzuheben"

(vom 7.3. 2015)

Ein Prüfbericht der Eurofighter-Firma EADS deckt fragwürdige Geldflüsse auf. Immer der Spur des Geldes nachgehen: Diese alte Ermittlerweisheit hat schon viele überraschende Erkenntnisse gebracht. Und wie die Causa Eurofighter nun beweist, können dadurch selbst nach vielen Jahren noch äußerst brisante Zusammenhänge ans Licht kommen. Zusammenhänge, die letztlich sogar geeignet sein könnten, die Grundfesten des größten Rüstungsgeschäfts der Zweiten Republik zu erschüttern.

von
Kampfjet-Skandal - Eurofighter, Sie haben
die Erlaubnis, "abzuheben"

News liegen die geheimen Ergebnisse jener internen Ermittlungen vor, die der deutsche Eurofighter-Hersteller EADS bei der Anwaltskanzlei Clifford Chance in Auftrag gegeben hat. Über einen vorläufigen Bericht von Clifford Chance hat News vor rund einem Jahr berichtet. Schon dieser hatte bemerkenswerte Erkenntnisse enthalten. Die internen Ermittler haben jedoch noch weitergearbeitet -und höchst Erstaunliches zutage gebracht.

Umstrittene Gegengeschäfte

Der Bericht trägt das Datum 16. Dezember 2013 und wurde bisher streng unter Verschluss gehalten. Es geht darin um das wohl umstrittenste Thema in Zusammenhang mit den Eurofightern -die sogenannten Gegengeschäfte. Zur Erinnerung: Österreich verpflichtete sich 2003, 18 Eurofighter-Kampfflugzeuge für rund 1,96 Milliarden Euro zu kaufen. Im Gegenzug sollten österreichische Firmen - unter Mithilfe des Flugzeugherstellers - Aufträge für vier Milliarden Euro erhalten. Später wurden Stückzahl und Kosten der Flugzeuge reduziert.

Doch zurück zu den Gegengeschäften : Dort war, wie sich immer mehr zeigt, viel Geld in Umlauf. Und ein Teil davon ist offenbar im Umfeld von Personen gelandet, bei denen man es nicht von vornherein vermutet hätte -Hubert Hödl zum Beispiel, der von 1999 bis 2013 verschiedene Vorstandsfunktionen im Magna-Konzern bekleidet hat. Magna ist nicht nur jenes Unternehmen, mit dem Frank Stronach zum Milliardär geworden ist. Magna ist auch eine jener Firmen, die besonders viel dazu beigetragen haben, dass EADS die Gegengeschäftsverpflichtung erfüllen konnte. Alleine bis inklusive 2010 wurden vom Wirtschaftsministerium Aufträge, die verschiedene Magna-Sparten erhalten und entsprechend eingereicht haben, von insgesamt knapp 350 Millionen Euro als Gegengeschäfte anerkannt.


Was hat es nun mit der Millionenzahlung ins Umfeld Hödls, der hoher Magna-Manager war, auf sich? Nun: Im Juli 2004 hat ein italienischer Geschäftsmann namens Gianfranco Lande in London im Auftrag von EADS die Firma Vector Aerospace LLP in London gegründet. Lande sitzt mittlerweile -in anderem Zusammenhang - in Italien im Gefängnis. Der vorgebliche Zweck von Vector war es, für die Erfüllung der Gegengeschäfte zu sorgen. EADS überwies -laut dem Bericht der Anwaltskanzlei Clifford Chance - von März 2005 bis Februar 2010 rund 114 Millionen Euro an Vector.

Erkenntnissen der Justiz zufolge soll Vector wiederum namhafte Teile davon an sogenannte Vermittlungsgesellschaften - großteils Briefkastenfirmen - weitergereicht haben. Geld bekommen hat auch die Firma Orbital Business Value Development KB, eine unscheinbare Kommanditgesellschaft im schwedischen Malmö. Das Besondere an Orbital: Kommanditist ist Johan Eliasson, früher Topmanager beim EADS-Konkurrenten Saab, der dann auf Eurofighter-Seite im Bereich der Gegengeschäfte unterwegs war.

Wie auch immer: Vector zahlte - wie früher berichtet - insgesamt 2,1 Millionen Euro an Orbital. Nun lichten sich jedoch die Nebel in Bezug auf die Frage, was dann mit diesem Geld passiert ist. Die Anwälte von Clifford Chance haben in ihrer internen Untersuchung der Vorgänge bei EADS auch Einblick in die Eurofighter-Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft Wien genommen. Und in diesen findet sich ein Schreiben des Rechtsanwalts der Orbital, aus dem hervorgeht, dass ein Anteil von 1,3 Millionen Euro an eine Firma namens Inducon weiterüberwiesen wurde. Dabei handelt es sich laut Clifford-Chance-Bericht um die Inducon Industrieconsulting GmbH in Graz, die sich mittlerweile in Liquidation befindet. Und bei Inducon war - laut Eingabe der Orbital an die Staatsanwaltschaft - Manga-Manager Hödl führend involviert.

Dies ist insofern überraschend, als Hödl in Zusammenhang mit Inducon nicht im Firmenbuch aufscheint. Dort findet man einen Rechtsanwalt als Gesellschafter und den Namen einer Geschäftsführerin. Diese dürfte freilich Anweisungen von Hödl befolgt haben -etwa als sie im Mai 2005 "im Auftrage von Herrn Hödl ( ) 6 Gegengeschäftsbestätigungen von Magna-Firmen für das Geschäftsjahr 2004 im Entwurfstadium" per E-Mail an einen EADS-Mitarbeiter verschickte. Die Inducon-Geschäftsführerin bat EADS, "diese zu begutachten und allfällige Änderungsnotwendigkeiten bekannt zu geben".

"Absolut korrekt von Anfang bis Ende"

Zur Erklärung: Firmen, die von Gegengeschäften profitierten, bestätigten diese gegenüber dem Wirtschaftsministerium, damit dieses die Anrechnung zugunsten von EADS vornehmen konnte. Die Angelegenheit ist heikel: Werden vorsätzlich falsche Angaben gemacht, damit ein Gegengeschäft, das tatsächlich keines ist, wie eines aussieht, wäre das möglicherweise Betrug. Ob das hier der Fall gewesen sein könnte, geht aus den Unterlagen nicht hervor. Es stellt sich aber die Frage, warum Magna nicht selbst die Abstimmung mit EADS vorgenommen hat, sondern eine Firma, bei der ein Magna-Vorstand involviert war und die namhafte Summen überwiesen bekam.

Eurofighter-Aufdecker Peter Pilz von den Grünen hat bereits früher den Verdacht geäußert, dass es sich bei einigen Magna-Gegengeschäften um einen "Schwindel" handeln könnte. Seitens Magna wurden die Gegengeschäfte verteidigt. Hat Hödl vielleicht Geld dafür erhalten, damit Magna Aufträge als Gegengeschäfte einreicht, die auch ohne den Eurofighter-Kauf durch Österreich zustande gekommen wären?


Hödl bestreitet das und erklärt, es sei alles "absolut korrekt vom Anfang bis zum Ende" abgewickelt worden. Gefragt nach den 1,3 Millionen Euro von Orbital an Inducon, erklärt Hödl, dass dies die Summe für "eine Vielzahl unterschiedlicher Projekte und unterschiedlicher Kunden sei - nicht nur in Bezug auf den Eurofighter". Er habe seine Tätigkeit bei Inducon gegenüber Magna offengelegt und habe sich nicht das Geringste vorzuwerfen. Dass er bei Inducon nicht im Firmenbuch aufscheinen sollte, sei "ein Wunsch von Magna" gewesen.

Ob ihm die 1,3 Millionen Euro an Inducon letztlich persönlich zugeflossen sind, geht aus den vorliegenden Unterlagen nicht hervor. Auch findet sich darin kein Hinweis, dass die Staatsanwaltschaft gegen ihn ermitteln würde.

Der Rechtsanwalt Eliassons hält fest, dass sein Mandant von der Staatsanwaltschaft Wien nicht als Beschuldigter geführt werde. Im Rahmenvertrag zwischen Orbital und Inducon sei es auch nicht ausschließlich um den Automobilsektor gegangen. Das ist jener Bereich, in dem Magna bekanntermaßen aktiv ist. Orbital habe über die Eigentumsverhältnisse der Inducon keine Kenntnis, heißt es in der Stellungnahme. Hödl sei ein "Repräsentant" von Inducon gewesen. Die fünfjährige Geschäftsbeziehung habe sich für Orbital als Verlustgeschäft erwiesen, Eliasson habe sich nichts vorzuwerfen.

Maulwurf in Gegengeschäfte-Kommission

Tatsächlich haben alle Verantwortlichen immer bestritten, dass etwas mit den Eurofighter-Gegengeschäften nicht in Ordnung gewesen wäre. Ein Argument kommt dabei besonders gerne: dass das Wirtschaftsministerium diese ja geprüft und gegebenenfalls anerkannt habe.

Wie sich im Clifford-Chance-Bericht nun herausstellt, saß im Wirtschaftsministerium jedoch ein Beamter, der EADS vertrauliche Informationen zukommen ließ - unter anderem ein Ergebnisprotokoll der sogenannten "Plattform Gegengeschäfte". Diese "Plattform" war jene Kommission, die die Anerkennung von Gegengeschäften zu prüfen hatte. Und der Beamte, der EADS Informationen mit Bemerkungen wie "zur sehr vertraulichen Kenntnis" oder "Wie immer kenne ich dieses Mail nicht" zukommen ließ, dürfte selbst Mitglied dieser Kommission gewesen sein. Darüber hinaus hat er den Gegengeschäftsvertrag mitverhandelt und sitzt - zumindest mit Stand August 2014 - nach wie vor im Ministerium. Betont sei, dass nicht bekannt ist, ob der Beamte zugunsten von EADS auf Gegengeschäftsanerkennungen eingewirkt hat.

Ein großer Abschnitt im Clifford-Chance-Bericht widmet sich der Frage, was die Gegengeschäfte-Firma Vector rund um Gianfranco Lande tatsächlich für die erhaltenen 114 Millionen Euro geleistet hat. Die internen Prüfer stellen fest, dass bei zahlreichen Projekten das Gegengeschäftsteam von EADS selbst tätig gewesen wäre. Anhaltspunkte für Aktivitäten von Vector-Mitarbeitern hat man hingegen vielfach nicht gefunden. Das könnte für die strafrechtliche Aufarbeitung, die bei der Staatsanwaltschaft München läuft, relevant sein. Zahlungen ohne entsprechende Gegenleistung könnten einen Untreue-Tatbestand darstellen. Viel wird wohl darauf ankommen, ob sich frühere Vector-Mitarbeiter, die gegenüber Clifford Chance geschwiegen haben, gegenüber der Justiz zu ihrer Tätigkeit auskunftsbereit zeigen. In Österreich wiederrum könnten mögliche Malversationen - abgesehen von strafrechtlichen Auswirkungen - der Regierung die Möglichkeit einräumen, Vergünstigungen zu verhandeln. Die Firma EADS, die mittlerweile "Airbus Group" heißt, wollte mit Verweis auf das laufende Verfahren keinen Kommentar abgeben. Für alle Betroffenen gilt in vollem Umfang die Unschuldsvermutung.

Der schweigsame Inder

Kein Licht ins Dunkel konnten die internen Ermittler von Clifford Chance übrigens in Bezug auf eine Beraterfirma bringen, über die NEWS im Vorjahr erstmals berichtete. Die kleine britische Firma "City Chambers" hat immerhin rund acht Millionen Euro dafür kassiert, dass Österreich 15 Eurofighter kaufte. Direktor der Firma soll ein gewisser Rajni Mehta gewesen sein. Die von Clifford Chance aufgefundenen Arbeitsbelege gleichen einer Verhöhnung der österreichischen Steuerzahler. City Chambers kassierte immerhin für "Lobbying" bei "Dr. W. Lüssel, Dr. J. Laider und K. H. Lasser" (siehe Faksimile). Clifford Chance fragte nach. Doch die involvierten Personen konnten entweder nicht erreicht werden oder weigerten sich, interviewt zu werden.

Ebenfalls weiter nachgegangen sind die Anwälte von Clifford Chance einem angeblichen Treffen von EADS-Mitarbeitern mit dem damaligen Kärntner Landeshauptmann Jörg Haider und Finanzminister Karl-Heinz Grasser Anfang 2002. Damals könnte eine Vorentscheidung für die Beauftragung der PR-Agentur von FPÖ-Werber Gernot Rumpold gefallen sein. Die Angaben der von Clifford Chance befragten Personen waren jedoch wenig erhellend. Grasser hat jedes Fehlverhalten immer bestritten.

Kommentare