Eurofighter:
Die großen Abkassierer

News liegt die Betrugsanzeige vor, die Minister Hans Peter Doskozil gegen Airbus eingebracht hat. Darin stehen auch Namen mutmaßlicher Geldempfänger in Österreich.

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Affäre - Eurofighter:
Die großen Abkassierer

Sie ist 133 Seiten lang und im Moment sicher das brisanteste Dokument, das die österreichische Innenpolitik zu bieten hat. Vor einigen Tagen wurde sogar extra eine Sitzung des Nationalen Sicherheitsrats einberufen, um den Vertretern der politischen Parteien zu erklären, was genau in der Betrugsanzeige steht, die Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil (SPÖ) vor zwei Wochen gegen zwei Firmen aus der Airbus-Gruppe in der Causa Eurofighter eingebracht hat. Die Anzeige liegt News vor.

Und abgesehen von den Hauptvorwürfen lohnt sich gleich einmal ein Blick auf Seite 78. Dort wird Bezug genommen auf das sogenannte "Vector-Netzwerk“, über das ein dreistelliger Millionen-Euro-Betrag in teils undurchsichtige Kanäle gelaufen sein soll. In der Anzeige heißt es: "Von Vector wurde der Betrag von EUR 114 Millionen im Zeitraum von 2004 bis 2011 dazu verwendet, über zahlreiche weitere Off-Shore Gesellschaften auf direktem oder indirektem Weg ‚Vermittlungsprovisionen‘ ua an Personen eines Berater- und Interessennetzwerkes zu leisten, welche in einem Naheverhältnis zu damaligen Entscheidungsträgern der Republik Österreich standen.“ Vermittlungsprovisionen? Naheverhältnis zu Entscheidungsträgern der Republik? Das Verteidigungsministerium nennt auch konkrete Namen: Josef E., im entscheidenden Zeitraum FPÖ-Mitglied und mit spannenden persönlichen und industriellen Connections versehen, ist auf den ersten Blick vielleicht weniger bekannt. Bei Alfons Mensdorff-Pouilly klingelt es da schon deutlich lauter. Schließlich hat News bereits vor einiger Zeit berichtet, dass laut Verdachtslage der Staatsanwaltschaft rund zwei Millionen Euro aus dem Vector-Netzwerk im Umfeld des Lobbyisten gelandet sein sollen.

Steirischer Strippenzieher

Und da wäre noch Hubert Hödl, beim Eurofighter-Deal diskreter Strippenzieher im Hintergrund, damals Vorstand bei der Firma Magna und über die Industriellenvereinigung exzellent vernetzt. Was er mit einer Stiftung in Liechtenstein und einem Konto auf Zypern zu tun haben soll, lesen Sie ausführlich auf Seite 33. Was in der Anzeige ebenfalls nicht fehlt, ist das Projekt Lakeside, ein Firmenpark am Wörthersee und ein Herzensanliegen des damaligen Kärntner Landeshauptmanns Jörg Haider. In diesem Zusammenhang flossen vier Millionen Euro durch dunkle Kanäle. Doch auch dazu später mehr. Hier sei noch betont, dass nach letztem Wissensstand gegen keine der genannten Personen im Eurofighter-Zusammenhang ermittelt wird. Alle haben sämtliche Vorwürfe immer bestritten. Jörg Haider ist 2008 verstorben.

Zurück zur Anzeige: Was ist der Grundverdacht? Das Verteidigungsministerium geht davon aus, dass die Republik Österreich vor ihrer Entscheidung zum Kauf der Eurofighter im Jahr 2002 sowie bei und nach Abschluss des Kaufvertrages Mitte 2003 "über wesentliche Umstände getäuscht“ wurde. Ohne diese Täuschung hätte Österreich die im Betrieb günstigeren Gripen-Abfangjäger der Firma Saab gekauft, heißt es.

Die angebliche Täuschung bezieht sich auf zwei in der Anzeige umfangreich ausgeführte Bereiche: Einerseits seien die angezeigten Firmen Eurofighter Jagdflugzeug GmbH und Airbus Defence and Space GmbH (vormals EADS) weder in der Lage noch willens gewesen, der Republik Österreich die Eurofighter im vertraglich festgelegten Bauzustand zum vereinbarten Zeitpunkt zu liefern. Andererseits hätten die Flugzeuge nicht dem zugesicherten Wert entsprochen. Es seien nämlich 183,4 Millionen Euro - ohne Offenlegung - für bestimmte Kosten in den Kaufpreis eingerechnet worden.

Doppelte Betriebskosten

Den mutmaßlichen Schaden beziffert das Verteidigungsministerium mit mindestens 183,4 Millionen Euro. Folgt man der Argumentation in der Anzeige, könnte der Schaden - mit Stand 31. Dezember 2016 - aber auch bei bis zu 1,1 Milliarden Euro liegen und sogar noch anwachsen. Die Sachverhaltsdarstellung enthält eine entsprechende Berechnung, aus der auch erstmals hervorgeht, um wie viel teurer die Eurofighter im Betrieb sind, als die Gripen laut Ministerium gewesen wären.

Laut Anzeige hat die Republik Österreich für den Betrieb der 15 Eurofighter bis zum Jahresende 2016 sage und schreibe 505 Millionen Euro aufgewendet. Zum Vergleich: Das entspricht zwei Mal dem Sonderbudget, das der Bund unlängst für die Sanierung von Schulen und Universitäten in den kommenden Jahren angekündigt hat - und fast einem Drittel des Eurofighter-Kaufpreises von 1,709 Milliarden Euro. Die "hypothetischen Betriebskosten“ für 15 Gripen hätten sich laut Anzeige im entsprechenden Zeitraum hingegen lediglich auf 252 Millionen Euro belaufen, praktisch die Hälfte der Eurofighter-Kosten.

Es geht also um einen riesigen Batzen Geld. Wie will Doskozil den zurückholen? Beweisstück eins ist wohl das Schreiben, mit dem das Verteidigungsministerium im Oktober 2001 die Angebote verschiedener Jet-Hersteller eingeholt hat. "Dort wurde vonseiten der Republik Österreich klargestellt, dass anfallende Gegengeschäftskosten von den Bietern extra auszuweisen sind“, heißt es in der Anzeige.

Wie News mehrfach berichtet hat, gibt es Hinweise darauf, dass die erwähnten 183,4 Millionen Euro für die Gegengeschäftsabwicklung eingepreist worden sein sollen. Entsprechende Aussagen und Dokumente stammen nicht zuletzt aus internen Ermittlungen, die EADS bei einer internationalen Anwaltskanzlei in Auftrag gegeben hat. Auf derartige Erhebungsergebnisse verweist auch das Verteidigungsministerium in der Anzeige. Darüber hinaus argumentiert man mit Unterlagen aus dem Angebotsprozedere.

Die Firma Eurofighter (EF) habe es unterlassen, die Gegengeschäftskosten auszuweisen, lautet der Vorwurf: "Dadurch erweckte EF den Eindruck, dass mit der Vereinbarung und der Abwicklung der so genannten Gegengeschäfte keine finanziellen Auswirkungen bzw. Belastungen für die Republik Österreich verbunden sein werden.“

Nachdem sich die Bundesregierung - unter bemerkenswerten Umständen - Mitte 2002 zugunsten des Eurofighters entschieden hatte, wurde über die Details verhandelt. Da ging es laut Anzeige auch um die Frage, wann welche Eurofighter-Tranche geliefert werden sollte. In der Anzeige steht: "Zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses am 1. 7. 2003 war den damaligen Entscheidungsträgern und führenden Mitarbeitern von EF und Airbus bekannt, dass die geschuldeten Eurofighter im Bauzustand der Tranche 2 Block 8 an die Republik Österreich innerhalb des vereinbarten Lieferplans nicht lieferbar sein würden. Auch die tatsächliche Umsetzbarkeit einer Nachrüstung auf den Hardwarestandard eines Eurofighter im Bauzustand der Tranche 2 Block 8 war von den Organen von EF niemals ernstlich beabsichtigt.“

Begründet wird dieser Teil der Verdachtslage unter anderem mit Verhandlungsvermerken, diversen Schreiben und auch einem Memorandum eines Eurofighter-Managers, das bei den internen Ermittlungen gefunden wurde.

Für Aufregung sorgte zuletzt der Vergleich, den der damalige Verteidigungsminister Norbert Darabos (SPÖ) Mitte 2007 mit der Firma Eurofighter abgeschlossen hat. Ergebnis waren nicht nur eine Stückzahl- und Kaufpreisreduktion, sondern auch Abstriche beim Bauzustand. Ist damit nicht längst alles bereinigt? Laut Anzeige nicht. Die Airbus-Verhandler hätten nämlich weiterhin verheimlicht, dass sie keine entsprechenden Flugzeuge zum vereinbarten Zeitpunkt liefern hätten können. Auch hätten die Verhandler die Republik Österreich weiterhin nicht darüber aufgeklärt, dass in den Kaufpreis 183,4 Millionen Euro eingepreist worden seien, wird argumentiert.

Hier wird die Beweisführung besonders spannend. Das Verteidigungsministerium regt unter anderem die Einvernahme der Universitätsprofessoren Helmut Koziol und Meinhard Lukas an. Koziol wurde von Darabos bei den Verhandlungen beigezogen, der Linzer Professor Lukas war als Berater auf der Eurofighter-Seite tätig.

Die Staatsanwaltschaft Wien hat mittlerweile Ermittlungen gegen die angezeigten Firmen eingeleitet. Der in der Sachverhaltsdarstellung geäußerte Verdacht richtet sich darüber hinaus auch gegen mehrere ehemalige Manager.

"Politisches Manöver“

Airbus bestreitet die Vorwürfe vehement. Seit etwa einer Woche kennt die Firma die Anzeige. Eine frühere Stellungnahme ließ jedoch darauf hindeuten, dass Airbus die entsprechenden Beilagen noch nicht einsehen konnte.

Auf neuerliche Anfrage heißt es nun, man habe noch immer "keine detaillierten Informationen oder Unterlagen zu den Vorwürfen vorliegen, obwohl diesbezüglich Dokumente inzwischen offenbar breit gestreut“ seien. "Der von uns bereits bei der Pressekonferenz des österreichischen Verteidigungsministers entstandene Eindruck, es handle sich bei der Aktion um ein politisches Manöver, konnte daher nicht ausgeräumt werden.“ Abgesehen davon könne man zu den inhaltlichen Fragen aufgrund der laufenden Verfahren keine Angaben machen.

Geld für Haiders Projekt

In Zusammenhang mit dem Lakeside-Technologiepark am Wörthersee flossen vier Millionen Euro durch dunkle Kanäle nach Kärnten
Was kann die Eurofighter-Hersteller dazu gebracht haben, diese Zahlung zu leisten? In einer Anordnung zu einer Kontoöffnung aus dem Jahr 2013 formulierte die Staatsanwaltschaft Wien sehr klar ihre Verdachtslage: "Nach den derzeitigen Ermittlungen handelt es sich bei der Lakeside Privatstiftung um eine Stiftung, die eine nicht erklärbare und nicht rückzahlbare finanzielle Unterstützung in der Höhe von Euro 4.000.000,- durch EADS-D für den Lakeside Park Klagenfurt und den wirtschaftlichen Raum um Klagenfurt erhielt. Diese Zahlung wurde wie ausgeführt ohne jeglichen Leistungsaustausch bzw. ohne Einreichung als Gegengeschäft über ein internationales Firmennetzwerk (…) nach Kärnten überwiesen.“ Eine Millionenzahlung ohne Gegenwert? Fest steht, dass das Betriebsansiedlungsprojekt Lakeside am Wörthersee ein politisches Herzensanliegen des damaligen Kärntner Landeshauptmanns Jörg Haider war. Haider wiederum war zunächst strikt gegen die Abfangjäger-Beschaffung. Letztlich ging die FPÖ in der Regierung dann doch in Richtung Eurofighter mit. Interessant ist der Geldfluss: Die Millionen kamen von der Firma Vector, die von EADS mit Geld ausgestattet worden sein soll, flossen dann an eine Firma auf der Isle of Man und langten erst danach in Österreich ein. Das Lakeside-Projekt ist Gegenstand von Ermittlungen. Alle Betroffenen haben die Vorwürfe immer bestritten.

Interessant ist, dass das Projekt unter dem Titel Spezial-Gegengeschäft lief. Dass es laut Ermittlungsergebnissen nie auch nur beim Wirtschaftsministerium zur Anerkennung eingereicht wurde, könnte allerdings darauf hindeuten, dass das aussichtslos gewesen wäre. Verlorenes Geld für EADS, oder nicht?

Schweden, Zypern, Liechtenstein

Ex-Magna-Vorstand Hödl war beim Kampfjet-Deal involviert. Aus dem Vector-Netzwerk soll eine Millionensumme in sein Umfeld geflossen sein

Der erste Hinweis in den Eurofighter-Unterlagen zu Ex-Magna-Vorstand Hubert Hödl findet sich in einem Outlook-Kontakteintrag. Interne Ermittler der Anwaltskanzlei Clifford Chance, die im Auftrag von EADS die Vorgänge untersucht haben, lasen daraus einen Hinweis heraus, dass ein hochrangiger EADS-Manager für den 21. November 2001 einen Termin mit Hödl und mit Erhard Steininger vereinbart hatte. Damals war der Wettlauf um den begehrten Kampfjet-Auftrag gerade eröffnet. Und Steininger wurde einer der Chef-Lobbyisten für den Eurofighter.

Hödl taucht öfters in den Akten auf. Am 5. Mai 2003, kurz vor Abschluss der Kaufverhandlungen, schrieb Hödl von seiner Magna-Mailadresse an die Sekretärin von EADS-Militärflugzeug-Chef Aloysius Rauen: "Im Zuge des jüngsten Zusammentreffens zwischen Herrn Dr. Manfred Bischoff und Herrn Bundesminister Grasser hat Herr Dr. Bischoff gebeten eine Agentur als Alternative zur Firma Rumpold vorzuschlagen.“ Bischoff war EADS-"Chairman“. Und Hödl war offenbar mittendrin.

Dass Magna ein Interesse am Eurofighter-Deal gehabt haben könnte, scheint logisch. EADS hatte enge Kontakte zur Autoindustrie. Magna konnte auf Gegengeschäftsaufträge hoffen. Nun taucht Hödl aber in der Anzeige des Ministeriums als ein mutmaßlicher Zahlungsempfänger aus dem sogenannten Vector-Netzwerk auf. News liegt ein Anlass-Bericht des Bundeskriminalamts aus dem Jahr 2014 vor. Darin geht es auch um eine zypriotische Briefkastenfirma namens Domerfield. Hinter der stand laut Akt über eine Stiftung in Liechtenstein Hubert Hödl (siehe Faksimile). Ermittlungen zufolge erhielt Domerfield von 2005 bis 2009 rund 4,4 Millionen Euro von der Firma Vector. Über diese soll laut Anzeige Geld unter anderem an Personen mit einem Naheverhältnis zu Entscheidungsträgern der Republik geflossen sein. News-Informationen zufolge soll in Bezug auf Domerfield später sogar von rund 5,5 Millionen Euro die Rede gewesen sein. Aus der Stiftung in Liechtenstein soll ein Millionenbetrag an Hödl bzw. nahe Angehörige ausgeschüttet worden sein.

Doch es gibt noch eine zweite Vector-Connection, über die News bereits exklusiv berichtet hat: Hödl gehörte über einen Treuhänder die Firma Inducon, die Geschäfte mit der schwedischen Firma Orbital machte. Letztere erhielt von Vector 2,1 Millionen Euro. Inducon bekam von Orbital 1,3 Millionen Euro. Inducon soll auch in Zusammenhang mit Magna-Gegengeschäften aktiv gewesen sein. Hödl erklärte damals, alles sei korrekt abgewickelt worden. Das Geld sei für unterschiedliche Projekte und Kunden geflossen - nicht nur in Bezug auf den Eurofighter. Er habe seine Tätigkeit bei Inducon gegenüber Magna offengelegt und hätte sich nicht das Geringste vorzuwerfen.

Eine aktuelle Anfrage zu Domerfield wollte sein Anwalt mit Blick auf die Anzeige des Ministeriums nicht kommentieren: "Unser Mandant versichert uns, stets einen einwandfreien Lebenswandel geführt zu haben und einen einwandfreien Leumund zu besitzen sowie unbescholten zu sein.“ Soweit bekannt ist, wird gegen Hödl nicht ermittelt.