EuGH: Straffällige EU-Bürger nicht ohne Weiteres ausweisbar

Verstärkter Ausweisungsschutz, wenn sie bereits eine Reihe von Jahren in dem Aufnahmestaat verbracht haben

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Nach einer Haftstrafe könnten sie nicht umstandslos ausgewiesen werden. Im Einzelfall müsse die Situation des Betroffenen umfassend geprüft werden.

Hintergrund des EuGH-Verfahrens sind ein Fall aus Deutschland und einer aus Großbritannien. In dem Prozess vor dem Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg geht es um einen griechischen Staatsangehörigen, der mit drei Jahren nach Deutschland kam, seitdem dort lebt und kaum Verbindungen zu Griechenland hat.

Nach 20 Jahren in Deutschland überfiel er eine Spielhalle und wurde zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und acht Monaten verurteilt. Dann sollte er nach Griechenland ausgewiesen werden.

In dem Fall vor dem britischen Supreme Court geht es um einen italienischen Staatsangehörigen, der nach über 15 Jahren in Großbritannien wegen Totschlags zu acht Jahren Haft verurteilt wurde. Auch er sollte nach seiner Freilassung ausgewiesen werden.

Die Richter begründeten das Urteil damit, dass EU-Bürger nach fünf Jahren in einem anderen EU-Staat ein Daueraufenthaltsrecht erlangten, das ihre Ausweisung nur bei "schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit" erlaube. Wenn sie in den vergangenen zehn Jahren in dem Aufnahmestaat lebten, erhielten sie noch zusätzlichen Schutz. Sie könnten dann nur aus "zwingenden Gründen der öffentlichen Sicherheit" ausgewiesen werden.

Nach verbüßten Haftstrafen müsse im Zweifelsfall geprüft werden, ob dadurch die geknüpften Integrationsbande abgerissen seien, befanden die Richter weiter. Ein Gefängnisaufenthalt führe nicht automatisch dazu und bringe Straffällige somit nicht zwingend um ihren erworbenen verstärkten Ausweisungsschutz. Bei der Einzelfallbeurteilung müssten die nationalen Behörden außerdem die Umstände der Straftat und das Verhalten des Verurteilten im Gefängnis untersuchen.