EU will sich zu neuen
Vorschlägen Mays äußern

London kann kein großes Entgegenkommen erwarten

Nach der jüngsten Erklärung von Theresa May zum Brexit will die EU-Kommission am Dienstag offiziell zu den Vorschlägen der britischen Premierministerin Stellung nehmen. In einer ersten Reaktion hatte die EU aber bereits ablehnend auf den Vorstoß von May zu Nachverhandlungen reagiert. Seit vergangener Woche habe sich nichts geändert, erklärte ein Sprecher von EU-Ratschef Donald Tusk.

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Brexit - EU will sich zu neuen
Vorschlägen Mays äußern

"Wir sind immer bereit, uns zu treffen und zu reden", sagte der Sprecher. Doch hätten die bleibenden 27 EU-Staaten schon im Dezember gesagt, dass das mit May ausgehandelte Austrittsabkommen nicht nachverhandelt werden könne. Der Fraktionschef der Sozialdemokraten im Europaparlament, Udo Bullmann, sieht indes ein zweites Referendum über den Brexit als einzigen Ausweg. "Um Stabilität zurückzugewinnen, muss man das Volk fragen", sagte er.

Außenministerin Karin Kneissl (FPÖ) mahnte die EU-27 indes dazu, ihre bisherige Einheit zu bewahren. "Es bringt uns nicht weiter, wenn wir jetzt anfangen, bilaterale Ideen aufzubringen. Bleiben wir bitte beim Verhandlungsmandat für (EU-Chefverhandler) Michel Barnier", sagte sie nach am Montag nach Beratungen mit ihren EU-Amtskollegen in Anspielung auf den Vorstoß des polnischen Chefdiplomaten Jacek Czaputowicz, den sogenannten Backstop für Nordirland auf fünf Jahre zu befristen.

Merkel forderte konsensfähige Vorschläge

Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel rief die britische Regierung zu raschen und in London konsensfähigen Vorschlägen auf. "Die Bundesregierung erwartet, dass die britische Regierung sich bald auf Vorschläge einigt, die von einer Mehrheit des Unterhauses unterstützt werden", teilte ein deutscher Regierungssprecher am Montagabend mit. "Die Bundesregierung setzt sich weiter für einen geordneten Austritt Großbritanniens aus der EU ein." CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer forderte das Parlament in London auf, endlich zu einer klaren Haltung zu kommen. Eine Verschiebung des Brexit-Datums "macht ja nur dann Sinn, wenn vorher klar ist, über was nochmal gesprochen wird".

Großbritannien soll eigentlich am 29. März die EU verlassen. May hatte am Montag im britischen Parlament deutlich gemacht, dass sie die schwierige Irland-Frage aus den Brexit-Gesprächen wieder aufmachen wolle. Dabei dreht sich alles wieder um die Garantie einer offenen Grenze zwischen dem EU-Staat Irland und dem britischen Nordirland, den sogenannten Backstop. Die Klausel war einer der Gründe dafür, dass das britische Unterhaus das Austrittsabkommen vorige Woche mit großer Mehrheit ablehnte - und das, obwohl sich EU und Großbritannien einig sind, dass eine feste Grenze zwischen Irland und Nordirland neue Gewalt in der früheren Bürgerkriegsregion anfachen könnte.

May hatte zudem Forderungen zurückgewiesen, einen Brexit ohne Abkommen auszuschließen. Auch einem zweiten Referendum zum britischen EU-Austritt erteilte sie eine erneute Absage.

Enttäuschung über Mays Rede

Neben Bullmann äußerte sich auch der langjährige EU-Abgeordnete Elmar Brok enttäuscht über Mays Rede. "Ich habe keinen Plan B gehört. Ich habe nur gehört, dass Regierung und Opposition in Großbritannien jetzt miteinander reden wollen", sagte der CDU-Politiker am Montag dem Nachrichtenportal t-online.de. Brok warnte vor den Folgen fehlender Kompromissbereitschaft der verschiedenen Lager im britischen Parlament. "Wenn alle weiter auf den eigenen Positionen beharren, geht gar nichts. Dann passiert der Unfall, der harte Brexit, obwohl ihn niemand will."

Die Brexit-Expertin der Grünen im Europaparlament, Terry Reintke, äußerte sich ähnlich kritisch und plädierte ebenfalls für eine neue Volksabstimmung. "Der sogenannte Plan B zeigt: May hat nichts aus ihren Fehlern gelernt", erklärte Reintke der dpa. Trotz Mays Niederlage sei keine Kehrtwende in Sicht. Die Premierministerin mache auch keine Vorschläge, wie der Friedensprozess in Irland nach dem Brexit gesichert werden solle. "Sie muss endlich erkennen, dass sie sich in eine Sackgasse manövriert hat", meinte Reintke. "Dass May erneut einen "People"s Vote" ausschließt, ist genau der falsche Weg."

Britische Opposition erhöht Druck auf Premierministerin May

Im Brexit-Streit erhöht die britische Opposition den Druck auf Premierministerin Theresa May. Labour-Chef Jeremy Corbyn forderte am Dienstag, die Federführung für die Verhandlungen über den Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union der Regierung zu entziehen und dem Parlament zu übertragen. Gleichzeitig wies er den Weg zu einem neuen Referendum über den Verbleib in der EU.

Führende EU-Politiker zeigten sich ernüchtert über Mays Rede vom Montag, mit der sie neue Bewegung in die festgefahrenen Gespräche bringen wollte. Ihre Ankündigung, bei erneuten Verhandlungen mit der EU Zugeständnisse zu erreichen, stießen weitgehend auf Ablehnung.

»Ich bin enttäuscht«

Corbyn schlug einen Zusatz zum Entwurf für den Brexit-Vertrag vor, der dem Parlament das Recht gegen soll, über Möglichkeiten zur Vermeidung eines harten Brexit abzustimmen. Zudem soll es mehr Zeit für Beratungen geben. Nach Angaben der Labour-Partei sollten Optionen wie die permanente Mitgliedschaft in der europäischen Zollunion und eine Volksabstimmung über den Brexit-Vertrag erörtert werden. Beide Vorschläge hatte May in der Vergangenheit allerdings mehrfach ausgeschlossen. "Unser Zusatzvertrag wird es den Abgeordneten ermöglichen, über Möglichkeiten zur Beendigung der Brexit-Blockade abzustimmen und das Chaos eines ungeregelten Austritts abzuwenden", sagte Corbyn. Nach dem bisherigen Fahrplan soll das Parlament kommenden Dienstag über Ergänzungen zum Brexit-Vertrag abstimmen.

Ähnlich wie andere führende EU-Politiker kritisierte die deutsche Justizministerin Katarina Barley die britische Premierministerin im Deutschlandfunk: "Ich bin enttäuscht." Sie bekräftigte die Linie der EU, eine inhaltliche Neuverhandlung des jetzigen Vertrages komme nicht infrage. Ein Sprecher der EU-Kommission sagte, derzeit gebe es aus Brüssel nichts Neues, weil es aus London nichts Neues gebe. Er forderte die britische Regierung auf, ihre Absichten zu konkretisieren.

Dagegen sah die britische Regierung Ansatzpunkte für Nachbesserungen beim zentralen Streitpunkt, der Ausgestaltung der Grenzkontrollen zwischen Irland und dem britischen Nordirland. Der britische Brexit-Minister Stephen Barclay sagte der BBC, seine Regierung arbeite an einem Vorschlag für eine geänderte Notfalllösung für Nordirland.

Belgiens Außenminister Didier Reynders betonte die einhellige Unterstützung Irlands durch die EU-Staaten. "Wir sind im Moment alle Iren", sagte er in Brüssel. Die irische Regierung will vermeiden, dass an der Grenze zu Nordirland Behinderungen für den Personen- und Warenverkehr entstehen. Dann aber würde Nordirland im Gegensatz zum Rest Großbritanniens im EU-Binnenmarkt verbleiben. Dieser Zustand soll auch dann weiter gelten, sollten es die EU und Großbritannien in einer Übergangsphase nicht schaffen, sich auf ein Handelsabkommen zu einigen. Reynders erklärte, die EU warte immer noch auf neue Vorschläge zum Brexit aus London.

IWF sieht in hartem Brexit schlechteste aller Lösungen

Die nordirische Partei DUP, die die Minderheitsregierung von May bisher unterstützt, forderte, alle Regelungen zum Grenzregime in Irland müssten dasselbe Gewicht wie der eigentliche Brexit-Vertrag haben. Die DUP lehnt die bisher ausgehandelte Ausgestaltung der Grenze auf der irischen Insel ab. May hatte angekündigt, Bedenken über den sogenannten Backstop bei neuerlichen Verhandlungen mit der EU auszuräumen.

Der Brexit ist für den 29. März terminiert. Sollte es bis dahin keinen Vertrag über die künftigen Beziehungen zwischen der EU und Großbritannien geben, würden zwischen beiden Wirtschaftsräumen die Regeln der Welthandelsorganisation WTO gelten. Dies würde den Warenfluss und Lieferketten erheblich beeinflussen. Experten rechnen mit einem starken Dämpfer für die Konjunktur.

In weiten Kreisen der Wirtschaft stößt der Brexit auf grundsätzliche Kritik. So warnte beispielsweise der Chef des Sportartikel-Herstellers Adidas, Kasper Rorsted, in der "Süddeutschen Zeitung": "Der Brexit ist die dümmste ökonomische Entscheidung seit langem." Auch IWF-Chefin Christine Lagarde warnte vor Unwägbarkeiten. Das offensichtlich schlimmste Szenario sei ein ungeregelter Brexit, sagte sie dem TV-Sender CNBC.

Kommentare

Was soll man über diese Situation noch sagen? Ein Lügenspiel sondergleichen! So schlimm, dass sogar die Nerven in Irland blank liegen und Informationen zu dem Bombenanschlag am Wochenende möglichst nicht an die Öffentlichkeit gebracht werden. Die Bevölkerung in der EU soll ja auf Linie gehalten werden. Sonst müsste man sich mit dem Thema Terror ja mal ernsthaft auseinander setzen.

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