"Pommes"-Spaltung in der ÖVP

Karas teilt Wunsch von Kurz nicht - dementiert aber Spaltung. SPÖ warnt kurz vor "Brandstiftung"

Die "Pommes" versalzen der ÖVP die Einigkeit im EU-Wahlkampf. Denn Spitzenkandidat Othmar Karas hat am Montag klar gemacht, den Wunsch von VP-Chef Sebastian Kurz nach Abschaffung der EU-Verordnung zu frittierten Produkten nicht zu teilen. Er halte es nicht für notwendig, diese zwei Jahre nach Beschluss einzustampfen. Ein paar Stunden später dementierte Karas jedoch einen Konflikt zwischen ihm und Kurz.

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Die Debatte sei eigentlich schon geführt worden, so Karas bei einer Diskussion, aus der die "ZiB" zitiert. Eigentlich geht es bei der Verordnung um die Vermeidung der Entstehung von Acrylamid, das krebserregend sein könnte. Deshalb wird die Gastronomie unter anderem dazu angehalten, Fett nicht über die Maßen zu erhitzen, da Acrylamid erst bei sehr hohen Temperaturen entsteht. Kanzler Kurz hatte die entsprechende Bestimmung am Wochenende als einziges Beispiel für jene 1.000 EU-Verordnungen genannt, die aus seiner Sicht abgeschafft werden sollten.

"Kein Konflikt"

In der Nacht auf Dienstag dementierte Karas dann eine Spaltung der Türkisen über die. "Pommes-Verordnung". In der Diskussion um weniger Bürokratie in der EU gebe es keinen Konflikt zwischen ihm und Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP), so Karas in einer der APA übermittelten Stellungnahme.

"Nur Satzsplitter herausgegriffen"

Einen Dissens mit Kurz sieht Karas trotz der Debatte nicht. Er sei "überrascht", dass aus der Diskussionsrunde "nur ein Satzsplitter" herausgegriffen wurde, "um einen Konflikt mit dem Bundeskanzler zu konstruieren, den es nicht gibt", erklärte der langjährige EU-Mandatar. Er unterstütze die Anliegen für weniger Bürokratie und die Abschaffung von Vorschriften auf EU-Ebene. Das gelte "auch für die Pommes-Verordnung, denn wenn man das Ziel des Krebsschutzes auch mit anderen Mitteln erreichen kann, braucht es keine Pommes-Verordnung", meinte Karas. Bei der Verordnung geht es um die Regelung der Zubereitung frittierter Speisen, da bei einer übermäßigen Erhitzung von stärkehaltigen Lebensmitteln, wie etwa Kartoffeln, krebserregende Stoffe entstehen können.

Köstinger sieht keine Konflikt

Auch Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP) kann bei der "Pommes-Verordnung" keinen Disput zwischen Kurz und Karas erkennen. "Kurz und Karas haben die selbe Einstellung", betonte sie am Dienstag im Vorfeld des Agrarrats in Brüssel. Gesundheitsschutz stehe an oberster Stelle, "aber man muss nicht alles "bis ins kleinste Detail regeln".

Köstinger selbst wollte sich am Vormittag nicht festlegen, ob sie nun für eine Beibehaltung oder Streichung der "Pommes-Verordnung" eintritt. Schon EVP-Spitzenkandidat Manfred Weber habe betont, "dass man alles einmal einem Faktencheck unterziehen soll, dass man die großen Dinge im Großen regeln soll und die kleinen im Kleinen. Da wird natürlich auch die Pommes-Verordnung drunter fallen."

Man sei generell gerne bereit, über "strenge, einheitliche und europaweite Grenzwerte" zu diskutieren, die Umsetzung müsse aber den Mitgliedsstaaten überlassen werden - und zwar ohne "überbordende Bürokratie". Wie das im Konkreten bezüglich frittierter Produkte aussehen könnte, müsse man sich anschauen, so die Ressortchefin: "Aber so, wie es jetzt ist, ist es unbefriedigend."

SPÖ warnt Kurz vor "Brandstiftung"

Die SPÖ-Delegationsleiterin im Europaparlament, Evelyn Regner, hat Montagabend bei einer EU-Debatte in Wien mit Karas Kritik an Kurz' Forderung nach dem Abbau von 1.000 Verordnungen geübt. Sie warnte vor "Brandstiftung".

Kurz sage, "schaffen wir ganz einfach 1.000 Verordnungen von der EU ab, wenn es 6.000 gibt. Ein Drittel wird sowieso von den Regierungen beschlossen. Was soll denn das sein? Ich schwimme auf der Populismuswelle mit und stelle nur etwas in den Raum, weil Zeitungsumfragen ergeben haben, dass Brüssel ein Moloch ist. Wir haben alle eine große Verantwortung, uns dem entgegenzustellen", so Regner.

Andernfalls "schwimme ich auf der Populismuswelle mit. Das ist gefährlich, nationalistische Elemente zu befeuern. Wir werden letztlich zum Brandstifter. Aber letztlich gehen die Menschen immer zum Schmid und nicht zum Schmidl", meinte Regner.

»"Zwischen der ÖVP und der FPÖ gibt es keinerlei Unterschiede mehr"«

Auch SPÖ-Vizeklubchef Jörg Leichtfried übte am Dienstag scharfe Kritik an Kurz' Aussagen. "Zwischen der ÖVP und der FPÖ gibt es keinerlei Unterschiede mehr", befand er. Bei der Europadebatte im Nationalrat am Mittwoch will Leichtfried vor allem fragen, warum Kurz seine Forderungen nicht in seiner EU-Ratspräsidentschaft umgesetzt hat.

Streichung der Verordnungen? "Alles leeres Gerede, das ist Populismus"

Dass Kurz zuletzt die Streichung von 1.000 EU-Verordnungen gefordert hat, aber gerade einmal eine einzige nennen konnte, hält Leichtfried für scheinheilig und populistisch: "Das ist alles leeres Gerede, das ist alles Populismus, um der FPÖ vielleicht einige Stimmen bei der Europawahl wegzunehmen." Kurz habe schon vor seiner EU-Ratspräsidentschaft im Vorjahr angekündigt, den Verordnungsdschungel zu lichten, aber dann nichts gestrichen.

Kurz hat "letzten Rest proeuropäischen Erbes der ÖVP versenkt"

Der Bundeskanzler habe den letzten Rest des proeuropäischen Erbes der ÖVP mitleidlos versenkt, kritisierte Leichtfried. Und die FPÖ müsse in ihrer Verzweiflung schon den rechten Maler Odin Wiesinger in den oberösterreichischen Kunstbeirat nominieren, um zu zeigen, dass sie noch rechter sei als die ÖVP, ätzte Leichtfried: "Der Herr Vilimsky tut mir inzwischen schon leid, weil er dauernd rechts überholt wird."

Der Nationalrat befasst sich am Mittwoch auf Antrag der ÖVP mit der von Kurz geforderten EU-Vertragsreform. Zur Debatte in der "aktuellen Europastunde" kommen wird laut ÖVP Europaminister Gernot Blümel.

NEOS vergleichen Kurz mit Salvini oder Orban

Scharfe Kritik kommt auch von den NEOS. Parteichefin Beate Meinl-Reisinger verglich Kurz mit dem damaligen britischen Premier David Cameron vor dem "Brexit"-Referendum. Zudem ortet sie Ähnlichkeiten mit weit rechts stehenden Politikern wie Italiens Innenminister Matteo Salvini oder Ungarns Premier Viktor Orban.

Angesichts solcher Aussagen erscheint es für die NEOS-Vorsitzende durchaus denkbar, dass Konservative wie Kurz im EU-Parlament mit Rechtsextremen die Zusammenarbeit suchen könnten. In der österreichischen Europapolitik der Regierung dominiere die FPÖ ja schon.

JETZT: Kurz ist zum "Anti-Europäer geworden"

Für JETZT-Klubobmann Bruno Rossmann ist Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) mit seinen europakritischen Aussagen "zum Anti-Europäer geworden". In einer Pressekonferenz meinte Rossmann am Dienstag, Kurz bediene sich dem Sprechtext der Anti-Europäer und sei damit "sehr weit nach rechts gerückt". Mit dieser "europapolitischen Bankrott-Erklärung" sei der pro-europäische Lack ab, Kurz habe jegliche Glaubwürdigkeit verloren.

Kurz habe offenbar keine Sekunde dafür verwendet, darüber nachzudenken, welche Konsequenzen die Forderung nach Streichung von 1.000 EU-Verordnungen habe. Damit werde möglicherweise an den Grundfesten des Binnenmarktes gerüttelt, meinte Rossmann. Mit dem Vorwurf der Bevormundung beteilige sich Kurz an dem "sattsam bekannten Spiel", sich an Beschlüssen in Brüssel zu beteiligen und diese dann zu Hause zu kritisieren. ÖVP-Politiker hätten die nun kritisierten Verordnungen im EU-Parlament mitgetragen. Rossmann hält es auch für "billigen Populismus", mit dem der Kanzler auf Wählerfang gehe, weil Kurz seinen jetzt knapp zwei Wochen vor der Wahl konstatierten Reformbedarf in der EU nicht schon während der EU-Ratspräsidentschaft oder in seiner Zeit als Außenminister eingebracht habe.

Kurz weist Kritik zurück

Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) hat am Dienstag die Kritik der Opposition an seinen europapolitischen Aussagen zurückgewiesen und seine Forderung nach einer Reform der EU bekräftigt. "Man ist kein Anti-Europäer, nur weil man Europa besser machen will", sagte der Bundeskanzler in einer Stellungnahme gegenüber der APA.

Die Krisen der vergangenen Jahre hätte gezeigt, dass die EU dringend eine Veränderung zum Besseren benötige. "Wenn man sich mit dem Status Quo zufrieden gibt, dann gefährdet man auf Dauer dieses Freiheits- und Gemeinschaftsprojekt. Ich stehe jedenfalls auf der Seite eines besseren Europas", betonte Kurz.

Der Bundeskanzler bekräftigte, dass die Forderung nach Streichung von 1.000 Verordnungen Teil der von ihm gewünschten EU-Reform sei. Diese umfasse neben härteren Sanktionen für Budgetsünder, Länder, die Migranten nicht registrieren und durchwinken oder den Boden der Rechtsstaatlichkeit verlassen, vor allem einen Abbau der EU-Bürokratie.

Kurz ist "der festen Überzeugung, dass es Manfred Weber schafft, EU Verordnungen und Richtlinien zu streichen, um die EU schlanker und effizienter zu machen. In Österreich hat die Bundesregierung in den vergangenen Monaten an die 2.500 Gesetze, Verordnungen und Rechtsnormen gestrichen. Nun braucht auch die EU diesen Veränderungswillen", sagte der Bundeskanzler. Um welche Verordnungen und Richtlinien es konkret gehe, werde mit der neuen Kommission zu besprechen sein.

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